14. Januar 2010

Zitat des Tages: War die Stasi Hitlers Geheimpolizei? Eine Anmerkung über Unwissen erster und zweiter Ordnung über das MfS

Warum wird denn immer nur die Stasi als die böse Verbrecherorganisation beschrieben? Schließlich erteilte sie sich ihre Aufträge nicht selbst. Diese erteilte die DDR-Staatspartei SED. Ihre Weisungen erhielt die Mielke-Truppe vom Politbüro. (...)

Wer also die Stasi in öffentlichen Ämtern verfolgt und ehemalige SED-Kader akzeptiert, ist entweder politisch naiv oder hat Gründe, dem demokratischen Staat zu schaden.


Aus einem Kommentar von e.elsolami am 12.1.2010, 13:04 Uhr als Reaktion auf einen Artikel im "Tagesspiegel", der sich u.a. damit befaßt, was heutige Schüler über das Mfs wissen (Umfrage unter Jugendlichen am Alexanderplatz: Stasi, was war das gleich noch mal? "Irgendwas mit Mathe?" "Hitlers Geheimpolizei?" "Soweit ich weiß, war die Stasi für Hitler").


Kommentar: Es gibt in der Tat, was das MfS angeht, eine doppelte Unkenntnis, sozusagen zwei Ebenen des Unwissens, oder sagen wir: Unwissen erster und zweiter Ordnung.

Unwissen erster Ordnung - das ist das, worüber sich viele aufregen. Die heutigen Jugendlichen wissen nicht, was die Stasi war. Sie kennen nicht nur deren Namen nicht, sondern sie haben keine Vorstellung davon, wie das MfS die DDR mit einem Netz von 189.000 Spitzeln überzogen hatte und unter welchen unmenschlichen Bedingungen die rund 200.000 Häftlinge in den Stasi- Gefängnissen lebten.

Das ist bedauerlich. Viel schlimmer aber ist das Unwissen zweiter Ordnung, das der Kommentator e.elsolami anspricht, nämlich die falsche Vorstellung, das MfS sei das Schlimmste an der DDR gewesen oder auch nur etwas besonders Schlimmes.

Das MfS war - es stand auf den Ärmelwappen des MfS- Wachregiments "Felix Dzierzynsky" - "Schild und Schwert der Partei". Kein Hauptamtlicher und kein IM tat, sofern er sich pflichtgemäß verhielt, irgend etwas, das nicht von der Führung der SED und des Staats DDR angeordnet oder gebilligt worden war. Jeder Kader der SED wußte Bescheid und hat, indem er sich der SED und/oder dem Staat zur Verfügung stellte, das Wirken des MfS gebilligt.

Die Methoden des MfS waren nicht von dessen Mitarbeitern zu verantworten, sondern von der Führung der SED, in deren Auftrag das MfS arbeitete. Wer in einer anderen Funktion als im MfS für die Diktatur arbeitete, der machte sich exakt genauso schuldig wie die Hauptamtlichen und die Inoffiziellen des MfS.



Ich habe nie verstanden, warum viele es als so entscheidend ansehen, ob Gregor Gysi nun eine Verpflichtungserklärung beim MfS unterschrieben hat oder nicht.

Er gehörte unstrittig zur Nomenklatura der DDR; und zwar auf einer Ebene, wo man von Honecker schon einmal persönliche Grüße erhält (siehe Grüße des Genossen Honecker an den Rechtsanwalt Gysi; ZR vom 20. 5. 2008) und wo man schon einmal einem Abteilungsleiter beim ZK der SED einen persönlichen Gefallen tut (siehe Gregor Gysi, eine Flucht aus der DDR, die Freiheit der Presse; ZR vom 20. 9. 2009).

Gregor Gysi hatte es, als die DDR unterging, zum Vorsitzenden der Kollegien der Rechtsanwälte in der DDR gebracht. Er war damit der oberste Rechtsanwalt der DDR in einem System vom Staat beauftragter und kontrollierter Rechtsanwälte, deren Funktion das BVerfG so kennzeichnete: "Eine ihrer Aufgaben bestand in der Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit (...), die sich bewußt vom Rechtsstaat bürgerlicher Prägung abgrenzte (...). Sie sollten dazu beitragen, daß die subjektiven Interessen der Bürger nicht von den objektiven Interessen der Gesellschaft und des Staates abwichen."

In einer solchen herausragenden Position für die DDR- Diktatur gearbeitet zu haben, disqualifiziert aus meiner Sicht Gregor Gysi für jede verantwortliche Funktion in einem demokratischen Rechtsstaat. Ob er nun auf der Gehaltsliste des MfS stand oder nicht, erscheint mir in Relation dazu ganz unerheblich.

Vielleicht ist in diesem Zusammenhang interessant, was Gregor Gysi am 28. 5. 2008 den Abgeordneten des Bundestags sagte:
Sie begreifen nicht, dass ich damals schon so souverän war wie heute. Ich hatte Gespräche mit dem Zentralkomitee der führenden Kraft der DDR, ich brauchte keine Kontakte zur Staatssicherheit. Sie waren gar nicht nötig, entsprachen weder meinem Stil noch meiner Würde.
Gysi glaubte sich damit zu exkulpieren. Aus meiner Sicht hat er sich mit diesem Bekenntnis mehr belastet, als wenn er sich als IM geoutet hätte.



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