18. Januar 2010

Marginalie: Was geht in Kabul vor? Nebst einem Nachtrag

Seit dem frühen Morgen berichten CNN und Al Jazeera aus Kabul. Was die Ereignisse angeht, besteht weitgehende Übereinstimmung in dem, was die Journalisten der beiden Sender und ihre afghanischen Gesprächspartner berichten. Die Einschätzungen gehen weit auseinander.

Das Geschehen stellt sich im Augenblick (kurz nach 9 Uhr) so dar: Mindestens 20 Kämpfer - vermutlich Taliban - haben zwei oder drei Gebäude in Kabul angegriffen: Das Serena-Hotel direkt neben dem Palast des Präsidenten, von dem ein Gebäude in Flammen steht, ein weiteres Gebäude in einem Einkaufszentrum und - das hat Al Jazeera soeben gemeldet - wahrscheinlich ein drittes Gebäude.

Die Angreifer scheinen die Westen von Selbstmord- Attentätern zu tragen, sind aber auch bewaffnet und liefern sich Schußwechsel mit den Sicherheitskräften. Soeben sagte ein Sprecher der afghanischen Regierung, daß sich zwei von ihnen in die Luft gesprengt hätten und daß zwei weitere von den afghanischen Sicherheitskräften getötet worden seien. Die Lage sei jetzt unter Kontrolle.



Die Bewertungen stimmen darin überein, daß der Angriff im unmittelbaren Zusammenhang mit der bevorstehenden Afghanistan- Konferenz steht.

Uneins sind sich die Beobachter über die Bedeutung der Attacke.

Ein von Al Jazeera interviewter afghanischer Politologe meinte, sie zeige die Schwäche der Taliban. In einer Stadt wie Kabul sei es nicht schwer, einige Bewaffnete einzuschleusen, die ein blutiges Spektakel veranstalten. Daß die Taliban offenbar zu keiner größeren militärischen Aktion fähig seien, um die Londoner Konferenz zu beeinflussen, beweise, wie eingeschränkt ihre Möglichkeiten seien.

Andere widersprechen und betonen, daß die Angriffe in der streng bewachten Sicherheitszone rund um den Palast des Präsidenten erfolgten. Die Regierung war offenbar gewarnt gewesen und hatte die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Dennoch gelang der Angriff.

Hinweise darauf, daß es sich bei den jetzigen zwei oder möglicherweise drei Angriffen auf einzelne Gebäude um den Auftakt zu einer größeren Offensive handelt, gibt es bisher nicht. Die Aktion scheint keine militärischen, sondern ausschließlich psychologische Ziele zu haben.

Auch die möglichen Auswirkungen auf die Londoner Konferenz werden unterschiedlich bewertet. Einerseits heißt es, Karsai werde jetzt geschwächt dorthin fahren, weil demonstriert wurde, daß er nicht einmal Kabul sicher unter Kontrolle hat. Andererseits wird argumentiert, die heutige Attacke sei das beste Argument für Karsai, auf dem Verbleiben und wenn möglich der Aufstockung der ISAF-Truppen zu bestehen.




Nachtrag um 18.40: Inzwischen sind alle beteiligten Terroristen tot. Im kleinen Zimmer habe ich den Ablauf aufgrund der Berichterstattung der Washington Post zusammengestellt.



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