25. Juni 2012

Marginalie: Morsis "Druckausgleich" und das "Islamische Erwachen". Der neue ägyptische Präsident wendet sich in Richtung Teheran

Ägyptens neuer Präsident, Dr. Mohamed Morsi Issa Ayyat, ist promovierter Ingenieur, Fachgebiet Metallurgie. Am gestrigen Montag, als das Wahlergebnis noch nicht verkündet worden war, er es aber vermutlich schon kannte (es war den Kandidaten vorab mitgeteilt worden), gab er der iranischen Nachrichtenagentur Fars ein Interview.

Der Wortlaut des Interviews ist noch nicht publiziert, aber Teile seines Inhalts wurden heute beispielsweise von der Kairoer Zeitung Al Ahram und dem arabischen Sender Al Arabiya wiedergegeben.

Danach kündigte Morsi an, er wolle die Beziehungen zum Iran erweitern (expand ties; man kann das auch mit "engere Verbindungen knüpfen" übersetzen). Mit welchem Ziel, das sagte der Ingenieur Morsi mit einer bemerkenswerten Metapher: "This will create a balance of pressure in the region, and this is part of my program." Dies werde einen Druckausgleich in der Region schaffen, und das sei Teil seines Programms.

Wie sich Morsi diesen "Druckausgleich" vorstellte, sagte er nicht; jedenfalls gibt es dazu derzeit keine Informationen. Aber bemerkenswert ist die Ankündigung allein schon deshalb, weil Morsi dieses Interview bereits am Tag der Verkündung des Wahlergebnisses gab. Das zeigt, welche Bedeutung er den Beziehungen Ägyptens zum Iran und deren Verbesserung beimißt.

In Teheran herrscht denn auch eitel Freude. Aus der Sicht der Mullahs ist Morsis Sieg weit mehr als ein innerägyptisches Ereignis. In einer Verlautbarung des iranischen Außen­ministeriums, die Al Arabiya zitiert, heißt es:
The foreign ministry of the Islamic Republic of Iran congratulates the victory of the Egyptian nation in these elections and the presidency of Doctor Mohammed Mursi. (...) The revolutionary movement of the Egyptian people... is in its final stages of the Islamic Awakening and a new era of change in the Middle East.

Das Außenministerium der Islamischen Republik Iran beglückwünscht den Sieg der Ägyptischen Nation bei diesen Wahlen und die Präsidentschaft von Doktor Mohammed Mursi. (...) Die revolutionäre Bewegung des ägyptischen Volks befindet sich in ihrer Schlußphase des Islamischen Erwachens und einer neuen Ära im Mittleren Osten.
Das mag orientalisch-blumig formuliert sein; denn vorerst sind die Machtbefugnisse Morsis durch den Obersten Militärrat (SCAF) beschränkt, der sich in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik das letzte Wort vorbehält.

Vielleicht bleibt es dabei. Vielleicht entwickelt sich nach dem Sieg Morsis aber nun eine Dynamik , durch welche die Macht des SCAF ernsthaft bedroht wird. Auch in Ägypten könnte es zu einem "Druckausgleich" kommen.
Zettel



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