8. Juli 2010

Marginalie: Ressortleiterin von CNN gefeuert, nachdem sie Sympathie für einen verstorbenen Hisbollah-Führer geäußert hatte. Und was sagt Erdoğan?

Die Meldung steht heute in dem Nachrichtenaggregat The Slatest, und dort bezieht man sich auf das, was das Magazin New York schrieb: Am gestrigen Mittwoch hat CNN die fristlose Kündigung seiner Ressortleiterin für den Nahen Osten, Octavia Nasr, mitgeteilt.

Sie hatte einen Tweet gepostet, in dem sie ihre Wertschätzung für den verstorbenen Hisbollah-Führer Großayatollah Sayyed Mohammed Hussein Fadlallah zum Ausdruck brachte ("Sad to hear of the passing of Sayyed Mohammed Hussein Fadlallah. One of Hezbollah’s giants I respect a lot" - ich habe mit Trauer vom Verscheiden von Sayyed Mohammed Hussein Fadlallah erfahren, eines der Giganten der Hisbollah, dem ich eine Menge Achtung entgegenbringe).

Als das publik wurde, hat Frau Nasr ihren Twitter-Eintrag gelöscht und sich zugleich in ihrem Blog zu erklären versucht. Darüber berichtet The Slatest:
Nasr apologized for the tweet and even wrote a blog post on Tuesday night about the issue. In it, she wrote that when she tweeted about respecting the cleric, she was referring to his attitude toward women's rights: Fadlallah gave women the right to hit their husbands if they were attacked first. "Not the kind of life to be commenting about in a brief tweet," Nasr wrote on her blog. "It's something I deeply regret."

Nasr entschuldigte sich für den Tweet und schrieb Dienstag Nacht sogar einen Blogeintrag zu dem Fall. Dort schrieb sie, daß sie sich bei ihrem Tweet über den Geistlichen auf seine Haltung gegenüber den Rechten von Frauen bezogen habe: Fadlallah billigte Frauen das Recht zu, ihre Männer zu schlagen, wenn sie als erste angegriffen worden waren. "Das [Leben von Fadlallah] ist kein Leben, über das man sich in einem kurzen Tweet äußern sollte" schrieb Nasr in ihrem Blog. "Das bedauere ich zutiefst".
Wenn man sich diesen Blogeintrag ansieht, so wie er heute im Netz steht, dann fehlt allerdings eine Passage über Frauen, die zurückschlagen dürfen. Der betreffende Absatz lautet dort:
I used the words "respect" and "sad" because to me as a Middle Eastern woman, Fadlallah took a contrarian and pioneering stand among Shia clerics on woman's rights. He called for the abolition of the tribal system of "honor killing." He called the practice primitive and non-productive. He warned Muslim men that abuse of women was against Islam.

Ich habe die Wörter "Achtung" und "traurig" verwendet, weil für mich als Frau aus dem Nahen Osten Fadlallah in Bezug auf die Rechte von Frauen unter den schiitischen Geistlichen eine abweichende Position, eine Pionierposition hatte. Er trat für die Abschaffung des tribalistischen Systems der "Ehrenmorde" ein. Er nannte diese Praxis primitiv und unproduktiv. Er mahnte die Moslems, daß Gewalt gegen Frauen unislamisch sei.
Nichts von Zurückschlagen. Vielleicht hat das aber auch der Verfasser der Kurzmeldung in The Slatest eingefügt.



Ob die (vergleichsweise) liberale Haltung des Geistlichen Fadlallah, was die Rechte von Frauen angeht, es rechtfertigt, diesen als einen der "Giganten der Hisbollah" zu achten, sei dahingestellt. Vielleicht hätte es ja auch genügt, ihn in diesem Punkt als einen Islam-Gelehrten zu achten.

Was Fadlallah als "Gigant der Hisbollah" vertreten hat, gibt jedenfalls wenig Grund, ihn zu achten.

Auf seiner WebSite hat er beispielsweise diese Fatwa verkündet:
All American and Israeli goods and products should be boycotted in a way that undermines American and Israeli interests so as to act as deterrence to their war against Muslims and Islam that is being waged under the pretense of fighting terrorism.

This boycott should become an overwhelming trend that makes these two states feel that their economies are in a real and actual danger.

Alle amerikanischen und israelischen Waren und Produkte sind zu boykottieren. Dadurch sollen die amerikanischen und israelischen Interessen unterminiert werden, und dies soll als Abschreckung bei dem Krieg dienen, den sie gegen die Moslems und den Islam führen und der unter dem Vorwand geführt wird, den Terrorismus zu bekämpfen.

Dieser Boykott sollte eine überwältigende Bewegung werden, so daß diese beiden Staaten merken, daß ihre Wirtschaft in einer realen und unmittelbaren Gefahr ist
Und zum Holocaust erklärte Fadlallah laut Wikipedia, Israel plündere Deutschland aus und erpresse es unter dem Vorwand der Nazi-Vergangenheit, wobei der Zionismus die Zahl der Opfer über jede Vorstellungskraft hinaus aufblähe ("Zionism has inflated the number of victims in this holocaust beyond imagination").

Das also ist der Mann, über dessen Tod die Ressortleiterin Nasr trauert und den sie als einen Giganten sieht, für den sie eine Menge Respekt hat.

Daß CNN sie gefeuert hat, war konsequent. Aber interessanter als diese Entscheidung ist die Frage, wie denn die Berichterstattung von CNN über den Nahen Osten ausgesehen hat, solange diese offenkundige Sympathisantin des Islamismus für sie als Ressortleiterin federführend war.



Und interessanter als die Ressortleiterin Nasr ist der Ministerpräsident eines Landes, mit dem die EU Beitrittsverhandlungen führt. Gestern in der Jerusalem Post zu lesen:
Turkish Prime Minister Recept Tayyip Erdogan called Hizbullah chief Hassan Nasrallah to give his condolences over the death of Hizbullah spiritual leader Muhammad Hussein Fadlallah, Al-Manar reported on Wednesday.

"Erdogan gave his condolences and asked to relay them to Fadlallah's family and the Lebanese people," the Lebanese television station reported. Al-Manar added that "Nasrallah responded by expressing appreciation for the telephone call, and for Erdogan's stance on the Palestinian issue."

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdoğan rief den Führer der Hisbollah Hassan Nasrallah an, um sein Beileid zum Tod des geistlichen Führers der Hisbollah, Muhammad Hussein Fadlallah, zum Ausdruck zu bringen. Dies berichtete Al-Manar [der Sender der Hisbollah; Zettel] am Mittwoch.

"Erdoğan sprach sein Beileid aus und bat darum, dieses der Familie von Fadlallah und dem libanesischen Volk zu übermitteln", berichtete der libanesische TV-Sender. Al-Manar fügte hinzu, daß "Nasrallah in seiner Antwort seinen Dank für den Anruf und für Erdoğans Haltung zur Palästina-Frage zum Ausdruck brachte".


Wann endlich beginnt in Europa eine öffentliche Debatte über die Türkei, die sich mit großen Schritten Syrien, dem Iran und der Hisbollah annähert (siehe Über die neue Außenpolitik des Tayyep Recip Erdoğan; ZR vom 14. 1. 2010)?

Wann endlich sehen die Verantwortlichen in Europa ein, daß nur ein sofortiger und bedingungsloser Abbruch der Beitrittsverhandlungen die angemessene Antwort auf die unverhüllte Parteinahme der Türkei für den Terrorismus ist?



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