17. Juni 2012

Marginalie: Wahlbetrug à la Ägypten. Was die beiden Lager einander alles vorwerfen

Die Stichwahl, in der Ägyptens Präsident ermittelt wird, geht mit dem heutigen zweiten Wahltag zu Ende. Ergebnisse sind noch nicht bekannt. In seiner ausführlichen Berichterstattung brachte die Online-Ausgabe von Al Ahram den Tag über hauptsächlich Äußerungen von Wählern, die bereit waren, ihre Entscheidung offenzulegen und zu begründen; sodann Meldungen zur Wahlbeteiligung und allerlei Anekdoten. Und immer wieder Berichte über Wahlbetrug.

Diesem Thema hat die Zeitung auch einen eigenen Artikel gewidmet. Bisher handelt es sich überwiegend um nicht bewiesene Vorwürfe, die aus den Lagern des Islamisten Mohammed Morsi und des letzten Premierministers von Mubarak, Ahmed Shafiq, gegen die jeweils andere Seite erhoben werden. Manches klingt bizarr, manches glaubhaft. Vielleicht ist ja aber auch das Bizarre wahr.

Vergleichsweise harmlos sind behauptete formale Verstöße. Beispielsweise dürfen aktive Soldaten nicht wählen, sollen aber dabei beobachtet worden sein. Es seien ganze Busladungen von zivil gekleideten Militärs zu den Wahllokalen gefahren worden. Andererseits beschwerte sich ein nicht mehr aktiver früherer Soldat, daß sein Name im Wählerverzeichnis gelöscht worden sei. Es wird auch von Verstößen gegen die Regel berichtet, am Wahltag keine Propaganda mehr zu machen. Wähler würden vor den Wahllokalen bedrängt, dem einen oder dem anderen Kandidaten ihre Stimme zu geben.

Recht nach Orient klingen Berichte, wonach das Morsi-Lager Wähler zu bestechen versuche, indem sie zum Essen eingeladen werden. Oder es wird gemeldet, daß ein Wahlvorsteher zum Gebet gehen wollte und für die Zeit seiner Abwesenheit seine Funktion einem Parteigänger Morsis übertrug. Vollverschleierte Frauen versuchten zu wählen, ohne dem Wahlvorsteher ihr Gesicht zu zeigen, damit er sie identifizieren konnte.

Schon etwas bizarrer ist die Behauptung, es seien Kugelschreiber eingeschmuggelt und an Wähler verteilt worden, deren Schrift nach drei Stunden verschwindet - so daß der Wahlzettel beim Auszählen leer wäre!

Wirklich bemerkenswerte aber sind diese beiden Meldungen:

In Wahllokalen in Kairo und in der Provinz Sharqiya tauchten von der Staatsdruckerei geschickte Pakete mit Wahlzetteln auf, die bereits das Kreuz für Morsi enthielten. Es wird eine islamistische Unterwanderung der Druckerei vermutet. Diese Meldung stammt laut Al Ahram aus einer Quelle in der zentralen Wahlkommission.

Und Shatiqs Lager soll ein Verfahren anwenden, das schon unter Mubarak üblich war: Die sogenannten "rotierenden Stimmzettel". Es funktioniert folgendermaßen:

Wähler werden angeworben, gegen Bezahlung für Shafiq zu stimmen. Aber woher weiß man, ob sie das auch wirklich tun? Nun, sie erhalten vor Betreten des Wahllokals einen präparierten Stimmzettel mit dem Kreuz bei Shafiq. Diesen tauschen sie in der Wahlkabine gegen den Stimmzettel aus, den sie vom Wahlvorstand erhalten haben. Er bleibt leer. Sie nehmen ihn mit und übergeben ihn zum Beweis dem Anwerber, der ihnen im Gegenzug den vereinbarten Betrag auszahlt.



Inzwischen verbreitet das Lager Morsis, bisher hätten 69 Prozent für diesen gestimmt, und sein Sieg sei sicher.

Und wenn doch Shafiq gewinnt? Dina Zakaria aus Morsis Wahlkampfteam sagte gegenüber Al Ahram: "If Shafiq wins, then we know the elections were forged" - wenn Shafiq gewinnt, dann wissen wir, daß die Wahlen gefälscht wurden.

Auch eine Logik.­
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.