Wie kam eigentlich Pol Pot auf die Idee, Millionen seiner Landsleute zu ermorden; als eine leider nun einmal nötige Voraussetzung für den Aufbau des Sozialismus?
Pol Pot war, solange er in Kambodscha lebte, ein politisch uninteressierter junger Mann, der an einer Fachhochschule Technik studierte. 1949 erhielt er ein Stipendium zum Studium der Radiotechnik in Paris. Als Student war er ein Versager; nachdem er dreimal durch die Prüfung gefallen war, mußte er im Januar 1954 nach Kambodscha zurückkehren. Aber er wurde - zu dieser Zeit hieß er noch Saloth Sâr - in Paris politisiert. Damals nahm er die Ideen auf, die ihn zum Massenmörder werden ließen.
Wo hatte er sie her, diese Ideen? Von linken Intellektuellen. Aus der Kommunistischen Partei Frankreichs, der er 1951 oder 1952 beitrat. Besonders aber aus dem Cercle Marxiste, einem geheimen Zirkel radikaler kambodschanischer Studenten. Einige von ihnen promovierten bei linken Professoren; Hou Yuon and Khieu Samphan beispielsweise entwickelten in ihren Dissertationen die Ideen, die Pol Pot später in politische Praxis umsetzte.
Dieser biographische Hintergrund eines späteren Massenmörders ist kein Einzelfall; viele der späteren Revolutionäre in Asien und Afrika wurden während ihres Studiums in Europa zu Kommunisten. An den Händen der Professoren, die sie radikalisierten, klebt kein Blut. Sie waren nur Schreibtischtäter.
Ende Juni fand in Berlin ein sogenannter Kommunismus-Kongreß statt ("Die Idee des Kommunismus - Philosophie und Kunst"), finanziert u.a. von der parteinahen Stiftung der Partei "Die Linke", der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Und finanziell gefördert - nein, das ist kein Witz - durch den Hauptstadtkulturfonds. Dabei handelt es sich um Bundesmittel, die Berlin zufließen, damit es seinen kulturellen Verpflichtungen als Bundeshauptstadt gerecht werden kann.
Beispielsweise, wie man sieht, indem man Kommunisten aus allerlei Ländern einlädt, damit sie sich über den Kommunismus öffentlich den Kopf zerbrechen. Eingeladen waren neben anderen Rednern Antonio Negri, der in den siebziger Jahren den bewaffneten Kampf propagiert hatte und wegen seiner Verbindungen zu den Roten Brigaden im Gefängnis saß, und ein gewisser Slavoj Žižek.
Auf dem Kongreß machte sich Negri in seinem Vortrag Gedanken darüber, ob man auch ohne Marx Kommunist sein könne, während Žižek sich der Frage widmete, wie man die Gespenster des 20. Jahrhunderts loswerden könne ("To begin from the beginning, or, how to get rid of the ghosts of the XXth century").
Wenn Sie sich ein Bild von den politischen Ideen dieses Slavoj Žižek machen wollen, dann können Sie sich dieses Interview anhören (auf Englisch).
Sie können auch im aktuellen gedruckten "Spiegel" den Artikel von Philipp Oehmke lesen ("Der Denkautomat"; Spiegel 27/2010 vom 5. 7. 2010, S. 98 - 102) oder sich das Interview ansehen, das Žižek Doris Akrap und Tankia Martin von der "Tageszeitung" gegeben hat. Vielleicht genügen Ihnen aber auch die folgenden Zitate aus diesen beiden Quellen.
Philipp Oehmke schreibt:
Ein Denker, dessen Kernbotschaft es ist, daß die Gesellschaft, in der wir leben, von Grund auf schlecht ist und folglich beseitigt werden muß. Das verstehen sie, die Teilnehmer des "Kommunismus-Kongresses", die - so berichtet es Oehmke - noch nicht einmal einem auf Englisch oder Französisch gehaltenen Vortrag folgen konnten, sondern sich das simultan übersetzen ließen ("Dabei sind die meisten Wortbeiträge schon in ihrer Originalsprache kaum zu verstehen. Simultan übersetzt werden sie zu sinnfreier Lyrik"; so Oehmke).
Diese Botschaft von der schlechten Gegenwart bekommen sie mit, die Zuhörer in der Berliner Volksbühne, laut Oehmke "junge Menschen, die meisten unter dreißig, ein Panoptikum linker Subkulturen, manche haben sich als Brecht verkleidet, andere als Sartre". Das verstehen sie, daß man diese von Grund auf schlechte Gesellschaft bekämpfen muß. Und wenn sich auch Žižek hütet, offen zur Revolution aufzurufen - natürlich ist genau dies die Botschaft, die sie seinem intellektuellen Brimborium entnehmen.
Gewiß, zu Pol Pots werden sie dadurch nicht werden. Ihren Kampf gegen die Gesellschaft, zu dem ein Schreibtischtäter wie Žižek sie ermuntert, führen sie vorerst mit Steinen und mit Molotow-Cocktails.
Pol Pot war, solange er in Kambodscha lebte, ein politisch uninteressierter junger Mann, der an einer Fachhochschule Technik studierte. 1949 erhielt er ein Stipendium zum Studium der Radiotechnik in Paris. Als Student war er ein Versager; nachdem er dreimal durch die Prüfung gefallen war, mußte er im Januar 1954 nach Kambodscha zurückkehren. Aber er wurde - zu dieser Zeit hieß er noch Saloth Sâr - in Paris politisiert. Damals nahm er die Ideen auf, die ihn zum Massenmörder werden ließen.
Wo hatte er sie her, diese Ideen? Von linken Intellektuellen. Aus der Kommunistischen Partei Frankreichs, der er 1951 oder 1952 beitrat. Besonders aber aus dem Cercle Marxiste, einem geheimen Zirkel radikaler kambodschanischer Studenten. Einige von ihnen promovierten bei linken Professoren; Hou Yuon and Khieu Samphan beispielsweise entwickelten in ihren Dissertationen die Ideen, die Pol Pot später in politische Praxis umsetzte.
Dieser biographische Hintergrund eines späteren Massenmörders ist kein Einzelfall; viele der späteren Revolutionäre in Asien und Afrika wurden während ihres Studiums in Europa zu Kommunisten. An den Händen der Professoren, die sie radikalisierten, klebt kein Blut. Sie waren nur Schreibtischtäter.
Ende Juni fand in Berlin ein sogenannter Kommunismus-Kongreß statt ("Die Idee des Kommunismus - Philosophie und Kunst"), finanziert u.a. von der parteinahen Stiftung der Partei "Die Linke", der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Und finanziell gefördert - nein, das ist kein Witz - durch den Hauptstadtkulturfonds. Dabei handelt es sich um Bundesmittel, die Berlin zufließen, damit es seinen kulturellen Verpflichtungen als Bundeshauptstadt gerecht werden kann.
Beispielsweise, wie man sieht, indem man Kommunisten aus allerlei Ländern einlädt, damit sie sich über den Kommunismus öffentlich den Kopf zerbrechen. Eingeladen waren neben anderen Rednern Antonio Negri, der in den siebziger Jahren den bewaffneten Kampf propagiert hatte und wegen seiner Verbindungen zu den Roten Brigaden im Gefängnis saß, und ein gewisser Slavoj Žižek.
Auf dem Kongreß machte sich Negri in seinem Vortrag Gedanken darüber, ob man auch ohne Marx Kommunist sein könne, während Žižek sich der Frage widmete, wie man die Gespenster des 20. Jahrhunderts loswerden könne ("To begin from the beginning, or, how to get rid of the ghosts of the XXth century").
Wenn Sie sich ein Bild von den politischen Ideen dieses Slavoj Žižek machen wollen, dann können Sie sich dieses Interview anhören (auf Englisch).
Sie können auch im aktuellen gedruckten "Spiegel" den Artikel von Philipp Oehmke lesen ("Der Denkautomat"; Spiegel 27/2010 vom 5. 7. 2010, S. 98 - 102) oder sich das Interview ansehen, das Žižek Doris Akrap und Tankia Martin von der "Tageszeitung" gegeben hat. Vielleicht genügen Ihnen aber auch die folgenden Zitate aus diesen beiden Quellen.
Philipp Oehmke schreibt:
Sein Repertoire ist ein Mix aus der Psychoanalyse des obskuren Jacques Lacan und der Idealismusphilosophie Hegels, aus Filmanalyse, Demokratie-, Kapitalismus- und Ideologiekritik und einem manchmal autoritärem Marxismus gepaart mit Alltagsbeobachtungen. Er erklärt das ontologische Wesen der Deutschen, Franzosen und Amerikaner anhand ihrer Toiletten und dem daraus abzuleitendem Verhältnis zu ihren Fäkalien und reagiert auf Kritik zunächst mit einem fröhlichen "Fuck you!", ausgerufen in harten slawischen Konsonanten. (...)Ein postmoderner Schaumschläger also, so kann man es Oehmkes Artikel entnehmen. Aber vielleicht tut Oehmke dem Slavoj Žižek ja bitter Unrecht. Lesen wir also, was er den beiden Journalisten der "Tageszeitung" zu sagen hatte:
Am Ende von Žižeks Vortrag stellt ein Zuschauer eine ziemlich komplizierte Frage, die nicht zu verstehen ist. "You made a good point", sagt Žižek und redet weiter über Hegel. Seine Antwort hat nichts mit der Frage zu tun, die wiederum überhaupt nichts mit dem Vortrag zu tun hat. So könnte das Spiel endlos weitergehen. Plötzlich schiebt Žižek die Pappfassaden beiseite und unterbricht seinen Hegel-Vortrag. "Na ja! Egal. Wie ich schon sagte, Sie hatten einen ziemlich guten Einwand. Und die Wahrheit ist, ich habe keine Antwort. Mein langwieriger Talk war auch nur ein Versuch, das zu verschleiern!" Dankbarkeit im Publikum. Man darf also sagen, dass man nichts versteht und keine Ahnung hat, Žižek tut es auch.
Ich will Lenin auf kierkegaardsche Weise lesen. Das bedeutet, nicht zu wiederholen, was Lenin getan, sondern was er gesagt hat. Lenin zu wiederholen, bedeutet endlich zuzugeben, dass Lenin tot ist. Die Sowjets waren die linke Utopie im 20. Jahrhundert. Ich bin gegen die gegenwärtige Form von Staat. Aber es braucht einen globalen Organismus aus Disziplin und Organisierung. (...)Sie sehen, das ist ein fürchterliches Gewäsch, ein verschwurbeltes Dahergerede. Aber für Leser und Hörer, die von Lenin so wenig gelesen haben wie von Kierkegaard, Freud oder Hegel, spricht da ein großer Denker.
Überhaupt, wissen Sie, warum der kubanische leader Fidel Castro heißt? Weil ganz Cuba "fidelity to castration" ist, also der Kastration ergeben. Die Cubaner feiern ihre Armut als Zeichen der Authentizität ihrer Revolution. Psychoanalytisch gesprochen ist das Kastration. (...)
Unser Dilemma besteht in Cola light, Bier ohne Alkohol und Keksen ohne Fett: Alles ist Fake. Die Forderung muss lauten, das Reale zu ändern, einen neuen Zucker zu erfinden. (...)
Es geht darum, was Lenin getan hat. Er ging in die Schweiz und begann, Hegel zu lesen. Das ist es, wovon wir heute mehr brauchen. (...)
Im 20. Jahrhundert haben wir ein bisschen zu schnell versucht, die Welt zu ändern. Heute sollten wir sie ein wenig mehr interpretieren. Ich habe keinen Plan für eine neue Revolution. Ich weiß nur, dass es nicht die Barrikaden des 20. Jahrhunderts sein werden.
Ein Denker, dessen Kernbotschaft es ist, daß die Gesellschaft, in der wir leben, von Grund auf schlecht ist und folglich beseitigt werden muß. Das verstehen sie, die Teilnehmer des "Kommunismus-Kongresses", die - so berichtet es Oehmke - noch nicht einmal einem auf Englisch oder Französisch gehaltenen Vortrag folgen konnten, sondern sich das simultan übersetzen ließen ("Dabei sind die meisten Wortbeiträge schon in ihrer Originalsprache kaum zu verstehen. Simultan übersetzt werden sie zu sinnfreier Lyrik"; so Oehmke).
Diese Botschaft von der schlechten Gegenwart bekommen sie mit, die Zuhörer in der Berliner Volksbühne, laut Oehmke "junge Menschen, die meisten unter dreißig, ein Panoptikum linker Subkulturen, manche haben sich als Brecht verkleidet, andere als Sartre". Das verstehen sie, daß man diese von Grund auf schlechte Gesellschaft bekämpfen muß. Und wenn sich auch Žižek hütet, offen zur Revolution aufzurufen - natürlich ist genau dies die Botschaft, die sie seinem intellektuellen Brimborium entnehmen.
Gewiß, zu Pol Pots werden sie dadurch nicht werden. Ihren Kampf gegen die Gesellschaft, zu dem ein Schreibtischtäter wie Žižek sie ermuntert, führen sie vorerst mit Steinen und mit Molotow-Cocktails.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Slavoj Žižek im Mai 2009, fotografiert von Mariusz Kubik und von diesem freigegeben.