10. Februar 2009

Zitat des Tages: Obamas wackelnde Regierung. Ein Editorial des "Wall Street Journal"

Obama's Missile Test - The Administration wavers on defenses in Europe.

(Obamas Raketentest - Die Regierung wackelt in Bezug auf Verteidigungseinrichtungen in Europa).

Überschrift des gestrigen Editorials des Wall Street Journal.

Kommentar: Bisher weiß immer noch niemand, welche Außenpolitik Präsident Obama und Secretary of State Clinton beabsichtigen.

Was man hat, das sind "Signale". Das erste offizielle Interview gibt Obama einem arabischen Sender. Er will direkt mit dem Iran verhandeln. In München verspricht sein Vize Biden "a new tone not only in Washington, but in America’s relations around the world", einen neuen Ton nicht nur in Washington, sondern in den Beziehungen Amerikas rund um die Welt.

Fein. Nur, welche Melodie wird man mit diesen neuen Tönen spielen?

Die Regierung Obama hat bisher keine außenpolitische Entscheidung getroffen. Gewiß, das kann man nach noch nicht vier Wochen im Amt auch nicht unbedingt verlangen. Aber es wird allmählich spannend.

Der erste Test könnte die Europapolitik sein.

Die Russen bieten offenbar der Regierung Obama einen Deal an: Sie sind bereit, den Amerikanern im Konflikt mit dem Iran zu helfen. Sie werden den beiden nördlichen Nachschubrouten nach Afghanistan keine Hindernisse in den Weg legen; was sie könnten, wenn sie wollten. Als Gegenleistung erwarten sie, daß die Regierung Obama ihnen freie Hand in Osteuropa läßt. Nicht zur Wiedererrichtung der Sowjetunion; jedenfalls vorerst nicht. Aber zur Errichtung einer russischen Einflußsphäre in den Grenzen des Sowjet- Imperiums.

Kritisch dabei wird die Raketenabwehr sein. Sie sollte ja in der Konzeption der Regierung Bush nicht nur vor einem Nuklearschlag des Iran oder Nordkoreas schützen; sondern vor allem war sie - vor zwei Jahren habe ich in einem Artikel darauf aufmerksam gemacht - für Osteuropa eine Garantie gegen russische Drohungen. Wenn in einem Land ein US- Raketensystem installiert ist, dann ist dieses Land vital für die Interessen der USA und steht damit unter deren Schutz.

Mit anderen Worten, die Regierung Bush wollte der Wiederrichtung der Sowjetunion in Gestalt einer Einfluß- Sphäre einen Riegel vorschieben.



Aber will das auch die Regierung Obama? Oder geht sie auf die Offerte der Russen ein? Das Editorial des Wall Street Journal:
The question now is whether the Obama Administration will stand by its predecessor's promise or, as is widely anticipated, suspend the European program. On the campaign trail, Barack Obama suggested missile defense was either ineffective or too expensive, or both. His nominee for the third-ranking position at the Pentagon, Michele Flournoy, has indicated that the deployment plans for Europe will be reviewed.

Die Frage ist jetzt, ob die Regierung Obama zu dem Versprechen ihrer Vorgängerin steht oder ob sie, wie es weithin erwartet wird, das europäische Programm suspendiert. Im Wahlkampf gab Obama zu verstehen, daß die Raketenabwehr entweder unwirksam oder zu teuer sei, oder beides. Seine Kandidatin für die dritthöchste Position im Pentagon, Michele Flournoy, hat signalisiert, daß die Pläne für die Aufstellung in Europa überprüft werden sollen.
Und was hat dazu Vizepräsident Biden in München gesagt? Ich habe es, als ich die Rede hörte, so gedeutet, daß die USA bei den Plänen für das Abwehrsystem bleiben. Das Wall Street Journal sieht das skeptischer:
In a speech over the weekend at the annual Munich security conference, Vice President Joseph Biden was ambiguous: "We will continue to develop missile defenses to counter a growing Iranian capability, provided the technology is proven to work and cost effective."

Suspending the program would have serious consequences. It would send a signal of American weakness to Iran, which the Obama Administration says it wishes to engage. If the mullahs watch the U.S. back down on confronting its missile threat, who could blame them for assuming it will also back down over its nuclear aspirations?

In einer Rede am Wochenende auf der jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz äußerte sich Vizepräsident Biden doppeldeutig: "Wir werden weiter eine Raketenabwehr entwickeln, um einer wachsenden iranischen Fähigkeit zu begegnen, vorausgesetzt, daß die Technik nachweislich funktioniert und kostengünstig [ist]".

Eine Aussetzung des Programms hätte schwerwiegende Konsequenzen. Es würde ein Signal der Schwäche Amerikas an den Iran senden, den die Regierung Obama, wie sie sagt, stellen möchte. Wenn die Mullahs sehen, wie die USA bei der Konfrontation über ihre Raketendrohung klein beigeben - wer könnte ihnen dann verdenken, daß sie annehmen, sie würden auch in Bezug auf ihre nuklearen Ambitionen klein beigeben?



Man darf also gespannt sein, welche ersten konkreten Entscheidungen in der Außenpolitik die Regierung Obama trifft.

Vielleicht setzt sie - so hatte ich Bidens Rede verstanden - die Politik Bushs fort, nur mit einem freundlichen Lächeln garniert.

Vielleicht war ich aber auch zu optimistisch. Wenn die Autoren Recht haben sollten, die das Editorial des Wall Street Journal geschrieben haben, dann allerdings kann einem um die Völker Osteuropas bange werden.



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