29. November 2009

Zettels Meckerecke: Könnte man zur Babyklappe nicht erst mal die Klappe halten? Über den Mitteilungsdrang gewisser (nicht aller) Politiker

Der Deutsche Ethikrat - Sie finden hier seine WebSite - hat am Donnerstag eine, wie er es nennt, "erste Stellungnahme 'Das Problem der anonymen Kindesabgabe'" veröffentlicht. Es geht um die Problematik der sogenannten Babyklappen, in die Mütter ihr Neugeborenes legen und dann sofort wieder weggehen können; wodurch sie vollständig anonym bleiben. Die betreffenden Kinder sind also Findelkinder, wie man das früher nannte. Das Problem existiert ja seit Jahrtausenden.

Der Ethikrat hat seine Stellungnahme, wie es die Art dieser Einrichtung ist, nach gründlichen Beratungen vorgelegt. Bereits im Oktober 2008 hat er Sachverständige angehört. Nach mehr als einem Jahr publiziert er jetzt einen Bericht, den er ausdrücklich eine "erste" Stellungnahme nennt. Zurückhaltender und abwägender geht es kaum.

Das, was in dieser ersten Stellungnahme steht, können Sie - je nachdem, wieviel Zeit zum Lesen Sie haben und wie groß Ihr Interesse ist - auf verschiedenen Stufen der Ausführlichkeit lesen:
  • in einer Pressemitteilung des Rats

  • in der Zusammenfassung der Stellungnahme

  • oder in der vollständigen 72seitigen Stellungnahme, deren Literaturverzeichnis allein sieben Seiten mit knapp 150 Literaturangaben umfaßt.
  • Am Ende dieses Texts finden Sie auch ein ergänzendes Votum von zwei Mitgliedern des Rats sowie ein Sondervotum von sechs Mitgliedern, die sich der Empfehlung der Mehrheit nicht uneingeschränkt oder gar nicht anschließen konnten.

    Diese Mehrheitsempfehlung lautet im Kern in der Fassung der Pressemitteilung:
    Der Deutsche Ethikrat möchte mit seinen Empfehlungen dazu beitragen, dass Schwangeren und Müttern in Notsituationen so gut wie möglich geholfen wird, ohne die Rechte anderer, insbesondere ihrer Kinder, zu verletzen.

    Der Ethikrat empfiehlt, die vorhandenen Babyklappen und Angebote zur anonymen Geburt aufzugeben. (...) Um Schwangeren und Müttern in Notlagen ... zu helfen, schlägt der Ethikrat ein "Gesetz zur vertraulichen Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung" vor. Damit würde eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um Frauen, die in einer schweren Not- oder Konfliktsituation ihre Mutterschaft meinen verbergen zu müssen, durch ein besonders niederschwelliges Angebot zu helfen, das ihnen die Lösung ihrer Probleme im Rahmen einer Beratung und Begleitung unter Wahrung absoluter Vertraulichkeit garantiert.
    In der Stellungnahme und deren Zusammenfassung finden Sie im einzelnen aufgelistet, wie eine solche gesetzliche Regelung nach der Meinung der Mehrheit des Ethikrates gestaltet werden sollte.



    Ich habe Sie über diese Fakten informiert, damit Sie den Zorn verstehen, dem ich jetzt Ausdruck geben möchte. Den Zorn darüber, wie mit dieser Arbeit eines sorgfältig und verantwortlich arbeitenden Gremiums umgegangen wird.

    Lesen Sie einmal, was heute FAZ.Net berichtet:
    Politikerinnen mehrerer Parteien kritisierten die Forderung des Rates. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hält sie für "rigoros und lebensfern". Frau Nahles sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung: "Jedes Kind, das durch eine Babyklappe gerettet oder vor Schaden bewahrt wird, ist ein Argument gegen die Entscheidung des Ethikrates." Ähnlich äußerte sich Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag: "Das Recht des Kindes auf sein Leben steht über allem anderen." Deshalb sei die Forderung, Babyklappen abzuschaffen, falsch.
    Ja, meinen denn die Frau Nahles und die Frau Künast, der Ethikrat hätte diese trivialen Überlegungen nicht auch angestellt? Mußten sie denn gleich losplärren mit Stellungnahmen weit unter dem gedanklichen Niveau, das alle drei Positionen in der Stellungnahme des Ethikrats auszeichnet?

    Können sie denn nicht einmal wenigstens für ein paar Tage die Klappe halten, diese Politiker, die zu allem und jedem schon ihre platte und undurchdachte Stellungnahme bereit haben?

    Können sie sich nicht wenigstens ein bißchen Mühe geben, eine schwierige ethische Diskussion nachzuvollziehen, bevor sie mit ihrem "falsch" und "lebensfern" und "rigoros" herausplatzen? Könnten sie ihren Mitteilungsdrang nicht wenigstens bei einem solchen Thema zügeln?

    Sie können es augenscheinlich nicht, die Fraktionsvorsitzende der "Grünen" und die Generalsekretärin der SPD. Andere können es freilich schon.

    Laut der verlinkten Meldung von FAZ.Net sagte die stellvertretende CSU- Generalsekretärin Dorothee Bär, die Union wolle zunächst eine Studie des Familienministeriums abwarten, die derzeit erstellt wird.

    Und wirklich überrascht hat mich, um diese Meckerecke versöhnlich zu beschließen, was die Abgeordnete Petra Sitte gesagt hat, wieder laut der Meldung von FAZ.Net: "Die Stellungnahme des Ethikrates sei 'mutig' und mache nachdenklich".

    Ja, ein wenig Nachdenklichkeit auch bei Politikern würde man sich bei diesem Thema wünschen. Daß ausgerechnet eine Kommunistin sie befürwortet, hätte ich nicht erwartet.



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