Apokalyptische Ängste gehören zum kollektiven Gedächtnis der Menschheit. Menschen sind immer wieder von ihnen unvorstellbaren Katastrophen heimgesucht worden - Einschlägen von Kometen und Meteoriten, Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Sintfluten und Tsunamis, verheerenden Kriegen. Die Furcht vor der Katastrophe steckt in uns; so, wie die Angst vor dem eigenen Tod.
Als heute vor einem Jahr Japan von einem Erdbeben der Stärke neun und zugleich einem Tsunami mit bis zu 40 Meter hohen Wellen heimgesucht wurde, war das eine solche Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes.
Wer die damaligen Bilder gesehen hat, der wird sie nicht wieder vergessen können - ganze Dörfer, die von Wasserfluten weggespült werden; eine Wasserwand, die sich über Felder und Straßen ergießt und alles mit sich reißt; Wohngebiete, dem Erdboden gleichgemacht (siehe die obige Titelvignette, die eine Luftaufnahme der zerstörten japanischen Stadt Sukuiso zeigt; für eine vergrößerte Ansicht bitte auf das Bild klicken).
Die Zahl der Opfer wird offiziell mit 15.854 Toten, 9.677 Verletzten und 3.155 Vermißten angegeben. Die meisten der Todesopfer ertranken. Fast zwei Drittel von ihnen waren Menschen über 60 Jahre. 128.582 Gebäude wurden zerstört und 243.914 beschädigt. 320.000 Menschen wurden obdachlos; von ihnen leben noch immer 90 Prozent in Notunterkünften.
Der Schutt aus den zusammengefallenen und hinweggespülten Häusern wird auf 24 bis 25 Millionen Tonnen geschätzt. 230.000 Fahrzeuge erlitten einen Totalschaden oder wurden schwer beschädigt. In vier Küstenstädten wurden die Hafenanlagen völlig demoliert, in elf weiteren erlitten sie Schäden.
Nach der Katastrophe waren 4,4 Millionen Haushalte ohne Strom. In mehreren Raffinerien brachen Brände aus. Eine Raffinerie in der Stadt Ichihara brannte zehn Tage lang. Bei dem Versuch, sie zu löschen, kamen sechs Menschen ums Leben oder erlitten Verletzungen. Die Tōhoku-Schnellbahnstrecke war fast zwei Wochen lang unterbrochen.
Der Gesamtschaden, den das Erdbeben und der Tsunami verursachten, beträgt nach einer anfänglichen Schätzung der japanischen Regierung mehr als 300 Milliarden Dollar. Die aktuelle Schätzung der OEDC ist etwas niedriger, liegt aber in derselben Größenordnung.
Das war die Katastrophe des 11. März 2011 in Japan. Von dieser Katastrophe werden Sie heute in unseren Medien aber allenfalls am Rande etwas erfahren. Die Berichterstattung wird sich, wie schon in den vergangenen Tagen, auf einen im Vergleich zu der Gesamtkatastrophe kleinen Teilschaden konzentrieren; den in dem Kernkraftwerk Fukushima Daiichi.
"Spiegel-Online" hat derzeit als Aufmacher "Fukushima-Katastrophe - Japans dunkelster Tag". Die "Tagesschau" spricht von einer "beispiellosen Katastrophe", meint damit aber nicht die Schäden durch Erdbeben und Tsunami insgesamt, sondern die Zerstörung des Kernkraftwerks Fukushima. Besonders tut sich die "Süddeutsche Zeitung" hervor, die ein Bild von dem zerstörten Kraftwerk mit diesem Text versieht:
Wie groß ist nun der Schaden, der durch den Unfall im Kernkraft Fukushima Daiichi entstanden ist?
Der materielle Schaden ist noch schwer abzuschätzen, weil er wesentlich durch die noch unbekannten Kosten für den Abbruch des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi bestimmt sein wird. (Dieser war ohnehin vorgesehen, wird jetzt aber teurer werden). Verläßlichere Daten gibt es zur Frage möglicher Gesundheitsschäden.
Warum radioaktive Substanzen überhaupt Menschen schädigen können und welche Formen und Schweregrade es dabei gibt, habe ich in den Tagen nach dem Unfall in einem Artikel erläutert, den Sie vielleicht nachlesen möchten: Welche Formen ionisierender Strahlung können in Fukushima aus den Reaktoren austreten? Wie gefährlich sind sie? Was ist überhaupt Radioaktivität?; ZR vom 13. 3. 2011.
Allgemein handelt es sich darum, daß die von radioaktiven Substanzen abgegebene Energie in Form von Strahlung so hoch ist, daß sie aus einem Atom oder Molekül, auf das sie trifft, Elektronen herausschlagen kann. Wenn es sich um ein Eiweißmolekül beispielsweise im menschlichen Körper handelt, dann wird dieses dadurch verändert.
Bei sehr hohen Strahlungsdosen kann das zur unmittelbaren Schädigung von Organen (Strahlenkrankheit) und zu Verbrennungen führen; im Extremfall mit Todesfolge. Davon waren Arbeiter bei der Katastrophe in Tschernobyl betroffen. In Fukushima Daiichi ist es hingegen nur einmal zu einem solchen Zwischenfall gekommen, als drei Arbeiter leichte Verbrennungen an den Füßen erlitten, nachdem sie ohne hinreichenden Schutz durch hoch radioaktive Flüssigkeit gewatet waren (siehe Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (12): Ein Riß im Containment von Block 3?; ZR vom 25. 3. 2011).
Davon zu unterscheiden sind langfristige Folgen erhöhter Strahlendosen in Form vor allem eines erhöhten Krebsrisikos.
Über das Unglück von Fukushima und seine Folgen hat die amerikanische Gesellschaft für Kernforschung (American Nuclear Society), in der die mit den verschiedenen Aspekten der Kernforschung befaßten Wissenschaftler organisiert sind, den umfassenden Bericht einer Kommission vorgelegt. Eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse zu gesundheitlichen Schädigungen finden Sie hier.
Danach ist die Erhebung von Daten und ihre Analyse noch nicht so weit fortgeschritten, daß endgültige Aussagen möglich wären. Gegenwärtig legen die Daten jedoch den Schluß nahe, daß die Folgen für die Gesundheit von Menschen, die sich außerhalb des Kernkraftwerks aufhielten oder aufhalten, "minimal sein dürften".
Die Strahlenbelastung der Personen, die sich auf dem Gelände aufhielten, wurde von TEPCO genau überwacht. Zwischen dem 11. März und Ende Juli 2011 wurden 14.841 Personen untersucht. Bisher wurde bei keiner von ihnen eine gesundheitliche Schädigung festgestellt. Dies schließt jedoch eine langfristige Beeinträchtigung in Form eines erhöhten Krebsriskos nicht aus.
Diese kann - so der Bericht der Kommission - nach der Faustformel geschätzt werden, daß oberhalb von 100 Millisievert (mSv) für jeweils 1000 mSv das Krebsrisiko um zehn Prozent zunimmt. Wer also beispielsweise eine Dosis von 100 mSv erhalten hat, der hat ein um ein Prozent erhöhtes Krebsrisiko.
Die höchste Dosis, die einer der Arbeiter auf dem Gelände erhalten hat, war 670 mSv; was also ungefähr einem um 6,7 Prozent erhöhten Krebsrisiko entspricht.
Insgesamt haben 408 Arbeiter Dosen oberhalb der normalerweise zulässigen Grenze von 50 mSv erhalten; jedoch beträgt die höchste zulässige Dosis bei einem Notfall 100 mSv und war in Fukushima noch einmal auf 250 mSv heraufgesetzt worden. Dies entspricht exakt den deutschen Bestimmungen, die ebenfalls eine "Katastrophendosis" von 250 mSv vorsehen, die aber nur einmal im Leben erreicht werden darf. Sechs der knapp 15.000 auf dem Gelände eingesetzten Arbeiter überschritten diese Dosis.
Im Durchschnitt waren die Arbeiter, die in den Wochen nach dem Unfall auf dem Gelände arbeiteten, jedoch einer weitaus geringeren Dosis von 22,4 mSv ausgesetzt; also weniger als der Hälfte des Grenzwerts im Normalbetrieb. Für die Monate von April bis Juli 2011 lag der Wert bereits unterhalb von 4 mSv.
Das sind keine unbedenklichen Werte (zum Vergleich: Der jährliche Grenzwert für einen deutschen Röntgenarzt beträgt 50 mSv im Einzelfall, 20 mSv regelmäßig). Aber in Relation zu den Zehntausenden von Toten und Verletzten, die das Erdbeben und der Tsunami gefordert haben, sind die Folgen des Unglücks von Fukushima für Menschen - jedenfalls nach den derzeit verfügbaren Daten - doch geringfügig. (Wenn Sie sich eingehender auf deutsch informieren wollen, empfehle ich hierzu auch den Bericht der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit Fukushima Daiichi 11. März 2011 - Unfallablauf, radiologische Folgen).
Wie kommt es, daß trotzdem dieser nukleare Unfall viel mehr als die entsetzlichen unmittelbaren Folgen von Tsunami und Erdbeben unsere Medien beschäftigt; ja daß er der Grund dafür ist, daß Deutschland künftig ganz auf Nuklearenergie verzichten will? Wie kommt es zu dem Mythos von Fukushima als einer fürchterlichen Katastrophe?
Eine rationale Erklärung sehe ich nicht. Die Schwere des Unfalls steht in keiner vernünftigen Relation zu der Bedeutung, die ihm beigemessen wird; noch weniger zu den radikalen Konsequenzen, die in Deutschland gezogen wurden.
Man muß, will man das erklären, wohl im Irrationalen suchen. Es gibt da, so scheint es, etwas Allgemeines und etwas spezifisch Deutsches.
Das spezifisch Deutsche ist, daß zum einen die deutsche Anti-AKW-Bewegung aus der Bewegung "Kampf dem Atomtod" hervorgegangen ist, die sich gegen die nukleare Rüstung des Westens gerichtet hatte; sie war dadurch von Anfang an politisch links verortet und sah in der Atomkraft ein Symbol des Bösen (siehe die ersten vier Folgen der Serie Die Deutschen und das Atom).
Zweitens hat sich in Deutschland im Lauf der siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Zurück-zur-Natur-Bewegung entwickelt, die dann später in den Aufstieg der Partei "Die Grünen" mündete. Für sie war die Atomenergie das Symbol des verhaßten aggressiven, "hochtechnologischen" Umgangs mit der Natur.
Beides verband sich darin, daß der "Ausstieg aus der Atomenergie" schon zur Zeit der rotgrünen Koalition als ein Stück Weltverbesserung, wenn nicht Welterlösung angesehen wurde; es gab einen positiven Mythos "Ausstieg" schon vor dem Negativ-Mythos "Fukushima".
Nur Deutschland hat deshalb auf den Unfall in Fukushima derart radikal, derart irrational reagiert. Aber in minderer Form war das doch eine sehr weit verbreitete Reaktion.
Das dürfte etwas damit zu tun haben, daß bei einem nuklearen Unfall zu der eingangs beschriebenen apokalyptischen Angst eine zweite Urangst hinzutritt; die Angst vor unsichtbaren Gefahren. Es ist die Angst, geschädigt zu werden, ohne daß man es zunächst merkt. Durch Brunnenvergiftung, Hexerei, den bösen Blick; in unserer Gegenwart durch Strahlungen aller Art. Menschen fürchten "Erdstrahlen", ängstigen sich vor "Handystrahlen" und ganz besonders vor radioaktiver Strahlung.
Und auch international gilt, daß aus der Zeit des Kalten Kriegs die Begriffe "nuklear" und "atomar" mit Waffen und mit Bombentests assoziiert sind. Der britische Telegraph zitiert dazu den emeritierten Oxforder Physikprofessor Wade Allison:
Als heute vor einem Jahr Japan von einem Erdbeben der Stärke neun und zugleich einem Tsunami mit bis zu 40 Meter hohen Wellen heimgesucht wurde, war das eine solche Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes.
Wer die damaligen Bilder gesehen hat, der wird sie nicht wieder vergessen können - ganze Dörfer, die von Wasserfluten weggespült werden; eine Wasserwand, die sich über Felder und Straßen ergießt und alles mit sich reißt; Wohngebiete, dem Erdboden gleichgemacht (siehe die obige Titelvignette, die eine Luftaufnahme der zerstörten japanischen Stadt Sukuiso zeigt; für eine vergrößerte Ansicht bitte auf das Bild klicken).
Die Zahl der Opfer wird offiziell mit 15.854 Toten, 9.677 Verletzten und 3.155 Vermißten angegeben. Die meisten der Todesopfer ertranken. Fast zwei Drittel von ihnen waren Menschen über 60 Jahre. 128.582 Gebäude wurden zerstört und 243.914 beschädigt. 320.000 Menschen wurden obdachlos; von ihnen leben noch immer 90 Prozent in Notunterkünften.
Der Schutt aus den zusammengefallenen und hinweggespülten Häusern wird auf 24 bis 25 Millionen Tonnen geschätzt. 230.000 Fahrzeuge erlitten einen Totalschaden oder wurden schwer beschädigt. In vier Küstenstädten wurden die Hafenanlagen völlig demoliert, in elf weiteren erlitten sie Schäden.
Nach der Katastrophe waren 4,4 Millionen Haushalte ohne Strom. In mehreren Raffinerien brachen Brände aus. Eine Raffinerie in der Stadt Ichihara brannte zehn Tage lang. Bei dem Versuch, sie zu löschen, kamen sechs Menschen ums Leben oder erlitten Verletzungen. Die Tōhoku-Schnellbahnstrecke war fast zwei Wochen lang unterbrochen.
Der Gesamtschaden, den das Erdbeben und der Tsunami verursachten, beträgt nach einer anfänglichen Schätzung der japanischen Regierung mehr als 300 Milliarden Dollar. Die aktuelle Schätzung der OEDC ist etwas niedriger, liegt aber in derselben Größenordnung.
Das war die Katastrophe des 11. März 2011 in Japan. Von dieser Katastrophe werden Sie heute in unseren Medien aber allenfalls am Rande etwas erfahren. Die Berichterstattung wird sich, wie schon in den vergangenen Tagen, auf einen im Vergleich zu der Gesamtkatastrophe kleinen Teilschaden konzentrieren; den in dem Kernkraftwerk Fukushima Daiichi.
"Spiegel-Online" hat derzeit als Aufmacher "Fukushima-Katastrophe - Japans dunkelster Tag". Die "Tagesschau" spricht von einer "beispiellosen Katastrophe", meint damit aber nicht die Schäden durch Erdbeben und Tsunami insgesamt, sondern die Zerstörung des Kernkraftwerks Fukushima. Besonders tut sich die "Süddeutsche Zeitung" hervor, die ein Bild von dem zerstörten Kraftwerk mit diesem Text versieht:
Die Bilder der Explosion gingen um die Welt. Ein Erdbeben und ein Tsunami erschütterten am 11. März 2011 das Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi. Die Umgebung ist seitdem verstrahlt und weiträumig abgesperrt. Wie sieht es dort aus, ein Jahr nach der Katastrophe?Bei diesem Schutt handelt es sich - siehe oben - um denjenigen Schutt, der durch das Erdbeben und die Flutwelle verursacht wurde; nicht durch das Unglück im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Wer den Text nicht sehr genau liest, der merkt gar nicht, daß mit dem Wort "Katastrophe" die eigentliche Katastrophe und dieser atomare Unfall so behandelt werden, als sei dies ein- und dasselbe.
Das Ausmaß der Zerstörung ist verheerend: Vor dem Reaktorgebäude 6 des Atomkraftwerks Fukushima stapeln sich die Überreste der Katastrophe. Nur fünf Prozent der geschätzt 22,5 Millionen Tonnen Schutt und Abfall aus den Provinzen Fukushima, Iwate und Miyagi konnten bisher verbrannt oder anderweitig entsorgt werden.
Wie groß ist nun der Schaden, der durch den Unfall im Kernkraft Fukushima Daiichi entstanden ist?
Der materielle Schaden ist noch schwer abzuschätzen, weil er wesentlich durch die noch unbekannten Kosten für den Abbruch des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi bestimmt sein wird. (Dieser war ohnehin vorgesehen, wird jetzt aber teurer werden). Verläßlichere Daten gibt es zur Frage möglicher Gesundheitsschäden.
Warum radioaktive Substanzen überhaupt Menschen schädigen können und welche Formen und Schweregrade es dabei gibt, habe ich in den Tagen nach dem Unfall in einem Artikel erläutert, den Sie vielleicht nachlesen möchten: Welche Formen ionisierender Strahlung können in Fukushima aus den Reaktoren austreten? Wie gefährlich sind sie? Was ist überhaupt Radioaktivität?; ZR vom 13. 3. 2011.
Allgemein handelt es sich darum, daß die von radioaktiven Substanzen abgegebene Energie in Form von Strahlung so hoch ist, daß sie aus einem Atom oder Molekül, auf das sie trifft, Elektronen herausschlagen kann. Wenn es sich um ein Eiweißmolekül beispielsweise im menschlichen Körper handelt, dann wird dieses dadurch verändert.
Bei sehr hohen Strahlungsdosen kann das zur unmittelbaren Schädigung von Organen (Strahlenkrankheit) und zu Verbrennungen führen; im Extremfall mit Todesfolge. Davon waren Arbeiter bei der Katastrophe in Tschernobyl betroffen. In Fukushima Daiichi ist es hingegen nur einmal zu einem solchen Zwischenfall gekommen, als drei Arbeiter leichte Verbrennungen an den Füßen erlitten, nachdem sie ohne hinreichenden Schutz durch hoch radioaktive Flüssigkeit gewatet waren (siehe Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (12): Ein Riß im Containment von Block 3?; ZR vom 25. 3. 2011).
Davon zu unterscheiden sind langfristige Folgen erhöhter Strahlendosen in Form vor allem eines erhöhten Krebsrisikos.
Über das Unglück von Fukushima und seine Folgen hat die amerikanische Gesellschaft für Kernforschung (American Nuclear Society), in der die mit den verschiedenen Aspekten der Kernforschung befaßten Wissenschaftler organisiert sind, den umfassenden Bericht einer Kommission vorgelegt. Eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse zu gesundheitlichen Schädigungen finden Sie hier.
Danach ist die Erhebung von Daten und ihre Analyse noch nicht so weit fortgeschritten, daß endgültige Aussagen möglich wären. Gegenwärtig legen die Daten jedoch den Schluß nahe, daß die Folgen für die Gesundheit von Menschen, die sich außerhalb des Kernkraftwerks aufhielten oder aufhalten, "minimal sein dürften".
Die Strahlenbelastung der Personen, die sich auf dem Gelände aufhielten, wurde von TEPCO genau überwacht. Zwischen dem 11. März und Ende Juli 2011 wurden 14.841 Personen untersucht. Bisher wurde bei keiner von ihnen eine gesundheitliche Schädigung festgestellt. Dies schließt jedoch eine langfristige Beeinträchtigung in Form eines erhöhten Krebsriskos nicht aus.
Diese kann - so der Bericht der Kommission - nach der Faustformel geschätzt werden, daß oberhalb von 100 Millisievert (mSv) für jeweils 1000 mSv das Krebsrisiko um zehn Prozent zunimmt. Wer also beispielsweise eine Dosis von 100 mSv erhalten hat, der hat ein um ein Prozent erhöhtes Krebsrisiko.
Die höchste Dosis, die einer der Arbeiter auf dem Gelände erhalten hat, war 670 mSv; was also ungefähr einem um 6,7 Prozent erhöhten Krebsrisiko entspricht.
Insgesamt haben 408 Arbeiter Dosen oberhalb der normalerweise zulässigen Grenze von 50 mSv erhalten; jedoch beträgt die höchste zulässige Dosis bei einem Notfall 100 mSv und war in Fukushima noch einmal auf 250 mSv heraufgesetzt worden. Dies entspricht exakt den deutschen Bestimmungen, die ebenfalls eine "Katastrophendosis" von 250 mSv vorsehen, die aber nur einmal im Leben erreicht werden darf. Sechs der knapp 15.000 auf dem Gelände eingesetzten Arbeiter überschritten diese Dosis.
Im Durchschnitt waren die Arbeiter, die in den Wochen nach dem Unfall auf dem Gelände arbeiteten, jedoch einer weitaus geringeren Dosis von 22,4 mSv ausgesetzt; also weniger als der Hälfte des Grenzwerts im Normalbetrieb. Für die Monate von April bis Juli 2011 lag der Wert bereits unterhalb von 4 mSv.
Das sind keine unbedenklichen Werte (zum Vergleich: Der jährliche Grenzwert für einen deutschen Röntgenarzt beträgt 50 mSv im Einzelfall, 20 mSv regelmäßig). Aber in Relation zu den Zehntausenden von Toten und Verletzten, die das Erdbeben und der Tsunami gefordert haben, sind die Folgen des Unglücks von Fukushima für Menschen - jedenfalls nach den derzeit verfügbaren Daten - doch geringfügig. (Wenn Sie sich eingehender auf deutsch informieren wollen, empfehle ich hierzu auch den Bericht der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit Fukushima Daiichi 11. März 2011 - Unfallablauf, radiologische Folgen).
Wie kommt es, daß trotzdem dieser nukleare Unfall viel mehr als die entsetzlichen unmittelbaren Folgen von Tsunami und Erdbeben unsere Medien beschäftigt; ja daß er der Grund dafür ist, daß Deutschland künftig ganz auf Nuklearenergie verzichten will? Wie kommt es zu dem Mythos von Fukushima als einer fürchterlichen Katastrophe?
Eine rationale Erklärung sehe ich nicht. Die Schwere des Unfalls steht in keiner vernünftigen Relation zu der Bedeutung, die ihm beigemessen wird; noch weniger zu den radikalen Konsequenzen, die in Deutschland gezogen wurden.
Man muß, will man das erklären, wohl im Irrationalen suchen. Es gibt da, so scheint es, etwas Allgemeines und etwas spezifisch Deutsches.
Das spezifisch Deutsche ist, daß zum einen die deutsche Anti-AKW-Bewegung aus der Bewegung "Kampf dem Atomtod" hervorgegangen ist, die sich gegen die nukleare Rüstung des Westens gerichtet hatte; sie war dadurch von Anfang an politisch links verortet und sah in der Atomkraft ein Symbol des Bösen (siehe die ersten vier Folgen der Serie Die Deutschen und das Atom).
Zweitens hat sich in Deutschland im Lauf der siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Zurück-zur-Natur-Bewegung entwickelt, die dann später in den Aufstieg der Partei "Die Grünen" mündete. Für sie war die Atomenergie das Symbol des verhaßten aggressiven, "hochtechnologischen" Umgangs mit der Natur.
Beides verband sich darin, daß der "Ausstieg aus der Atomenergie" schon zur Zeit der rotgrünen Koalition als ein Stück Weltverbesserung, wenn nicht Welterlösung angesehen wurde; es gab einen positiven Mythos "Ausstieg" schon vor dem Negativ-Mythos "Fukushima".
Nur Deutschland hat deshalb auf den Unfall in Fukushima derart radikal, derart irrational reagiert. Aber in minderer Form war das doch eine sehr weit verbreitete Reaktion.
Das dürfte etwas damit zu tun haben, daß bei einem nuklearen Unfall zu der eingangs beschriebenen apokalyptischen Angst eine zweite Urangst hinzutritt; die Angst vor unsichtbaren Gefahren. Es ist die Angst, geschädigt zu werden, ohne daß man es zunächst merkt. Durch Brunnenvergiftung, Hexerei, den bösen Blick; in unserer Gegenwart durch Strahlungen aller Art. Menschen fürchten "Erdstrahlen", ängstigen sich vor "Handystrahlen" und ganz besonders vor radioaktiver Strahlung.
Und auch international gilt, daß aus der Zeit des Kalten Kriegs die Begriffe "nuklear" und "atomar" mit Waffen und mit Bombentests assoziiert sind. Der britische Telegraph zitiert dazu den emeritierten Oxforder Physikprofessor Wade Allison:
The reporting of Fukushima was guided by the Cold War reflex that matched radiation with fear and mortal danger. Reactors have been destroyed, but the radiation at Fukushima has caused no loss of life and is unlikely to do so, even in the next 50 years. The voices of science and common sense on which the future of mankind depends were drowned out and remain to be heard, even today. The result has been unnecessary suffering and great socio-economic damage.
Die Berichterstattung aus Fukushima wurde von dem Reflex aus der Zeit des Kalten Kriegs geleitet, der Strahlung mit Angst und Lebensgefahr gleichsetzte. Es wurden Reaktoren zerstört, aber die Strahlung in Fukushima hat keine Menschenleben gekostet, und wahrscheinlich wird das auch in den kommenden 50 Jahren nicht der Fall sein. Die Stimmen der Wissenschaft und des gesunden Menschenverstands, von denen die Zukunft der Menschheit abhängt, wurden übertönt und werden immer noch nicht gehört. Das Ergebnis ist unnötiges Leid und ein großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Schaden.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Fahrzeuge der Feuerwehr in dem vom Tsunami und Erdbeben am 11. März 2011 zerstörten Sukuiso. Aufnahme der US Navy; als Werk der US-Regierung gemeinfrei. Mit Dank an Rainer aus dem Saarland, an Moro und an Rudolf Kipp.