Die vier Bischöfe, deren Exkommunikation der Papst am 21. Januar 2009 aufhob, sind nicht nur konservative Theologen, sondern die SSPX ist auch - vor allem in Frankreich - mit politisch weit rechts stehenden Kreisen verbandelt. Einer der vier Bischöfe, Richard Williamson, war sogar als Holocaust- Leugner aufgefallen.
So kam es, wie es kommen musste: am 1. November 2008 gab Williamson im deutschen Priesterseminar der SSPX dem schwedischen Fernsehen ein Interview, in dessen Verlauf er erklärte, dass die historische Beweislage stark gegen eine überlegte Ermordung von sechs Millionen Juden durch Gaskammern in Deutschland spreche, wobei er den diskreditierten Leuchter- Report zitierte.
Das Interview wurde dann am 21. Januar 2009 - exakt dem Datum der Aufhebung der Exkommunikation - gesendet, und die öffentliche Reaktion war entsprechend. "Papst rehabilitiert Holocaust- Leugner" war noch die unaufgeregteste Schlagzeile.
Insbesondere in der US-Presse erschienen dann auch Berichte, die dem Papst explizit oder implizit Antisemitismus vorwarfen, beispielweise indem darauf verwiesen wurde, dass Benedikt XVI. in seiner Jugend in der Hitlerjugend war.
Da half es auch nichts, dass schon die Anti-Defamation League anlässlich der Wahl Benedikts XVI. darauf hingewiesen hatte, dass "under his leadership in Germany and Rome, the Catholic Church made important strides in improving Catholic-Jewish relations and atoning for the sin of anti-Semitism. Cardinal Ratzinger has been a leader in this effort and has made important statements in the spirit of sensitivity and reconciliation with the Jewish people.", dass also unter seiner Führung in Deutschland und Rom die katholische Kirche große Schritte dabei gemacht habe, die katholisch-jüdischen Beziehungen zu verbessern und Reue für die Sünde des Antisemitismus zu zeigen. Kardinal Ratzinger habe diese Anstrengungen angeführt und wichtige Aussagen im Geiste des Verständnisses und der Aussöhnung mit dem jüdischen Volk gemacht. Ebenso wenig fanden die regelmäßigen Aussagen des Papstes zur Schoah Beachtung.
Was war schief gelaufen, und welche Alternativen zum Ablauf der Causa hätte es gegeben?
Man muss berücksichtigen, dass die Leugnung des Holocausts keine Exkommunikation oder auch nur die Verweigerung ihrer Aufhebung rechtfertigt - ebensowenig wie ein Raubmord, der auch andere Strafen und Sanktionen seitens der Kirche nach sich zieht. Insofern gehen Aufforderung an Papst Benedikt XVI., die Aufhebung im Falle Williamsons rückgängig zu machen, an der Sache vorbei.
Wenn man so will, hinkt ein Vergleich mit der Staatsbürgerschaft noch am wenigsten: Deutschland kann auch nicht einfach Holocaustleugnern die Staatsbürgerschaft aberkennen, und §130 StGB sieht auch "nur" Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor, nicht aber etwa den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.
Anders ist es natürlich mit der Frage nach einer Leitungs- oder sonstigen Funktion innerhalb der Kirche. Wie oben schon gesagt übt Williamson erlaubterweise kein Amt in der Kirche aus, und ein Grund für die Notwendigkeit der päpstlichen Zustimmung zu Bischofsweihen ist sicherlich auch, dass in derart exponierten Positionen niemand sitzen darf, der zentrale Überzeugungen der Kirche nicht anerkennt.
Entsprechend hat die Kurie auch am 4. Februar 2009 erklärt: "Il Vescovo Williamson, per una ammissione a funzioni episcopali nella Chiesa dovrà anche prendere in modo assolutamente inequivocabile e pubblico le distanze dalle sue posizioni riguardanti la Shoah, non conosciute dal Santo Padre nel momento della remissione della scomunica." Bischof Williamson muss sich zur Zulassung zum bischöflichen Amt in der Kirche auf absolut unmissverständliche und öffentliche Weise von seinen Positionen hinsichtlich der Schoah distanzieren, die der Heilige Vater im Augenblick der Aufhebung der Exkommunikation nicht kannte.
Unglücklich sind viele Katholiken nun insbesondere mit dem schlampigen Handling der gesamten Angelegenheit. Nach der obigen Mitteilung des Vatikans kannte der Papst die Ansichten Williamsons nicht. Vorab wurden offenbar weder die deutschen noch die französischen Bischöfe informiert. Der Papst selbst äußerte sich erst in seiner Generalaudienz am 28. Januar, und die obige Pressemitteilung kam, wie gesagt, erst am 4. Februar heraus.
Da hat ganz offensichtlich das Krisenmanagement im Vatikan versagt - wobei hier die Erklärungsansätze von einem Zusammentreffen unglücklicher Umstände mit Bandscheibenvorfällen bei zuständigen Kardinälen bis hin zu einem Versuch kurialer Kreise, Papst Benedikt XVI. bloßzustellen, reichen.
Wie geht es weiter? In der SSPX werden langsam Bruchstellen sichtbar. Bischof Williamson bekam einen Maulkorb und wurde von seinem Posten als Leiter des Priesterseminars der SSPX in La Reja (Argentinien) entbunden. Ein weiterer Priester der SSPX, Floriano Abrahamowicz, der auch durch antisemitische Hetzreden aufgefallen war, wurde aus der SSPX ausgeschlossen. Antisemitische Seiten verschwinden von der SSPX-Website. Aber einer der SSPX-Bischöfe, Tissier de Mallerais, schlägt in einem Interview wenig demütige Töne an: "Wir ändern unsere Positionen nicht, aber wir haben die Intention, Rom zu bekehren, das heißt, Rom zu unseren Positionen zu führen."
Und außerhalb der SSPX kritisieren die üblichen Verdächtigen den Papst, von Hans Küng bis hin zu diversen theologischen Fakultäten, die von sich erklären, fest auf dem Boden des II. Vatikanums zu stehen, aber doch teilweise mit eigenwilligen Ansichten zu verschiedenen kirchlichen Lehrmeinungen auftreten.
Auch die deutschen Bischöfe sind nicht durchgehend hilfreich. Der Freiburger Theologieprofessor Hubert Windisch:"Wohl aber muß es in bezug auf den Zustand der Christenheit in Deutschland nachdenklich stimmen, dass die Aufhebung einer Exkommunikation nicht mehr mit dem vor allem in der evangelischen Kirche betonten theologischen Gedanken der Voraussetzungslosigkeit von Gnade in Verbindung gebracht werden kann. Ist vielleicht die katholische Kirche in Deutschland härter als der Papst?"
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