29. Juli 2010

Zitat des Tages: "Gegen Jörg Kachelmann besteht kein dringender Tatverdacht mehr"

Der 3. Strafsenat hat ... ausgeführt, dass jedenfalls im derzeitigen Stadium des Verfahrens kein dringender Tatverdacht mehr bestehe.

Zur Begründung hat der Senat insbesondere darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten und die Nebenklägerin als einzige Belastungszeugin die Fallkonstellation der "Aussage gegen Aussage" vorliege.

Die Nebenklägerin, bei der Bestrafungs- und Falschbelastungsmotive nicht ausgeschlossen werden könnten, habe zudem bei der Anzeigeerstattung und im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens ... zunächst unzutreffende Angaben gemacht.

Hinsichtlich der Verletzungen der Nebenklägerin könne derzeit aufgrund der bisher durchgeführten Untersuchungen und Begutachtungen neben einer Fremdbeibringung auch eine Selbstbeibringung nicht ausgeschlossen werden.


Aus der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu seiner Entscheidung, der Haftbeschwerde von Jörg Kachelmann stattzugeben.


Kommentar: Meine Beurteilung des Falls Kachelmann können Sie in einer Reihe von früheren Artikeln nachlesen.

Unmittelbar nach Kachelmanns Verhaftung auf dem Frankfurter Flughafen stand in diesem Blog am 22. März:
Die Anzeige gegen ihn basiert auf einem angeblichen Vorfall, bei dem vermutlich nur er selbst und die Frau, die ihn angezeigt hat, anwesend waren. Die Vergewaltigung soll innerhalb eines Beziehungsstreits erfolgt sein. Es wird also, wie oft in solchen Prozessen, darum gehen, wem das Gericht mehr glaubt, und das ist in aller Regel völlig offen.

Daß Kachelmann sich vor einem solchen Hintergrund einem Verfahren durch die Flucht entziehen würde, ist ausgesprochen unwahrscheinlich.
Drei Tage später habe ich auf die unwürdigen Haftumstände des U-Gefangenen Kachelmann hingewiesen; unwürdig für einen Menschen, der als unschuldig zu gelten hat.

Dann gab es die seltsame Mitteilung des Sprechers des Landgerichts Mannheim, Andreas Grossmann, es werde noch geprüft, ob ein für eine Anklageerhebung hinreichender Tatverdacht vorliege. Ich habe dazu am 30. März darauf aufmerksam gemacht, daß ein Fortbestehen der U-Haft aber einen dringenden Tatverdacht voraussetzt; daß die Mannheimer Justiz also inkonsistenterweise einen dringenden Tatverdacht (die höchste Verdachtsstufe) als gegeben ansieht, zugleich aber das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts (der geringeren Stufe) noch prüft.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat dann diesen hinreichenden Tatverdacht als gegeben angesehen und Anklage erhoben; und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits diejenigen Gutachten vorlagen, über die Anfang Juni der "Spiegel" berichtete und auf die sich jetzt auch das OLG Karlsruhe bezieht; ich habe das damals hier kommentiert.



Gibt es dem jetzt noch etwas hinzuzufügen? Ja: Es gibt noch Richter in Karlsruhe.

Wir haben ein funktionierendes Rechtssystem, in dem Irrtümer, falsche Bewertungen, vielleicht auch schon einmal der überzogene Ehrgeiz eines Staatsanwalts auf einer unteren Ebene in aller Regel durch die übergeordneten Instanzen korrigiert werden. Sei es bei einem Revisionsurteil, wie kürzlich im Fall Ramelow, sei es, wie jetzt, bei einer Haftbeschwerde.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Uwe Richard und Kaa.