Die FDP hatte nicht nur, wie alle drei Regierungsparteien, nach den Wahlen einen schlechten Start. Sondern sie droht jetzt alles das zu verspielen, was sie im Lauf des Jahres 2009 gewonnen hat.
Bis dahin hatten die drei kleineren Parteien - die Grünen, die Kommunisten und eben die FDP - jahrelang in den Umfragen ungefähr gleichauf zwischen rund 9 und 12 Prozent gelegen; mit kleinen Vorteilen einmal für die eine, einmal für die andere. Dann, Anfang 2009, machte die FDP einen Sprung nach oben und setzte sich deutlich von den beiden anderen ab; Sie können das zum Beispiel sehen, wenn Sie in den Grafiken bei "Spiegel-Online" den Schieberegler unter der Abbildung entsprechend nach links verschieben.
Dieser Höhenflug der Liberalen hielt bis zu den Bundestagswahlen an und bescherte ihnen das exzellente Ergebnis von 14,6 Prozent der Zweitstimmen; das beste ihrer Geschichte.
Damals sah es - auch für mich - so aus, als sei ein neues Kapitel in der deutschen Parteiengeschichte aufgeschlagen.
Guido Westerwelle hatte auf dem Hannoveraner Parteitag eine herausragende programmatische Rede gehalten; siehe Guido Westerwelle in Hannover: Eine ausgezeichnete Analyse; ZR vom 15. 5. 2009. Da trat eine selbstbewußte FDP in Erscheinung, die bereit und in der Lage zu sein schien, in derselben Liga zu spielen wie die Christdemokraten und die Sozialdemokraten.
Bei den Wahlen rückte die FDP mit ihren 14,6 Prozent an die Größenordnung der SPD (23,0 Prozent) näher heran als jemals eine kleinere Partei in der Geschichte der Bundesrepublik an eine "Volkspartei". Ich sah danach die Chance, daß ein Parteiensystem mit drei Volksparteien würde entstehen können; siehe Die Chance der FDP; ZR vom 11. 10. 2009 sowie Ein dritter Umbruch im deutschen Parteienystem?; ZR vom 12. 10. 2009.
Die FDP schien in der Lage zu sein, sich neue Wählerschichten außerhalb ihrer klassischen Klientel zu erschließen und sich damit dauerhaft bei 15 Prozent, wenn nicht zwischen 15 und 20 Prozent zu etablieren; einer sich in Richtung 20 Prozent bewegenden SPD auf den Pelz rückend.
Vorbei. Seit die Regierung gebildet wurde, haben die Umfragewerte der FDP sich nicht nur nicht auf diejenigen der SPD zubewegt, sondern die Partei ist zurück ins Glied getreten. Wie vor 2009 ist sie wieder eine der drei kleinen Parteien, von denen mal die eine, mal die andere leicht vorn liegt.
Hier sind die jeweils letzten Umfragedaten; nachzulesen bei Wahlrecht.de: Emnid: FDP, Grüne und Linke jeweils 12 Prozent; Forsa: dieselben Werte; Forschungsgruppe Wahlen: Grüne und Linke je 11 Prozent, FDP 12 Prozent; GMS: Linke 11 Prozent, FDP 12 Prozent, Grüne 13 Prozent; Infratest dimap: Linke 11 Prozent, FDP 12 Prozent, Grüne 14 Prozent.
Lediglich bei Allensbach liegt die FDP mit 13,5 Prozent noch einigermaßen deutlich vor den beiden anderen (Grüne 11 Prozent, Linke 12 Prozent). Aggregiert man die Daten aller Institute, wie das zum Beispiel Sonntagsfrage aktuell tut, dann ist zu sehen, daß seit Ende Oktober die FDP wieder auf demselben Niveau angekommen ist wie die beiden anderen kleinen Parteien.
Was ist da passiert? Ist die FDP denn nicht, wie es am 10. Oktober der Leiter des Liberalen Instituts der Friedrich- Naumann- Stiftung, Dietmar Doering, analysiert hatte, in neue Wählerschichten vorgestoßen - diejenigen der "Leistungsträger des Alltags", der Bürger mit mittlerem Bildungsabsvchluß bis hin zu Facharbeitern?
Doch, das ist sie schon. Aber eben vorerst nur bei den letzten Wahlen.
Wer eine Partei zum ersten Mal wählt, der wird sie anschließend besonders kritisch beobachten. Er ist gewissermaßen ein Wagnis eingegangen und sieht nun zu, ob das richtig gewesen ist. Was er da sieht, der Wechselwähler, der Neuwähler der FDP, das ist schwerlich geeignet, ihn bei dieser Partei zu halten. Die Regierungspartei FDP hat diese Wähler - wie auch andere, mich zum Beispiel - auf der ganzen Linie enttäuscht.
Erstens gab es nichts von der sichtbaren Entschlossenheit zum Neuanfang, wie er nach der Bildung der sozialliberalen Koalition 1969 ("Mehr Demokratie wagen") zu spüren gewesen war; nach dem Wechsel zu einer bürgerlichen Koalition 1982 ("Geistig- moralische Wende"); nach der Bildung der rotgrünen Koalition 1998 ("Ökologischer Umbau der Industriegesellschaft").
Der Koalition, die im Oktober 2009 geschlossen wurde, fehlte nicht nur ein solcher griffiger Slogan; das ist marginal. Sondern es fehlten ihr Inhalte, aus denen sich ein derartiger Slogan, aus denen sich eine gemeinsame Parole hätte speisen können. Man hat den Eindruck, daß die Kanzlerin geistig noch halb in der schwarzroten Koalition verharrt, und die FDP in der Opposition.
"Koalition der Mitte", ja. Aber "Mitte" ist kein Programm sondern ein Ort. Das einzige Thema dieser Koalition, das von der Öffentlichkeit als prägend wahrgenommen wird, ist die Steuerpolitik. Und das ist ein Streitthema; das schlechthinnige Streitthema innerhalb dieser Koalition.
Das zweite ist, daß die Minister der FDP nachgerade unsichtbar sind.
Der Freiherr zu Guttenberg hatte gezeigt, wie man als Wirtschaftsminister populär werden kann. Sein Nachfolger Rainer Brüderle, der gewiß ein ausgezeichneter Minister im schönen Weinland Rheinland- Pfalz gewesen war, tritt als Bundesminister in einer Weise in Erscheinung, die blaß zu nennen ein Euphemismus wäre.
Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, in der Regierung Kohl eines der profiliertesten Kabinettsmitglieder, wird von der Öffentlichkeit so gut wie nicht wahrgenommen.
Dirk Niebel steht einem Ministerium vor, das er selbst für überflüssig hielt (warum jetzt doch nicht, hat er heute gegenüber dem Deutschlandfunk zu erklären versucht). Wenn er konsequent wäre, dann müßte er für sein Ministerium nicht mehr Finanzmittel verlangen, wie das jeder Minister tut, sondern weniger. Der hessische FDP-Vorsitzende, der ausgezeichnete Jörg-Uwe Hahn, hat ihm das ja bereits nahegelegt.
Bleiben Philipp Rösler und Guido Westerwelle.
Philipp Rösler ist durch ein entschlossenes Vorgehen in Sachen Schweinegrippe aufgefallen; siehe Ein Impfgipfel; ZR vom 7. 11. 2009. Daß nun die befürchtete Pandemie glücklicherweise (vorerst) auszubleiben scheint, konnte niemand vorhersagen. Rösler hat sich richtig verhalten und seinen Willen gezeigt, Probleme anzupacken. Die Probleme der Gesundheitsreform werden freilich von anderem Kaliber sein.
Und Guido Westerwelle? Er hatte einen über die Maßen guten Start. Seine ersten, vorsichtigen Schritte auf dem diplomatischen Parkett wurden allseits gelobt; siehe "Er hat keinen einzigen Fehler gemacht"; ZR vom 6. 11. 2009.
Freilich genügt es für einen Außenminister nicht, keine Fehler zu machen.
Nachdem er sich mit Geschick, Sicherheit des Auftretens und einem angemessenen Maß an Zurückhaltung eingeführt hat, wird Westerwelle inhaltliche Politik machen müssen. Von deren Konturen ist in der Öffentlichkeit noch wenig zu sehen; sieht man von der vorschnellen Festlegung in Sachen Erika Steinbach ab, die alles andere als diplomatisch geschickt gewesen ist. Wer sich derart festlegt, wie Westerwelle das in Warschau getan hat, der nimmt sich selbst jeden Handlungsspielraum.
Diese Regierung ist gerade einmal neun Wochen im Amt. Ist es nicht ungerecht, sie jetzt schon zu kritisieren?
Ja, für eine Kritik an ihrer Arbeit wäre es noch viel zu früh. Darum ging es mir hier aber auch nicht. Sondern ich habe zu erklären versucht, warum das Erscheinungsbild der FDP so schlecht ist, daß sie alle Vorteile beim Wähler, die sie im Lauf des Jahres 2009 errungen hatte, jedenfalls im Augenblick verspielt hat; daß sie jetzt wieder dort ist, wo sie in den Jahren zuvor gewesen war: Am Katzentisch, eine der drei Kleinen.
Wird die FDP, wird die Regierung Tritt fassen können? Ich wünsche es dieser liberalkonservartiven Regierung, die ich gewollt habe, und ich wünsche es insbesondere der Partei, die ich gewählt habe und der meine Sympathie gilt.
Bis dahin hatten die drei kleineren Parteien - die Grünen, die Kommunisten und eben die FDP - jahrelang in den Umfragen ungefähr gleichauf zwischen rund 9 und 12 Prozent gelegen; mit kleinen Vorteilen einmal für die eine, einmal für die andere. Dann, Anfang 2009, machte die FDP einen Sprung nach oben und setzte sich deutlich von den beiden anderen ab; Sie können das zum Beispiel sehen, wenn Sie in den Grafiken bei "Spiegel-Online" den Schieberegler unter der Abbildung entsprechend nach links verschieben.
Dieser Höhenflug der Liberalen hielt bis zu den Bundestagswahlen an und bescherte ihnen das exzellente Ergebnis von 14,6 Prozent der Zweitstimmen; das beste ihrer Geschichte.
Damals sah es - auch für mich - so aus, als sei ein neues Kapitel in der deutschen Parteiengeschichte aufgeschlagen.
Guido Westerwelle hatte auf dem Hannoveraner Parteitag eine herausragende programmatische Rede gehalten; siehe Guido Westerwelle in Hannover: Eine ausgezeichnete Analyse; ZR vom 15. 5. 2009. Da trat eine selbstbewußte FDP in Erscheinung, die bereit und in der Lage zu sein schien, in derselben Liga zu spielen wie die Christdemokraten und die Sozialdemokraten.
Bei den Wahlen rückte die FDP mit ihren 14,6 Prozent an die Größenordnung der SPD (23,0 Prozent) näher heran als jemals eine kleinere Partei in der Geschichte der Bundesrepublik an eine "Volkspartei". Ich sah danach die Chance, daß ein Parteiensystem mit drei Volksparteien würde entstehen können; siehe Die Chance der FDP; ZR vom 11. 10. 2009 sowie Ein dritter Umbruch im deutschen Parteienystem?; ZR vom 12. 10. 2009.
Die FDP schien in der Lage zu sein, sich neue Wählerschichten außerhalb ihrer klassischen Klientel zu erschließen und sich damit dauerhaft bei 15 Prozent, wenn nicht zwischen 15 und 20 Prozent zu etablieren; einer sich in Richtung 20 Prozent bewegenden SPD auf den Pelz rückend.
Vorbei. Seit die Regierung gebildet wurde, haben die Umfragewerte der FDP sich nicht nur nicht auf diejenigen der SPD zubewegt, sondern die Partei ist zurück ins Glied getreten. Wie vor 2009 ist sie wieder eine der drei kleinen Parteien, von denen mal die eine, mal die andere leicht vorn liegt.
Hier sind die jeweils letzten Umfragedaten; nachzulesen bei Wahlrecht.de: Emnid: FDP, Grüne und Linke jeweils 12 Prozent; Forsa: dieselben Werte; Forschungsgruppe Wahlen: Grüne und Linke je 11 Prozent, FDP 12 Prozent; GMS: Linke 11 Prozent, FDP 12 Prozent, Grüne 13 Prozent; Infratest dimap: Linke 11 Prozent, FDP 12 Prozent, Grüne 14 Prozent.
Lediglich bei Allensbach liegt die FDP mit 13,5 Prozent noch einigermaßen deutlich vor den beiden anderen (Grüne 11 Prozent, Linke 12 Prozent). Aggregiert man die Daten aller Institute, wie das zum Beispiel Sonntagsfrage aktuell tut, dann ist zu sehen, daß seit Ende Oktober die FDP wieder auf demselben Niveau angekommen ist wie die beiden anderen kleinen Parteien.
Was ist da passiert? Ist die FDP denn nicht, wie es am 10. Oktober der Leiter des Liberalen Instituts der Friedrich- Naumann- Stiftung, Dietmar Doering, analysiert hatte, in neue Wählerschichten vorgestoßen - diejenigen der "Leistungsträger des Alltags", der Bürger mit mittlerem Bildungsabsvchluß bis hin zu Facharbeitern?
Doch, das ist sie schon. Aber eben vorerst nur bei den letzten Wahlen.
Wer eine Partei zum ersten Mal wählt, der wird sie anschließend besonders kritisch beobachten. Er ist gewissermaßen ein Wagnis eingegangen und sieht nun zu, ob das richtig gewesen ist. Was er da sieht, der Wechselwähler, der Neuwähler der FDP, das ist schwerlich geeignet, ihn bei dieser Partei zu halten. Die Regierungspartei FDP hat diese Wähler - wie auch andere, mich zum Beispiel - auf der ganzen Linie enttäuscht.
Erstens gab es nichts von der sichtbaren Entschlossenheit zum Neuanfang, wie er nach der Bildung der sozialliberalen Koalition 1969 ("Mehr Demokratie wagen") zu spüren gewesen war; nach dem Wechsel zu einer bürgerlichen Koalition 1982 ("Geistig- moralische Wende"); nach der Bildung der rotgrünen Koalition 1998 ("Ökologischer Umbau der Industriegesellschaft").
Der Koalition, die im Oktober 2009 geschlossen wurde, fehlte nicht nur ein solcher griffiger Slogan; das ist marginal. Sondern es fehlten ihr Inhalte, aus denen sich ein derartiger Slogan, aus denen sich eine gemeinsame Parole hätte speisen können. Man hat den Eindruck, daß die Kanzlerin geistig noch halb in der schwarzroten Koalition verharrt, und die FDP in der Opposition.
"Koalition der Mitte", ja. Aber "Mitte" ist kein Programm sondern ein Ort. Das einzige Thema dieser Koalition, das von der Öffentlichkeit als prägend wahrgenommen wird, ist die Steuerpolitik. Und das ist ein Streitthema; das schlechthinnige Streitthema innerhalb dieser Koalition.
Das zweite ist, daß die Minister der FDP nachgerade unsichtbar sind.
Der Freiherr zu Guttenberg hatte gezeigt, wie man als Wirtschaftsminister populär werden kann. Sein Nachfolger Rainer Brüderle, der gewiß ein ausgezeichneter Minister im schönen Weinland Rheinland- Pfalz gewesen war, tritt als Bundesminister in einer Weise in Erscheinung, die blaß zu nennen ein Euphemismus wäre.
Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, in der Regierung Kohl eines der profiliertesten Kabinettsmitglieder, wird von der Öffentlichkeit so gut wie nicht wahrgenommen.
Dirk Niebel steht einem Ministerium vor, das er selbst für überflüssig hielt (warum jetzt doch nicht, hat er heute gegenüber dem Deutschlandfunk zu erklären versucht). Wenn er konsequent wäre, dann müßte er für sein Ministerium nicht mehr Finanzmittel verlangen, wie das jeder Minister tut, sondern weniger. Der hessische FDP-Vorsitzende, der ausgezeichnete Jörg-Uwe Hahn, hat ihm das ja bereits nahegelegt.
Bleiben Philipp Rösler und Guido Westerwelle.
Philipp Rösler ist durch ein entschlossenes Vorgehen in Sachen Schweinegrippe aufgefallen; siehe Ein Impfgipfel; ZR vom 7. 11. 2009. Daß nun die befürchtete Pandemie glücklicherweise (vorerst) auszubleiben scheint, konnte niemand vorhersagen. Rösler hat sich richtig verhalten und seinen Willen gezeigt, Probleme anzupacken. Die Probleme der Gesundheitsreform werden freilich von anderem Kaliber sein.
Und Guido Westerwelle? Er hatte einen über die Maßen guten Start. Seine ersten, vorsichtigen Schritte auf dem diplomatischen Parkett wurden allseits gelobt; siehe "Er hat keinen einzigen Fehler gemacht"; ZR vom 6. 11. 2009.
Freilich genügt es für einen Außenminister nicht, keine Fehler zu machen.
Nachdem er sich mit Geschick, Sicherheit des Auftretens und einem angemessenen Maß an Zurückhaltung eingeführt hat, wird Westerwelle inhaltliche Politik machen müssen. Von deren Konturen ist in der Öffentlichkeit noch wenig zu sehen; sieht man von der vorschnellen Festlegung in Sachen Erika Steinbach ab, die alles andere als diplomatisch geschickt gewesen ist. Wer sich derart festlegt, wie Westerwelle das in Warschau getan hat, der nimmt sich selbst jeden Handlungsspielraum.
Diese Regierung ist gerade einmal neun Wochen im Amt. Ist es nicht ungerecht, sie jetzt schon zu kritisieren?
Ja, für eine Kritik an ihrer Arbeit wäre es noch viel zu früh. Darum ging es mir hier aber auch nicht. Sondern ich habe zu erklären versucht, warum das Erscheinungsbild der FDP so schlecht ist, daß sie alle Vorteile beim Wähler, die sie im Lauf des Jahres 2009 errungen hatte, jedenfalls im Augenblick verspielt hat; daß sie jetzt wieder dort ist, wo sie in den Jahren zuvor gewesen war: Am Katzentisch, eine der drei Kleinen.
Wird die FDP, wird die Regierung Tritt fassen können? Ich wünsche es dieser liberalkonservartiven Regierung, die ich gewollt habe, und ich wünsche es insbesondere der Partei, die ich gewählt habe und der meine Sympathie gilt.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Guido Westerwelle auf einer Wahlkampfveranstaltung in Hessen im Januar 2009. Autor: Cgaa. Frei unter Creative Commons Attribution ShareAlike 3.0 License; bearbeitet.