Manchmal ist eine Einsicht so einfach, ja so trivial, daß kaum jemand sie sich klarmacht. Sie liegt auf der Hand. Jeder könnte sie haben, diese Einsicht. Aber man kommt erst darauf, wenn ein Nobelpreisträger sie hat und darüber ein Buch schreibt. Oder wenn ein bekannter Umweltpolitiker sie hat und darüber ein Buch schreibt.
Der Umweltpolitiker - er ist auch Chemiker und Manager in der Energieindustrie - ist in diesem Fall Fritz Vahrenholt. Der Nobelpreisträger ist Robert B. Laughlin. Er erhielt den Nobelpreis 1998 für Arbeiten zur Quantenphysik und ist auch als Wissenschaftstheoretiker hervorgetreten.
Laughlin hat ein Buch geschrieben, das im November vergangenen Jahres auf Englisch erschienen ist und das - mit einem reißerischen, irreführenden Titel - im April in deutscher Übersetzung herauskommen wird:
Laughlins einfache Einsicht: Wir werden neue Formen der Energieversorgung benötigen, und wir werden sie entwickeln. Nur müssen wir Schluß damit machen, die Frage der Energieversorgung mit dem Thema der globalen Erwärmung zu vermengen.
Zum Teil hat Laughlin die Thesen des Buchs bereits im vergangenen Jahr in einem Aufsatz im American Scholar dargelegt; im wesentlichen ein Auszug aus dem Buch. Wenn Sie sich über dessen gesamten Inhalt informieren wollen, dann empfehle ich die Rezensionen von Ashutosh Jogalekar und von Matt Ridley.
In den Forderungen nach einem "Umstieg auf alternative Energien" steckt ein seltsamer Widerspruch. Matt Ridley hat ihn am Beginn seiner Rezension so formuliert:
Es ist ein wenig so wie in dem jüdischen Witz, in dem Mosche dem Salomon einen Krug leiht. Als dieser ihn zurückbringt, ist ein Loch darin. Mosche schimpft den Salomon, und der verteidigt sich so: "In dem Krug ist doch gar kein Loch. Außerdem war das Loch schon drin, als ich den Krug geliehen habe. Und dann habe ich doch gar keinen Krug geliehen". Sigmund Freud, der diesen Witz erzählt, bemerkt dazu, daß jedes dieser Argumente möglicherweise tauglich sei, daß alle zusammen aber Salomons Position nicht unbedingt verbessern.
Man kann behaupten, durch die Verbrennung fossiler Energien werde die globale Temperatur bis Ende des Jahrhunderts immer weiter steigen. Man kann behaupten, Ab Mitte des Jahrhunderts würden die fossilen Energien sich zunehmend erschöpfen. Aber man kann nicht gut das eine wie das andere behaupten.
Laughlin bestreitet nicht, daß es eine menschengemachte globale Erwärmung (anthropogenic climate change = ACC) geben könnte; er hält es allerdings für schwierig, sie angesichts der vielen Faktoren, die auf das Erdklima Einfluß nehmen, eindeutig nachzuweisen. Sein entscheidender Punkt ist aber, daß sie uns, wenn es sie denn gibt, nicht besonders beunruhigen sollte.
Erstens werden nun einmal alle fossilen Energieträger, soweit sich das rechnet, auch zur Energieerzeugung eingesetzt werden. Alle Maßnahmen zum "Sparen" von CO2 haben allein den Effekt, den Zeitraum ein wenig zu verlängern, in dem wir Kohle und Erdöl aufbrauchen. Die Gesamtmenge an CO2, die dabei in die Atmosphäre gelangt, bleibt konstant.
Zweitens, argumentiert Laughlin, sind solche Effekte wie ACC geringfügig im Vergleich zu den nicht vom Menschen abhängigen Prozessen, die das Klima bestimmen - Zyklen der Erwärmung und Abkühlung wie beispielsweise die Eiszeiten:
Aber das viel größere Problem sieht Laughlin bei der Sicherstellung der Energieversorgung, wenn die fossilen Energien knapper werden. Diesem Thema - das er eben als eine Herausfordernung ganz unabhängig von der Frage des globalen Klimas sieht - widmet er den größen Teil seines Buchs. Er entwickelt dazu eine Reihe von Ideen, bei denen die Kernenergie eine zentrale Rolle spielt; Einzelheiten finden Sie in den beiden genannten Rezensionen sowie hier, wo Laughlin sein Buch selbst vorstellt.
Laughlin ist einer jener Naturwissenschaftler, die - ausgestattet mit der Kompetenz innerhalb ihres Fachgebiets - sich auch mit Themen außerhalb ihres Gebiets befassen. Sie liefern dort oft wichtige Anstöße. Weil sie nicht die (notwendigen) Scheuklappen der jeweiligen Scientific Community tragen, sind sie nicht selten offener für neue Perspektiven.
Bedeutende Beiträge zur Forschung kamen oft von solchen Außenseitern. Charles Darwin war kein Professor der Biologie, sondern Privatgelehrter. Einstein war, als er im Jahr 1905 seine ersten bahnbrechenden Arbeiten publizierte, Angestellter des Patentamts Bern. Zu den führenden Forschern auf dem Gebiet der Physiologie des Bewußtseins gehören der 2004 verstorbene Sir Francis Crick, von Haus aus Physiker, dann bekanntlich als Molekularbiologe mit dem Nobelpreis ausgezeichnet; und Roger Penrose, ein Mathematiker und theoretischer Physiker.
Was die Klimatologie angeht, ist Laughlin ein solcher Außenseiter. Jedoch kann man in gewisser Weise sagen, daß die meisten Klimatologen Außenseiter sind; denn ein Studienfach Klimatologie gab es gar nicht, als sie studierten und ihre wissenschaftliche Karriere begannen.
Die Klimatologie ist eine so junge Wissenschaft, daß die meisten in ihr tätigen Forscher von einer anderen Disziplin herkommen. Nehmen wir die beiden bekanntesten deutschen Klimatologen: Stefan Rahmstorf ist seiner Ausbildung nach Physiker und Ozeanologe; Hans-Joachim Schellnhuber hat Mathematik und theoretische Physik studiert. Der international vermutlich bekannteste Klimatologe ist Michael. E. Mann, der Erfinder der "Hockeyschläger-Kurve". Von Haus aus ist er Mathematiker, Physiker und Geologe. James E. Hansen, der auf den die Theorie des menschengemachten Treibhauseffekts zurückgeht, hat Mathematik, Physik und Astronomie studiert. Keiner von ihnen ist ausgebildeter Meteorologe.
Um in der Klimaforschung arbeiten zu können, braucht man eine naturwissenschaftliche Ausbildung; aber man muß, wie diese Beispiele zeigen, nicht Meteorologie studiert haben. Eine solche naturwissenschaftliche Ausbildung hat auch Fritz Vahrenholt, der Autor von "Die kalte Sonne" (siehe Ist Vahrenholt "widerlegt"? ; ZR vom 11. 2. 2012); er ist promovierter Chemiker und Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Sein Koautor Sebastian Lüning ist habilitierter Geologe und Paläontologe.
Das Buch "Die kalte Sonne" als unwissenschaftlich abtun zu wollen, war deshalb von vornherein recht kühn. Daß dies der "Zeit"-Redakteur Toralf Staudt tat ("Humbug"), mag daran liegen, daß ihm (Studium der Journalistik und Philosophie) die Beurteilungskriterien fehlten. Wenn auch der Klimatologe Mojib Latif zu einem derartigen Urteil kam ("eine Geschichte aus dem Tollhaus", "Pseudowissenschaft"), dann dürfte das darauf zurückgehen, daß er das Buch nach eigenem Eingeständnis gar nicht gelesen hatte, als er es derart drastisch abqualifizierte (siehe Mojib Latif. Erde, Sonne, globale Erwärmung. Pseudowissenschaft; ZR vom 14. 2. 2012).
Vahrenholt hat ebenso wie Lüning, und ebenso wie Robert B. Laughlin, die wissenschaftlichen Grundlagen, um als Außenseiter die Literatur zu einem Gebiet sichten zu können, auf dem er selbst nicht forscht. Ob das Ergebnis brauchbar ist oder nicht, wird man in jedem Fall sehen müssen. Solche Bücher von vornherein als Humbug abzutun, ist aber jedenfalls - nun, Humbug. Kritik an der jeweils herrschenden Meinung in einem Forschungsbereich zur Ketzerei zu erklären, ist kein Zeichen von Wissenschaftlichkeit, sondern von Dogmatismus.
Als Vahrenholts Buch erschien, gab es eine kurze Welle überwiegend vernichtender Kritik und dann Schweigen (siehe Vahrenholt und Sarrazin; ZR vom 14. 2. 2012). Bei der Kritik hat sich besonders die "Zeit" hervorgetan; siehe die zitierten Artikel von Thoralf Staudt. Eine Entgegnung Vahrenholts und Lünings blieb hingegen damals in der gedruckten "Zeit" und auch bei "Zeit-Online" aus. Warum, ist nicht bekannt. Daß sie nicht zu einer Entgegnung auf die massive Kritik bereit gewesen wären, ist eher unwahrscheinlich.
Und nun ist sie doch noch eingetroffen, die Entgegnung. Seit vorgestern können Sie bei "Zeit-Online" einen Artikel von Vahrenholt und Lüning lesen, der am Donnerstag vergangener Woche in der gedruckten "Zeit" erschienen war. In ihm legen die beiden Autoren ihre Thesen dar; klar und überzeugend.
Wenn Sie das lesen - was ich sehr empfehle -, dann werden Sie verstehen, warum ich auf diesen Artikel zusammen mit dem Hinweis auf das Buch Laughlins aufmerksam mache: Auch hier wird eine einfache Einsicht vorgetragen; eine, die von derjenigen Laughlins gar nicht so weit entfernt ist.
Diese Einsicht lautet, daß Wissenschaftler, die sich auf ihre Arbeit konzentrieren, dabei oft Aspekte des Gegenstands übersehen, die außerhalb ihres eigenen methodischen und theoretischen Ansatzes liegen. In diesem Fall sind es - folgt man Vahrenholt und Lüning - die Einflüsse der Sonnenzyklen, die ebenso die Entwicklung des Klimas bestimmen wie die Konzentration von Treibhausgasen. Berücksichtigt man sie, dann ist nicht mit dem steilen Anstieg der globalen Temperatur zu rechnen, den die ACC-Modelle vorhersagen.
Ist es plausibel, daß eine derart einfache Einsicht den führenden Klimaforschern entgehen kann? Ja, das ist es. Denn die Wissenschaft ist heute derart spezialisiert, daß jemand, der auf seinem Gebiet etwas leisten will, fast zwangsläufig auch die spezielle Perspektive dieses Gebiets einnimmt.
Ich habe den wissenschaftlichen Hintergrund der führenden Klimatologen erwähnt. Wer Mathematik oder Ozeanographie studiert hat, der wird sich sehr wahrscheinlich nie mit der Physik der Sonne beschäftigt haben; so wenig, wie sich ein Astronom im allgemeinen mit Meeresströmungen auskennt. Die Klimaforschung ist ein interdisziplinäres Unternehmen, das ist wahr. Aber auch bei interdisziplinärer Zusammenarbeit dominieren oft bestimmte Richtungen und Disziplinen.
Die Klimaforschung der vergangenen Jahrzehnte wurde beherrscht von Mathematikern, Physikern und Ozeanologen, die auf der Grundlage von ACC mathematische Modelle konstruierten. Die Kritiker dieses Ansatzes hatten überwiegend einen anderen, oft breiteren wissenschaftlichen Hintergrund, wie beispielsweise Horst Malberg, ehemaliger Direktor des Instituts für Meteorologie der FU Berlin (siehe Rationale Diskussion in den USA, Versuch der Inquisition in Deutschland; ZR vom 12. 11. 2010). Es ist an der Zeit, daß diese anderen Forschungsperspektiven endlich auch zu Wort kommen, statt als unwissenschaftlich ausgegrenzt zu werden.
Klimatologie ist ja eigentlich die Erforschung des Klimas. Aufgrund der Aufregung um eine angeblich drohende Klimakatastrophe ist sie aber zunehmend zu einer Prognose-Wissenschaft mutiert. Man erwartet von ihr nicht die wissenschaftliche Untersuchung dessen, was ist, sondern eine Vorhersage über das, was sein wird.
Lassen Sie mich auch eine Prognose wagen: Wenn man in einigen Jahrzehnten - dann, wenn wir noch immer komfortabel in einem nicht unangenehmen Klima leben werden - auf diese öffentliche Aufregung und hektische Forschung der Jahre um die Jahrtausendwende zurückblickt, dann wird man sagen: Ja, da wurde viel geforscht und viel herausgefunden. Nur - wie konnten Wissenschaftler so einseitig sein, so blind für Alternativen? Wie konnten sie sich derart vor den Karren politischer Interessen und pseudoreligiöser Glaubensinhalte spannen lassen? Wie konnten sie einfache Einsichten übersehen?
Der Umweltpolitiker - er ist auch Chemiker und Manager in der Energieindustrie - ist in diesem Fall Fritz Vahrenholt. Der Nobelpreisträger ist Robert B. Laughlin. Er erhielt den Nobelpreis 1998 für Arbeiten zur Quantenphysik und ist auch als Wissenschaftstheoretiker hervorgetreten.
Laughlin hat ein Buch geschrieben, das im November vergangenen Jahres auf Englisch erschienen ist und das - mit einem reißerischen, irreführenden Titel - im April in deutscher Übersetzung herauskommen wird:
R.B. Laughlin, Powering the future. New York: Basic Books, 2011; deutsch: Der Letzte macht das Licht aus. München: Piper, 2012Irreführend ist der Titel der deutschen Ausgabe deswegen, weil der Autor gerade kein Untergangs-Szenario à la "Der Letzte macht das Licht aus" entwirft. Das exakte Gegenteil ist der Fall. Er schreibt über das, was im Titel der Originalausgabe steht: Powering the Future. Man kann das übersetzen mit "Wie wir uns künftig mit Energie versorgen werden", oder "Energieversorgung der Zukunft". Der Piper-Verlag bietet im Untertitel "Die Zukunft der Energie" an; was wenigstens halbwegs richtig ist.
Laughlins einfache Einsicht: Wir werden neue Formen der Energieversorgung benötigen, und wir werden sie entwickeln. Nur müssen wir Schluß damit machen, die Frage der Energieversorgung mit dem Thema der globalen Erwärmung zu vermengen.
Zum Teil hat Laughlin die Thesen des Buchs bereits im vergangenen Jahr in einem Aufsatz im American Scholar dargelegt; im wesentlichen ein Auszug aus dem Buch. Wenn Sie sich über dessen gesamten Inhalt informieren wollen, dann empfehle ich die Rezensionen von Ashutosh Jogalekar und von Matt Ridley.
In den Forderungen nach einem "Umstieg auf alternative Energien" steckt ein seltsamer Widerspruch. Matt Ridley hat ihn am Beginn seiner Rezension so formuliert:
Many environmentalists believe that carbon dioxide from the burning of fossil fuels will cause a climate crisis toward the end of this century. Environmentalists also raise the alarm that we have reached "peak oil" and that fossil fuels will run out by the middle of the century. That both views cannot be true rarely seems to bother those who hold themWie können intelligente Menschen diesen auf der Hand liegenden Widerspruch nicht bemerken? Vielleicht, weil zwar beides nicht zugleich wahr sein kann, aber jede dieser Erwartungen die Konsequenz hat, daß wir dringend "auf erneuerbare Energien umsteigen" müssen. Auf einer emotionalen Ebene, auf der Ebene der Handlungskonsequenzen paßt das zusammen, was sich auf der rationalen Ebene widerspricht.
Viele Umweltschützer glauben, daß das Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe gegen Ende dieses Jahrhunderts eine Klimakrise auslösen wird. Umweltschützer schlagen auch den Alarm, wir hätten die "Ölspitze" erreicht, und um die Mitte dieses Jahrhunderts würden die Vorräte fossiler Energieträger aufgebraucht sein. Daß beides zugleich nicht stimmen kann, scheint diejenigen, die beide Auffassungen vertreten, nicht weiter zu stören.
Es ist ein wenig so wie in dem jüdischen Witz, in dem Mosche dem Salomon einen Krug leiht. Als dieser ihn zurückbringt, ist ein Loch darin. Mosche schimpft den Salomon, und der verteidigt sich so: "In dem Krug ist doch gar kein Loch. Außerdem war das Loch schon drin, als ich den Krug geliehen habe. Und dann habe ich doch gar keinen Krug geliehen". Sigmund Freud, der diesen Witz erzählt, bemerkt dazu, daß jedes dieser Argumente möglicherweise tauglich sei, daß alle zusammen aber Salomons Position nicht unbedingt verbessern.
Man kann behaupten, durch die Verbrennung fossiler Energien werde die globale Temperatur bis Ende des Jahrhunderts immer weiter steigen. Man kann behaupten, Ab Mitte des Jahrhunderts würden die fossilen Energien sich zunehmend erschöpfen. Aber man kann nicht gut das eine wie das andere behaupten.
Laughlin bestreitet nicht, daß es eine menschengemachte globale Erwärmung (anthropogenic climate change = ACC) geben könnte; er hält es allerdings für schwierig, sie angesichts der vielen Faktoren, die auf das Erdklima Einfluß nehmen, eindeutig nachzuweisen. Sein entscheidender Punkt ist aber, daß sie uns, wenn es sie denn gibt, nicht besonders beunruhigen sollte.
Erstens werden nun einmal alle fossilen Energieträger, soweit sich das rechnet, auch zur Energieerzeugung eingesetzt werden. Alle Maßnahmen zum "Sparen" von CO2 haben allein den Effekt, den Zeitraum ein wenig zu verlängern, in dem wir Kohle und Erdöl aufbrauchen. Die Gesamtmenge an CO2, die dabei in die Atmosphäre gelangt, bleibt konstant.
Zweitens, argumentiert Laughlin, sind solche Effekte wie ACC geringfügig im Vergleich zu den nicht vom Menschen abhängigen Prozessen, die das Klima bestimmen - Zyklen der Erwärmung und Abkühlung wie beispielsweise die Eiszeiten:
Nobody knows why these dramatic climate changes occurred in the ancient past. Ideas that commonly surface include perturbations to the earth’s orbit by other planets, disruptions of ocean currents, the rise and fall of greenhouse gases, heat reflection by snow, continental drift, comet impacts, Genesis floods, volcanoes, and slow changes in the irradiance of the sun. No scientifically solid support has been found for any of these suggestions. One thing we know for sure is that people weren't involved. There weren't enough people around during the ice episodes to matter, and there weren't any people around before the ice episodes.Was das durch das Verbrennen fossiler Energieträger freigesetzte CO2 angeht, macht Laughlin auf Mechanismen aufmerksam, die zu einer Stabilisierung der CO2-Konzentration tendieren: die Absorption von CO2 durch die Ozeane und seine schließliche Umwandlung in einen Bestandteil von Kalkstein. Das sind freilich langsame Prozesse in der Größenordnung von Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden; daß ACC auf einer anderen Zeitskala Probleme mit sich bringen könnte, bestreitet Laughlin nicht.
Niemand weiß, warum in der Vorzeit diese dramatischen Klimaänderungen stattfanden. Zu den Ideen, die üblicherweise vorgebracht werden, gehören Störungen der Erdbahn durch andere Planeten, Unterbrechungen von Meeresströmungen, das Steigen und Fallen von Treibhausgasen, die Wärmereflektion durch Schnee, Kontinentalverschiebungen, Kometeneinschläge, sintflutartige Überschwemmungen, Vulkane und langsame Änderungen in der Strahlung der Sonne. Für keine dieser Vermutungen gibt es wissenschaftlich tragfähige Belege. Das einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, daß Menschen dabei keine Rolle spielten. Während der Eiszeiten gab es zu wenige Menschen, als daß sie von Bedeutung gewesen wären, und vor den Eiszeiten fehlte es überhaupt an Menschen.
Aber das viel größere Problem sieht Laughlin bei der Sicherstellung der Energieversorgung, wenn die fossilen Energien knapper werden. Diesem Thema - das er eben als eine Herausfordernung ganz unabhängig von der Frage des globalen Klimas sieht - widmet er den größen Teil seines Buchs. Er entwickelt dazu eine Reihe von Ideen, bei denen die Kernenergie eine zentrale Rolle spielt; Einzelheiten finden Sie in den beiden genannten Rezensionen sowie hier, wo Laughlin sein Buch selbst vorstellt.
Laughlin ist einer jener Naturwissenschaftler, die - ausgestattet mit der Kompetenz innerhalb ihres Fachgebiets - sich auch mit Themen außerhalb ihres Gebiets befassen. Sie liefern dort oft wichtige Anstöße. Weil sie nicht die (notwendigen) Scheuklappen der jeweiligen Scientific Community tragen, sind sie nicht selten offener für neue Perspektiven.
Bedeutende Beiträge zur Forschung kamen oft von solchen Außenseitern. Charles Darwin war kein Professor der Biologie, sondern Privatgelehrter. Einstein war, als er im Jahr 1905 seine ersten bahnbrechenden Arbeiten publizierte, Angestellter des Patentamts Bern. Zu den führenden Forschern auf dem Gebiet der Physiologie des Bewußtseins gehören der 2004 verstorbene Sir Francis Crick, von Haus aus Physiker, dann bekanntlich als Molekularbiologe mit dem Nobelpreis ausgezeichnet; und Roger Penrose, ein Mathematiker und theoretischer Physiker.
Was die Klimatologie angeht, ist Laughlin ein solcher Außenseiter. Jedoch kann man in gewisser Weise sagen, daß die meisten Klimatologen Außenseiter sind; denn ein Studienfach Klimatologie gab es gar nicht, als sie studierten und ihre wissenschaftliche Karriere begannen.
Die Klimatologie ist eine so junge Wissenschaft, daß die meisten in ihr tätigen Forscher von einer anderen Disziplin herkommen. Nehmen wir die beiden bekanntesten deutschen Klimatologen: Stefan Rahmstorf ist seiner Ausbildung nach Physiker und Ozeanologe; Hans-Joachim Schellnhuber hat Mathematik und theoretische Physik studiert. Der international vermutlich bekannteste Klimatologe ist Michael. E. Mann, der Erfinder der "Hockeyschläger-Kurve". Von Haus aus ist er Mathematiker, Physiker und Geologe. James E. Hansen, der auf den die Theorie des menschengemachten Treibhauseffekts zurückgeht, hat Mathematik, Physik und Astronomie studiert. Keiner von ihnen ist ausgebildeter Meteorologe.
Um in der Klimaforschung arbeiten zu können, braucht man eine naturwissenschaftliche Ausbildung; aber man muß, wie diese Beispiele zeigen, nicht Meteorologie studiert haben. Eine solche naturwissenschaftliche Ausbildung hat auch Fritz Vahrenholt, der Autor von "Die kalte Sonne" (siehe Ist Vahrenholt "widerlegt"? ; ZR vom 11. 2. 2012); er ist promovierter Chemiker und Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Sein Koautor Sebastian Lüning ist habilitierter Geologe und Paläontologe.
Das Buch "Die kalte Sonne" als unwissenschaftlich abtun zu wollen, war deshalb von vornherein recht kühn. Daß dies der "Zeit"-Redakteur Toralf Staudt tat ("Humbug"), mag daran liegen, daß ihm (Studium der Journalistik und Philosophie) die Beurteilungskriterien fehlten. Wenn auch der Klimatologe Mojib Latif zu einem derartigen Urteil kam ("eine Geschichte aus dem Tollhaus", "Pseudowissenschaft"), dann dürfte das darauf zurückgehen, daß er das Buch nach eigenem Eingeständnis gar nicht gelesen hatte, als er es derart drastisch abqualifizierte (siehe Mojib Latif. Erde, Sonne, globale Erwärmung. Pseudowissenschaft; ZR vom 14. 2. 2012).
Vahrenholt hat ebenso wie Lüning, und ebenso wie Robert B. Laughlin, die wissenschaftlichen Grundlagen, um als Außenseiter die Literatur zu einem Gebiet sichten zu können, auf dem er selbst nicht forscht. Ob das Ergebnis brauchbar ist oder nicht, wird man in jedem Fall sehen müssen. Solche Bücher von vornherein als Humbug abzutun, ist aber jedenfalls - nun, Humbug. Kritik an der jeweils herrschenden Meinung in einem Forschungsbereich zur Ketzerei zu erklären, ist kein Zeichen von Wissenschaftlichkeit, sondern von Dogmatismus.
Als Vahrenholts Buch erschien, gab es eine kurze Welle überwiegend vernichtender Kritik und dann Schweigen (siehe Vahrenholt und Sarrazin; ZR vom 14. 2. 2012). Bei der Kritik hat sich besonders die "Zeit" hervorgetan; siehe die zitierten Artikel von Thoralf Staudt. Eine Entgegnung Vahrenholts und Lünings blieb hingegen damals in der gedruckten "Zeit" und auch bei "Zeit-Online" aus. Warum, ist nicht bekannt. Daß sie nicht zu einer Entgegnung auf die massive Kritik bereit gewesen wären, ist eher unwahrscheinlich.
Und nun ist sie doch noch eingetroffen, die Entgegnung. Seit vorgestern können Sie bei "Zeit-Online" einen Artikel von Vahrenholt und Lüning lesen, der am Donnerstag vergangener Woche in der gedruckten "Zeit" erschienen war. In ihm legen die beiden Autoren ihre Thesen dar; klar und überzeugend.
Wenn Sie das lesen - was ich sehr empfehle -, dann werden Sie verstehen, warum ich auf diesen Artikel zusammen mit dem Hinweis auf das Buch Laughlins aufmerksam mache: Auch hier wird eine einfache Einsicht vorgetragen; eine, die von derjenigen Laughlins gar nicht so weit entfernt ist.
Diese Einsicht lautet, daß Wissenschaftler, die sich auf ihre Arbeit konzentrieren, dabei oft Aspekte des Gegenstands übersehen, die außerhalb ihres eigenen methodischen und theoretischen Ansatzes liegen. In diesem Fall sind es - folgt man Vahrenholt und Lüning - die Einflüsse der Sonnenzyklen, die ebenso die Entwicklung des Klimas bestimmen wie die Konzentration von Treibhausgasen. Berücksichtigt man sie, dann ist nicht mit dem steilen Anstieg der globalen Temperatur zu rechnen, den die ACC-Modelle vorhersagen.
Ist es plausibel, daß eine derart einfache Einsicht den führenden Klimaforschern entgehen kann? Ja, das ist es. Denn die Wissenschaft ist heute derart spezialisiert, daß jemand, der auf seinem Gebiet etwas leisten will, fast zwangsläufig auch die spezielle Perspektive dieses Gebiets einnimmt.
Ich habe den wissenschaftlichen Hintergrund der führenden Klimatologen erwähnt. Wer Mathematik oder Ozeanographie studiert hat, der wird sich sehr wahrscheinlich nie mit der Physik der Sonne beschäftigt haben; so wenig, wie sich ein Astronom im allgemeinen mit Meeresströmungen auskennt. Die Klimaforschung ist ein interdisziplinäres Unternehmen, das ist wahr. Aber auch bei interdisziplinärer Zusammenarbeit dominieren oft bestimmte Richtungen und Disziplinen.
Die Klimaforschung der vergangenen Jahrzehnte wurde beherrscht von Mathematikern, Physikern und Ozeanologen, die auf der Grundlage von ACC mathematische Modelle konstruierten. Die Kritiker dieses Ansatzes hatten überwiegend einen anderen, oft breiteren wissenschaftlichen Hintergrund, wie beispielsweise Horst Malberg, ehemaliger Direktor des Instituts für Meteorologie der FU Berlin (siehe Rationale Diskussion in den USA, Versuch der Inquisition in Deutschland; ZR vom 12. 11. 2010). Es ist an der Zeit, daß diese anderen Forschungsperspektiven endlich auch zu Wort kommen, statt als unwissenschaftlich ausgegrenzt zu werden.
Klimatologie ist ja eigentlich die Erforschung des Klimas. Aufgrund der Aufregung um eine angeblich drohende Klimakatastrophe ist sie aber zunehmend zu einer Prognose-Wissenschaft mutiert. Man erwartet von ihr nicht die wissenschaftliche Untersuchung dessen, was ist, sondern eine Vorhersage über das, was sein wird.
Lassen Sie mich auch eine Prognose wagen: Wenn man in einigen Jahrzehnten - dann, wenn wir noch immer komfortabel in einem nicht unangenehmen Klima leben werden - auf diese öffentliche Aufregung und hektische Forschung der Jahre um die Jahrtausendwende zurückblickt, dann wird man sagen: Ja, da wurde viel geforscht und viel herausgefunden. Nur - wie konnten Wissenschaftler so einseitig sein, so blind für Alternativen? Wie konnten sie sich derart vor den Karren politischer Interessen und pseudoreligiöser Glaubensinhalte spannen lassen? Wie konnten sie einfache Einsichten übersehen?
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Drei Bilder, die sich durch das Schütteln eines Kaleidoskops ergeben. Fotografiert und in die Public Domain gestellt von rnbc.