25. Februar 2009

Zitat des Tages: "Frauen dürfen nur mit Erlaubnis ihrer Ehemänner arbeiten". Meinen fast siebzig Prozent der Türken.

73 Prozent der rund 6500 Befragten wollen nicht, dass Grundeigentum an Ausländer verkauft wird. Fast 70 Prozent geben an, dass sie "nie" Bücher lesen. Ebenfalls beinahe 70 Prozent sind der Meinung, dass Frauen nur dann arbeiten dürfen, wenn sie ihre Männer um Erlaubnis fragen. 57 Prozent halten es auch im Hochsommer für unsittlich, wenn Frauen ärmellose Oberbekleidung tragen (außer daheim). (...)

Die Zahlen dürften einiges an Diskussionen auslösen – denn sie zeichnen das Bild einer auch nach acht Jahren Reformpolitik zutiefst islamisch- konservativen Türkei voller Misstrauen gegenüber Ausländern – das Gegenteil einer Annäherung an europäische Sichtweisen.


Die "Welt" gestern über die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage in der Türkei.

Kommentar: "Auch nach acht Jahren Reformpolitik"? In diesen acht Jahren regierte Erdogans AKP, deren "Reformpolitik" darin besteht, die Türkei wirtschaftlich, militärisch und außenpolitisch zu stärken, während zugleich im Inneren an die Stelle der säkularen Gesellschaft, wie Atatürk sie durchgesetzt hatte, eine islamische Gesellschaft treten soll.

Die Umfrage zeigt, daß das nicht schlecht funktioniert. Nicht trotz, sondern aufgrund dieser "Reformpolitik" nähert sich die Türkei keineswegs einer modernen, liberalen Gesellschaft, sondern entfernt sich immer mehr davon.

Ein aktuelles Beispiel: Im Sommer vergangenen Jahres stand die Neuwahl der Rektoren der 21 staatlichen Universitäten der Türkei an. Das übliche Verfahren ist, wie das Chronicle of Higher Education damals berichtete, daß die Universitäten Listen vorlegen, deren Erstplazierten der Präsident dann üblicherweise beruft.

Aber er muß das nicht. Der Staatspräsident Gül (AKP) nun lehnte sämtliche Erstplazierte ab, die sich gegen eine Aufhebung des Kopftuch- Verbots an türkischen Universitäten ausgesprochen hatten, und ersetzte sie durch Professoren, die für diese Aufhebung sind.

Soviel zur "Reformpolitik" der AKP.



Zu dem Artikel in der "Welt" gibt es eine Umfrage mit der Frage "Ist die Türkei reif für die EU?". Im Augenblick haben von 2158 Abstimmenden 27 Prozent mit "ja" und 73 Prozent mit "nein" geantwortet.

Was ja schön und gut ist. Nur ist die Frage irrelevant für die Entscheidung, ob die Türkei in die EU darf. Es geht nicht darum, ob sie "reif" oder "nicht reif" ist. Sondern es geht bei der Entscheidung darum, ob ihre Aufnahme für die EU von Vorteil oder von Nachteil ist.

Es geht - aus meiner Sicht - also darum, welche Folgen eine Aufnahme der Türkei für eine EU hätte, in der bekanntlich Freizügigkeit herrscht; jener Türkei, deren "junge und dynamischen Bevölkerung" das Parteiprogramm der AKP rühmt.

Jung, dynamisch - und mit den Auffassungen, die aus dieser Umfrage hervorgehen.



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