25. Juli 2010

Marginalie: Aygül Özkan muß in ihrem Ministerium Ordnung schaffen. Oder sie muß gehen

Als die Juristin Aygül Özkan die erste türkischstämmige deutsche Ministerin wurde, habe ich das ausdrücklich begrüßt; als ein Beispiel für gelungene Assimilation, als Vorbild für andere Deutsche türkischer Herkunft.

Die Ministerin Özkan hatte dann allerdings einen denkbar schlechten Start. Kaum im Amt, erregte sie Aufsehen mit einer Aussage zu Kruzifixen in deutschen Klassenzimmern.

Aus meiner Sicht war dies das Ungeschick einer in Mediendingen noch unerfahrenen Ministerin; ihr Pressereferent hatte ja auch noch einzugreifen versucht, als ihr Interview schon stattgefunden hatte. Denn was die Ministerin Özkan gesagt hatte, das lag durchaus auf der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nur ließ ihre Äußerung jede realistische Einschätzung der zu erwartenden Reaktionen vermissen.

Eine Ungeschicklichkeit, auf die sich die Medien-Meute gestürzt hatte; so habe ich das damals kommentiert und auf die Parallele zu der Art hingewiesen, wie die meisten großen US-Medien mit Sarah Palin umgehen.

Das war vor drei Monaten. Seither hat man nicht viel von der Ministerin gehört.

Was ja nichts Schlechtes ist, denn jeder braucht Einarbeitungszeit; zumal eine Ministerin, die zuvor keine Erfahrung mit der Leitung einer großen Behörde gehabt hatte. Die noch dazu einem Mammut-Ministerium vorsteht; zuständig für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration.

In diesem Vierteljahr im Amt sollte sie freilich Zeit gehabt haben, sich einzuarbeiten. Und sie sollte, wie man das als neuer Chef als erstes machen muß, dafür gesorgt haben, daß sie ihr Ministerium im Griff hat.

Hat sie ihr Ministerium im Griff? Seit vorgestern ist daran füglich zu zweifeln. Oder hat sie es sehr wohl im Griff, und auf ihre Anordnung hin betreibt dieses Ministerium eine Politik, die man nur als hanebüchen bezeichnen kann? Beides wäre gleichermaßen fatal.

Es wäre fatal für diese Ministerin, wenn es ihr nicht gelänge, das auf die eine oder andere Art in Ordnung zu bringen. Und es wäre fatal für unser Land, wenn schon der erste Versuch einer Integration einer türkischstämmigen Deutschen auf der höchsten Ebene politischer Verantwortung scheitern sollte.



Die Ministerin ist, so war es gestern in der FAZ zu lesen, im Urlaub.

Während sie im Urlaub ist, hat ihr Ministerium den folgenden "Entwurf" an die Chefredaktionen niedersächsischer Zeitungen geschickt:
Der demografische Wandel verändert auch Niedersachsen: Wir werden weniger, älter und vielfältiger. Dadurch ergeben sich neue, veränderte Zielgruppen für die Medien in unserem Land. Bereits 16 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Das wirkt sich auch auf die Medienlandschaft aus. Die Vertreter der niedersächsischen Medien betonen die Aufgabe, den Integrationsprozess in Niedersachsen zu unterstützen. Sie übernehmen die damit verbundene Verantwortung und erklären:

-in ihrer Berichterstattung über Sachverhalte und Herausforderungen der Integration zu berichten und zu informieren,

-eine kultursensible Sprache anzuwenden,

-die interkulturelle Öffnung zu fördern,

-die interkulturelle Kompetenz zu verstärken,

-Projekte hierfür zu initiieren und zu begleiten.

Hannover, den 16. August 2010
Ja, ist denn schon August?

Noch nicht ganz, aber dieser "Entwurf" sollte eben am 16. August als "Mediencharta" verabschiedet werden. Von den Medien. Ganz so, als hätten diese sich das ausgedacht, und nicht irgendein Referent in dem Ministerium des Landes Niedersachsen, das diesen "Entwurf" verschickt hat.

Enthüllt wurde das vorgestern von der "Nordwest-Zeitung" unter der Überschrift "Ministerin will Medien Inhalte vorgeben". Als einer der ersten hat der Bloggerkollege Jan Filter darüber berichtet; er sieht da, sarkastisch, einen "hoffnungsvollen Anfang von Orwell".

In der Tat ist dieser Vorstoß des Ministeriums an Anmaßung und an Dummheit kaum zu überbieten. Wer immer das verfaßt, wer immer das gebilligt hat, dem fehlt offenkundig jedes Verständnis für das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaats, in dem keine Regierung in die Medien hineinzuregieren hat; auch nicht in Form eines "Entwurfs".



Aber wer hat ihn verfaßt, wer hat ihn gebilligt, diesen "Entwurf", der jedes Verständnis für den demokratischen Rechtsstaat vermissen läßt? (Auch wenn mir der Vergleich, den die geschätzte Blogger-Kollegin Gudrun Eussner mit dem Schriftleitergesetz der Nazis anstellt, doch arg übers Ziel hinausgeschossen zu sein scheint).

Laut FAZ hat sich die Ministerin vom Entwurf aus ihrem eigenen Haus "distanziert":
Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) distanzierte sich aus ihrem Urlaub heraus mit den Worten, sie verstehe die 'Irritation' und wolle klarstellen, nichts liege ihr ferner, als die Unabhängigkeit der Medien in irgendeiner Form zu berühren. Auch Ministerpräsident McAllister (CDU) hatte sich irritiert gezeigt über das Vorgehen.
Ja, was denn nun?

Wenn die Ministerin von diesem Entwurf nichts wußte, dann hat sie ihr Haus nicht im Griff. Gut möglich, daß dort Leute mit einem totalitären Weltbild sitzen. Gut möglich, daß man die Ministerin nicht ernst nimmt und meint, an ihr vorbei Politik machen zu können, während sie im Urlaub ist. Wenn das so ist, dann hat die Ministerin schleunigst nach Hannover zurückzukehren, die Schuldigen zu ermitteln und gegen sie vorzugehen.

Oder hat die Ministerin diesen "Entwurf" entgegen ihrer "Distanzierung" doch gekannt und gebilligt? Dann muß sie zurücktreten. Und wenn sie das nicht tut, dann muß Ministerpräsident McAllister sie entlassen.

Das wäre, wie gesagt, fatal für eine Politik, welche die Assimilation von Einwanderern anstrebt. Aber noch viel fataler wäre es, wenn der Eindruck bliebe, daß diese Ministerin - die natürlich auch als Repräsentantin ihrer Gruppe gesehen wird - die Grundlagen des demokratischen Rechtsstaats nicht verstanden hat und dennoch weiter amtieren darf.

Das nämlich wäre ein gefundenes Fressen für die Feinde einer Integration, einer schließlichen Assimilation von Einwanderern.



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