Auf den ersten Blick mag die Behauptung im Titel abwegig erscheinen. Natürlich ist es, so sollte man meinen, doch besser, Vize-Weltmeister zu werden, statt sich mit dem dritten Platz begnügen zu müssen.
Oder doch nicht? Der Modus, nach dem eine Fußball-WM ausgetragen wird, weist eine eigenartige Besonderheit auf:
Es gibt bekanntlich zuerst die Gruppenphase, in der innerhalb einer Gruppe jeder gegen jeden spielt, wie beispielsweise in der Bundesliga. Auf sie folgt die Phase, die man gern die "K.O.-Phase" nennt und in der es so zugeht wie zum Beispiel beim DFB-Pokal: Der Gewinner kommt weiter; der Verlierer ist aus dem Wettbewerb ausgeschieden.
Und dann gibt es noch innerhalb der K.O.-Phase diese Endrunde der letzten Vier, die eigentlich gar nicht zur K.O.-Phase gehört. Denn dort ist nicht wirklich K.O., wer verloren hat. Sondern zwischen den beiden Verlierern wird im "kleinen Finale" der dritte Platz ausgespielt.
Das heißt aber nichts anders, als daß diese letzte Phase der Weltmeisterschaft so etwas wie eine erneute Gruppenphase ist. Jeder spielt zwar nicht gegen jeden; aber jede Mannschaft spielt gegen zwei der drei anderen; im Halbfinale und dann entweder im kleinen oder im eigentlichen Finale.
Wer beide Spiele gewinnt, der ist Weltmeister. Wer beide verliert, der ist Vierter. Und wer einmal gewinnt und einmal verliert, der ist entweder Zweiter oder Dritter.
Ob er Zweiter oder Dritter ist, hängt ausschließlich davon ab, in welcher Reihenfolge er verliert und gewinnt. Wer erst gewinnt und dann verliert, der ist Zweiter. Wer erst verliert und dann gewinnt, der ist Dritter.
Über die Leistung sagt diese Reihenfolge aber natürlich nichts. In der Bundesliga sind drei Punkte am ersten Spieltag ja auch nicht mehr wert - oder weniger - als drei Punkte am zweiten Spieltag.
Aber finden die Siege und Niederlagen nicht gegen verschiedene und ergo vermutlich verschieden starke Gegner statt? Nicht unbedingt.
Nehmen wir an, daß die deutsche Elf morgen gegen Uruguay gewinnt und daß am Sonntag die Niederlande gegen Spanien verlieren. Dann haben beide Mannschaften - Holland und Deutschland - in dieser Endrunde der letzten Vier Uruguay geschlagen und sind von Spanien besiegt worden.
Sie haben sich, sofern man die Leistung in dieser Runde zum Maßstab nimmt, als exakt gleich stark erwiesen. Und zuvor waren sie, formal betrachtet, ohnehin gleich stark, denn sie haben ja beide diese Endrunde erreicht.
Falls also Deutschland Dritter und Holland Zweiter wird, dann gibt es keinen Grund, daß in Amsterdam über den zweiten Platz lauter gejubelt werden sollte als in Berlin über den dritten.
Es ist vielmehr genau umgekehrt; und das hat einen offensichtlichen psychologischen Grund. Deutschland wird - wenn es so kommt wie eben angenommen - die WM mit einem Erfolg beenden, Holland mit einem Scheitern. Morgen Abend werden (immer vorausgesetzt, es kommt so) dann die deutschen Spieler nach ihrem letzten Spiel die Hände hochreißen und übereinanderkugeln, und die holländischen werden am Sonntag vom Platz schleichen.
Und in Berlin, München und Gelsenkirchen wird am Samstag lauter gejubelt werden als in Amsterdam, s'Gravenhage und Leeuwarden am Sonntag.
Richtig so. Denn der dritte Platz ist, was die Leistung angeht, dem zweiten absolut gleichwertig. Und was das Gefühl angeht, ist es natürlich viel schöner, am Ende zu siegen als am Ende zu verlieren.
Wenn es denn so kommt.
Aber bekanntlich verdanken wir nicht nur Sepp Herberger die Erkenntnis, daß der Ball rund ist; sondern die statistischen Analysen beispielsweise des Professors Tolan (siehe Die Mathematik sagt es uns; ZR vom 7. 7. 2010) haben auch gezeigt, daß im Fußball keineswegs immer der Bessere gewinnt. Selbst eine Mannschaft, die in der Bundesliga auf eine doppelt so starke Mannschaft (gemessen an zuvor geschossenen und kassierten Toren) trifft, hat noch eine Chance von p=.26, als Sieger vom Platz zu gehen.
Nachtrag am 11. 7., 23.20 Uhr: Es hat keine Überraschungen gegeben, aber noch ein besonderes Schmankerl für die Betrachtungsweise, die ich in diesem Artikel vorgeschlagen habe:
Nicht nur nach gewonnenen und verloren Spielen in der Runde der letzten Vier waren Deutschland und Holland gleich stark; nicht nur in Bezug auf den Gegner, gegen den sie verloren und den Gegner, den sie besiegt haben. Sondern wie der Zufall es will, sind auch die Spielergebnisse identisch: Sowohl Deutschland als auch Holland haben gegen Uruguay 3:2 gewonnen und gegen Spanien 0:1 verloren.
Übereinstimmender in ihrer Leistung können der Zweite und der Dritte überhaupt nicht sein.
[Text bis auf den Nachtrag gepostet am 9. 7. um 20.20 Uhr]
Oder doch nicht? Der Modus, nach dem eine Fußball-WM ausgetragen wird, weist eine eigenartige Besonderheit auf:
Es gibt bekanntlich zuerst die Gruppenphase, in der innerhalb einer Gruppe jeder gegen jeden spielt, wie beispielsweise in der Bundesliga. Auf sie folgt die Phase, die man gern die "K.O.-Phase" nennt und in der es so zugeht wie zum Beispiel beim DFB-Pokal: Der Gewinner kommt weiter; der Verlierer ist aus dem Wettbewerb ausgeschieden.
Und dann gibt es noch innerhalb der K.O.-Phase diese Endrunde der letzten Vier, die eigentlich gar nicht zur K.O.-Phase gehört. Denn dort ist nicht wirklich K.O., wer verloren hat. Sondern zwischen den beiden Verlierern wird im "kleinen Finale" der dritte Platz ausgespielt.
Das heißt aber nichts anders, als daß diese letzte Phase der Weltmeisterschaft so etwas wie eine erneute Gruppenphase ist. Jeder spielt zwar nicht gegen jeden; aber jede Mannschaft spielt gegen zwei der drei anderen; im Halbfinale und dann entweder im kleinen oder im eigentlichen Finale.
Wer beide Spiele gewinnt, der ist Weltmeister. Wer beide verliert, der ist Vierter. Und wer einmal gewinnt und einmal verliert, der ist entweder Zweiter oder Dritter.
Ob er Zweiter oder Dritter ist, hängt ausschließlich davon ab, in welcher Reihenfolge er verliert und gewinnt. Wer erst gewinnt und dann verliert, der ist Zweiter. Wer erst verliert und dann gewinnt, der ist Dritter.
Über die Leistung sagt diese Reihenfolge aber natürlich nichts. In der Bundesliga sind drei Punkte am ersten Spieltag ja auch nicht mehr wert - oder weniger - als drei Punkte am zweiten Spieltag.
Aber finden die Siege und Niederlagen nicht gegen verschiedene und ergo vermutlich verschieden starke Gegner statt? Nicht unbedingt.
Nehmen wir an, daß die deutsche Elf morgen gegen Uruguay gewinnt und daß am Sonntag die Niederlande gegen Spanien verlieren. Dann haben beide Mannschaften - Holland und Deutschland - in dieser Endrunde der letzten Vier Uruguay geschlagen und sind von Spanien besiegt worden.
Sie haben sich, sofern man die Leistung in dieser Runde zum Maßstab nimmt, als exakt gleich stark erwiesen. Und zuvor waren sie, formal betrachtet, ohnehin gleich stark, denn sie haben ja beide diese Endrunde erreicht.
Falls also Deutschland Dritter und Holland Zweiter wird, dann gibt es keinen Grund, daß in Amsterdam über den zweiten Platz lauter gejubelt werden sollte als in Berlin über den dritten.
Es ist vielmehr genau umgekehrt; und das hat einen offensichtlichen psychologischen Grund. Deutschland wird - wenn es so kommt wie eben angenommen - die WM mit einem Erfolg beenden, Holland mit einem Scheitern. Morgen Abend werden (immer vorausgesetzt, es kommt so) dann die deutschen Spieler nach ihrem letzten Spiel die Hände hochreißen und übereinanderkugeln, und die holländischen werden am Sonntag vom Platz schleichen.
Und in Berlin, München und Gelsenkirchen wird am Samstag lauter gejubelt werden als in Amsterdam, s'Gravenhage und Leeuwarden am Sonntag.
Richtig so. Denn der dritte Platz ist, was die Leistung angeht, dem zweiten absolut gleichwertig. Und was das Gefühl angeht, ist es natürlich viel schöner, am Ende zu siegen als am Ende zu verlieren.
Wenn es denn so kommt.
Aber bekanntlich verdanken wir nicht nur Sepp Herberger die Erkenntnis, daß der Ball rund ist; sondern die statistischen Analysen beispielsweise des Professors Tolan (siehe Die Mathematik sagt es uns; ZR vom 7. 7. 2010) haben auch gezeigt, daß im Fußball keineswegs immer der Bessere gewinnt. Selbst eine Mannschaft, die in der Bundesliga auf eine doppelt so starke Mannschaft (gemessen an zuvor geschossenen und kassierten Toren) trifft, hat noch eine Chance von p=.26, als Sieger vom Platz zu gehen.
Nachtrag am 11. 7., 23.20 Uhr: Es hat keine Überraschungen gegeben, aber noch ein besonderes Schmankerl für die Betrachtungsweise, die ich in diesem Artikel vorgeschlagen habe:
Nicht nur nach gewonnenen und verloren Spielen in der Runde der letzten Vier waren Deutschland und Holland gleich stark; nicht nur in Bezug auf den Gegner, gegen den sie verloren und den Gegner, den sie besiegt haben. Sondern wie der Zufall es will, sind auch die Spielergebnisse identisch: Sowohl Deutschland als auch Holland haben gegen Uruguay 3:2 gewonnen und gegen Spanien 0:1 verloren.
Übereinstimmender in ihrer Leistung können der Zweite und der Dritte überhaupt nicht sein.
[Text bis auf den Nachtrag gepostet am 9. 7. um 20.20 Uhr]
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Die Weltcup-Trophäe. Vom Fotografen Sussepudim unter GNU Free Documentation License, Version 1.2 oder später, freigegeben.