Berliner Zeitung: Von diesem Land ist ein schrecklicher Krieg ausgegangen. Wie hätte man dem anders begegnen können, als mit Gewalt?
Margot Käßmann: Das Argument lautet immer: Hätten die Alliierten nicht eingegriffen, hätte es keinen Frieden gegeben. Warum gab es vorher keine Strategien? Warum wurde die Opposition in Deutschland nicht gestärkt? Warum wurden die Gleise, die nach Auschwitz führten, nicht bombardiert? Schließlich heißt es immer: Jetzt müssen wir Waffen einsetzen. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist enorm hoch.
Berliner Zeitung: Appeasement-Politik hat Hitler wenig beeindruckt.
Margot Käßmann: Dennoch: Krieg setzt ein Gewaltpotenzial frei, für das ich keine Rechtfertigung sehe. Krieg hat Unrecht, Zerstörung, Vergewaltigungen im Schlepptau. Krieg zerstört alle, die an ihm beteiligt sind.
Aus einem Interview mit der Ratsvorsitzenden der EKD, das am 24. Dezember 2009 in der "Berliner Zeitung" erschien und auf das Jan Fleischhauer vergangenen Dienstag in seinem Blog "Unter Linken" und heute nun auch in "Spiegel- Online" hingewiesen hat; wodurch ich darauf aufmerksam geworden bin.
Kommentar: Es gibt Berufe, die zur Besserwisserei zwar nicht prädestinieren, die eine Neigung zu ihr allerdings begünstigen: Die Berufe derer, denen es aufgetragen ist, andere zu belehren und über sie zu urteilen - Journalisten also, Richter, Lehrer und Hochschullehrer beispielsweise. Und Pfarrer.
Die Bischöfin Käßmann scheint von dieser déformation professionelle ungewöhnlich stark befallen zu sein.
Ihr Auftrag ist es, das Wort Gottes zu verkünden. Dazu hat sie ein Lehramt. Sie möchte uns gern aber auch dort belehren, wo es ihr erkennbar selbst an Kenntnissen mangelt. In Außen- und Militärpolitik beispielsweise, wie beim Thema Afganistan- Einsatz der Bundeswehr. Oder in Zeitgeschichte, wie mit diesem Zitat.
Hat die Bischöfin sich jemals mit der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs befaßt? Was sie dazu sagt, läßt das nicht erkennen.
"Warum gab es keine Strategien?" fragt sie und meint vermutlich Strategien, den Krieg zu vermeiden. Aber diese Strategien gab es ja.
Diejenige Chamberlains war es, Hitler so weit, wie irgend verantwortbar (und ein Stück weiter) entgegenzukommen, um einen Krieg im Jahr 1938 zu vermeiden, in dem Hitler, der als einziger seine Rüstung weitgehend abgeschlossen hatte, allen anderen überlegen gewesen wäre.
"Peace for our time", das hieß eben nicht "Peace forever". England brauchte Zeit zum Rüsten; vielleicht würde das Hitler ja überhaupt von seinem Krieg abhalten können. Aber vor allem brauchte England Aufschub. Das war der Sinn der Politik des Appeasement, für welche die Bischöfin kein Verständnis zeigt.
Es gab auch die alternative Strategie, die Winston Churchill, damals ein Journalist, politischer Außenseiter und Hinterbänkler, zu predigen nicht müde wurde: Hitler stoppen, so früh es geht. Denn jedes Nachgeben würde seine Aggressivität nur weiter steigern. Churchill sollte Recht behalten.
Es gab also Strategien. Sie genügen der Bischöfin offenbar nicht. Welche Strategie den Zweiten Weltkrieg denn nach ihrer Kenntnis der Geschichte hätte verhindern können, sagt sie nicht. Man darf unterstellen, daß sie es nicht weiß.
An einer anderen Stelle ihrer Antwort fragt man sich, ob die Bischöfin wenigstens weiß, was sie sagt.
Sie wendet sich dagegen, daß "die Alliierten in den Krieg eingriffen". Eine seltsame Formulierung: England und Frankreich erklärten Deutschland bekanntlich den Krieg in Befolgung der Garantien, die sie am 31. März 1939 gegenüber Polen abgegeben hatten. Die Sowjetunion wurde von Deutschland überfallen, nachdem man zuvor gemeinsam Polen überfallen hatte. Den USA hat Hitler den Krieg erklärt, nicht umgekehrt. Aus freiem Entschluß "in den Krieg eingegriffen" hat keine der alliierten Mächte.
Die Bischöfin meint - wenn ich sie nicht ganz falsch verstehe -, daß der Krieg hätte vermieden werden können, wenn es nur "Strategien" gegeben hätte. Zwei Sätze später aber verurteilt sie es, daß die Gleise nach Auschwitz nicht bombardiert wurden. Wie hätte das denn geschehen sollen, ohne daß erst einmal "die Allierten in den Krieg eingriffen"? Hier fordert die Bischöfin eine Anwendung von Gewalt, die sie doch gerade erst verurteilt hatte.
"Krieg setzt ein Gewaltpotenzial frei, für das ich keine Rechtfertigung sehe", sagt Käßmann. Sie sagt nicht, wie sich verantwortliche Staatsmänner verhalten sollen, wenn dieses Gewaltpotenzial aber von unverantwortlichen Staatsmännern oder von religiösen Fanatikern freigesetzt worden ist.
Sie macht die Feuerwehr für den Brand verantwortlich. Sie macht diejenigen, die Hitlers Krieg, die den Krieg der Japaner, die Stalins Krieg mit großen Opfern beendet haben, für diesen Krieg verantwortlich; jedenfalls mitverantwortlich.
Keinem Abiturienten wird man ein so schiefes, ein so offensichtlich von Kenntnissen freies Geschichtsbild durchgehen lassen, wie es diese Bischöfin darbietet. Aber sie äußert sich ja nicht als eine Bürgerin, der man raten würde, vielleicht einmal ihre Nase in Geschichtsbücher zu stecken. Sie äußert sich als Geistliche, als Bischöfin, jetzt als Vorsitzende der EKD. Also findet sie ein Gehör, das sie nicht verdient.
Wem Gott ein Amt gegeben hat, dem gibt er auch den Verstand, sagt der Volksmund. Aber nicht alle, denen derart Verstand gegeben wurde, scheinen willens, ihn auch zu gebrauchen.
Margot Käßmann: Das Argument lautet immer: Hätten die Alliierten nicht eingegriffen, hätte es keinen Frieden gegeben. Warum gab es vorher keine Strategien? Warum wurde die Opposition in Deutschland nicht gestärkt? Warum wurden die Gleise, die nach Auschwitz führten, nicht bombardiert? Schließlich heißt es immer: Jetzt müssen wir Waffen einsetzen. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist enorm hoch.
Berliner Zeitung: Appeasement-Politik hat Hitler wenig beeindruckt.
Margot Käßmann: Dennoch: Krieg setzt ein Gewaltpotenzial frei, für das ich keine Rechtfertigung sehe. Krieg hat Unrecht, Zerstörung, Vergewaltigungen im Schlepptau. Krieg zerstört alle, die an ihm beteiligt sind.
Aus einem Interview mit der Ratsvorsitzenden der EKD, das am 24. Dezember 2009 in der "Berliner Zeitung" erschien und auf das Jan Fleischhauer vergangenen Dienstag in seinem Blog "Unter Linken" und heute nun auch in "Spiegel- Online" hingewiesen hat; wodurch ich darauf aufmerksam geworden bin.
Kommentar: Es gibt Berufe, die zur Besserwisserei zwar nicht prädestinieren, die eine Neigung zu ihr allerdings begünstigen: Die Berufe derer, denen es aufgetragen ist, andere zu belehren und über sie zu urteilen - Journalisten also, Richter, Lehrer und Hochschullehrer beispielsweise. Und Pfarrer.
Die Bischöfin Käßmann scheint von dieser déformation professionelle ungewöhnlich stark befallen zu sein.
Ihr Auftrag ist es, das Wort Gottes zu verkünden. Dazu hat sie ein Lehramt. Sie möchte uns gern aber auch dort belehren, wo es ihr erkennbar selbst an Kenntnissen mangelt. In Außen- und Militärpolitik beispielsweise, wie beim Thema Afganistan- Einsatz der Bundeswehr. Oder in Zeitgeschichte, wie mit diesem Zitat.
Hat die Bischöfin sich jemals mit der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs befaßt? Was sie dazu sagt, läßt das nicht erkennen.
"Warum gab es keine Strategien?" fragt sie und meint vermutlich Strategien, den Krieg zu vermeiden. Aber diese Strategien gab es ja.
Diejenige Chamberlains war es, Hitler so weit, wie irgend verantwortbar (und ein Stück weiter) entgegenzukommen, um einen Krieg im Jahr 1938 zu vermeiden, in dem Hitler, der als einziger seine Rüstung weitgehend abgeschlossen hatte, allen anderen überlegen gewesen wäre.
"Peace for our time", das hieß eben nicht "Peace forever". England brauchte Zeit zum Rüsten; vielleicht würde das Hitler ja überhaupt von seinem Krieg abhalten können. Aber vor allem brauchte England Aufschub. Das war der Sinn der Politik des Appeasement, für welche die Bischöfin kein Verständnis zeigt.
Es gab auch die alternative Strategie, die Winston Churchill, damals ein Journalist, politischer Außenseiter und Hinterbänkler, zu predigen nicht müde wurde: Hitler stoppen, so früh es geht. Denn jedes Nachgeben würde seine Aggressivität nur weiter steigern. Churchill sollte Recht behalten.
Es gab also Strategien. Sie genügen der Bischöfin offenbar nicht. Welche Strategie den Zweiten Weltkrieg denn nach ihrer Kenntnis der Geschichte hätte verhindern können, sagt sie nicht. Man darf unterstellen, daß sie es nicht weiß.
An einer anderen Stelle ihrer Antwort fragt man sich, ob die Bischöfin wenigstens weiß, was sie sagt.
Sie wendet sich dagegen, daß "die Alliierten in den Krieg eingriffen". Eine seltsame Formulierung: England und Frankreich erklärten Deutschland bekanntlich den Krieg in Befolgung der Garantien, die sie am 31. März 1939 gegenüber Polen abgegeben hatten. Die Sowjetunion wurde von Deutschland überfallen, nachdem man zuvor gemeinsam Polen überfallen hatte. Den USA hat Hitler den Krieg erklärt, nicht umgekehrt. Aus freiem Entschluß "in den Krieg eingegriffen" hat keine der alliierten Mächte.
Die Bischöfin meint - wenn ich sie nicht ganz falsch verstehe -, daß der Krieg hätte vermieden werden können, wenn es nur "Strategien" gegeben hätte. Zwei Sätze später aber verurteilt sie es, daß die Gleise nach Auschwitz nicht bombardiert wurden. Wie hätte das denn geschehen sollen, ohne daß erst einmal "die Allierten in den Krieg eingriffen"? Hier fordert die Bischöfin eine Anwendung von Gewalt, die sie doch gerade erst verurteilt hatte.
"Krieg setzt ein Gewaltpotenzial frei, für das ich keine Rechtfertigung sehe", sagt Käßmann. Sie sagt nicht, wie sich verantwortliche Staatsmänner verhalten sollen, wenn dieses Gewaltpotenzial aber von unverantwortlichen Staatsmännern oder von religiösen Fanatikern freigesetzt worden ist.
Sie macht die Feuerwehr für den Brand verantwortlich. Sie macht diejenigen, die Hitlers Krieg, die den Krieg der Japaner, die Stalins Krieg mit großen Opfern beendet haben, für diesen Krieg verantwortlich; jedenfalls mitverantwortlich.
Keinem Abiturienten wird man ein so schiefes, ein so offensichtlich von Kenntnissen freies Geschichtsbild durchgehen lassen, wie es diese Bischöfin darbietet. Aber sie äußert sich ja nicht als eine Bürgerin, der man raten würde, vielleicht einmal ihre Nase in Geschichtsbücher zu stecken. Sie äußert sich als Geistliche, als Bischöfin, jetzt als Vorsitzende der EKD. Also findet sie ein Gehör, das sie nicht verdient.
Wem Gott ein Amt gegeben hat, dem gibt er auch den Verstand, sagt der Volksmund. Aber nicht alle, denen derart Verstand gegeben wurde, scheinen willens, ihn auch zu gebrauchen.
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