17. November 2009

Wer organisiert den "Bildungsstreik"? Nebst einem Nachtrag

Was ich jetzt schreibe, wird Ihnen, sofern sie ZR regelmäßig lesen, bekannt vorkommen. Ich wünschte nur, es wäre allgemein bekannt.

Nicht zuletzt dank massiver Unterstützung durch die öffentlich- rechtlichen Medien - die Tagesschau ist ein Beispiel - ist aus den Unternehmungen von ein paar hundert Studenten, die ich am Freitag kommentiert habe, inzwischen eine etwas breitere Aktion geworden.

Nach wie vor beteiligt sich daran nur ein Bruchteil der mehr als zwei Millionen Studenten in Deutschland; aber statt ein paar Hundert mögen es jetzt ein paar Tausend sein. Nicht mehr im niedrigen, sondern jetzt im höheren Promille- Bereich.

Daß es bei der Einführung der Bachelor- und Master- Studiengänge Probleme gibt, ist nicht zu bestreiten. In "FAZ.Net" faßt sie heute Heike Schmoll konzis und kenntnisreich zusammen. Aus meiner Sicht habe ich diese Probleme am Samstag in "Zettels kleinem Zimmer" kommentiert.

Aber diese Probleme werden ja nicht durch die sogenannte "Besetzung" von Hörsälen (also meist Hausfriedensbruch) und durch Demonstrationen gelöst. Das wissen natürlich auch die Organisatoren dieser Aktionen.



Die Organisatoren? Wer ist das überhaupt? Quer durch die Berichterstattung unserer Medien hat man den Eindruck, daß es Organisatoren gar nicht gibt. Man könnte glauben, die Plakate, die Forderungen, die Parolen seien irgendwie spontan den Köpfen von Studenten entsprungen und hätten unter ihren fleißigen Händen materielle Gestalt gewonnen.

Nur ist es nicht so. Das Ganze ist professionell organisiert und koordiniert. Gehen Sie bitte einmal auf die WebSite Bildungsstreik.Net. Da finden Sie alles, was eine zentrale Organisation ausmacht: Eine aktuelle Terminliste; Berichte und Kontaktadressen der einzelnen Unis; Links zu den einzelnen "Bündnissen"; eine "Newsletter" und eine Email- "Verteiler für Aktive".

An alles ist gedacht. Es gibt ein Wiki und einen Twitter-Feed. Man kann Plakate, Flugblätter und Aufkleber ordern. Auch eine "Pressegruppe" als Anlaufstelle für Journalisten fehlt nicht. Selbst Formbriefe für Azubis werden angeboten, mit denen diese eine Freistellung vom Berufsschul- Unterricht zwecks Demonstrierens beantragen sollen.

Das alles spontan entstanden, weil es Probleme bei der Umsetzung des Prozesses von Bologna gibt? Ach woher.



Ich schrieb ja, daß regelmäßigen Lesern dieses Blogs das alles bekannt vorkommen wird. Was jetzt jetzt in Gang gesetzt wird, das ist die zweite Runde einer von langer Hand vorbereiteten Kampagne, deren erster Teil im Juni dieses Jahres stattfand. Ich habe das damals kommentiert und über die beteiligten Organisatoren informiert; siehe "Bildungsstreik 2009": Wer sind eigentlich die Organisatoren und Unterstützer? Die Volksfront marschiert; ZR vom 18. 6. 2009.

Wenn Sie jetzt von der Startseite der Organisatoren aus auf "Aufruf" klicken, gelangen Sie zu demselben Aufruf, dem ich damals, im Juni, verlinkt und aus dem ich dies zitiert habe; es steht wörtlich immer noch da:
Weltweit sind Umstrukturierungen aller Lebensbereiche nicht mehr gemeinwohlorientiert, sondern den sogenannten Gesetzen des Marktes unterworfen. (...) Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt deutlich, dass die Auswirkungen wettbewerbsorientierter Entscheidungskriterien verheerend sind. In vielen Ländern protestieren Menschen dagegen, so z.B. in Mexiko, Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland. In diesem internationalen Zusammenhang steht der Bildungsstreik 2009. (...)

Ziel des Bildungsstreiks ist es, eine Diskussion zur Zukunft des Bildungsystems anzuregen. Des Weiteren sollen Möglichkeiten einer fortschrittlichen und emanzipatorischen Bildungs- und Gesellschaftspolitik aufgezeigt und durchgesetzt werden.
Es geht nicht um die Probleme mit dem Bologna- Prozeß. Diese sind vorgeschoben. Oder genauer gesagt: Sie stehen im Zentrum der Massenlinie, wie das bei Kommunisten heißt. Sie sind das, was die Öffentlichkeit und die Mitläufer unter den Studenten glauben sollen.

Die Kaderlinie beinhaltet etwas anderes: Es geht darum, Studenten zu politisieren und sie empfänglich zu machen für eine "fortschrittliche Gesellschaftspolitik". Im Klartext: für den Sozialismus. Dazu dient eine sogenannte "Politik des breiten Bündnisses"; eine klassische kommunistische Strategie.

Wo die Fäden allerdings zusammenlaufen, das konnte ich jetzt wie schon damals nicht herausfinden; Vermutungen sind erlaubt. Wer mit von der Partie ist, das können Sie der Liste der UnterstützerInnen entnehmen. Die Gruppen sind weitgehend dieselben wie im Juni; die Volksfront also. Die mit besonders vielen Gruppen vertretene Organisation mit dem eigenartigen Namen "linksjugend ['solid]" ist übrigens die Jugendorganisation der Partei "Die Linke".




Nachtrag am 19. 11.: Inzwischen gibt Hinweise - neu und älter - darauf, daß in der Tat die Partei "Die Linke" eine zentrale Rolle bei der Organisation dieses "Bildungsstreiks" spielt, und zwar in Gestalt von Mitgliedern ihrer Studentenorganisation "Die Linke.SDS". Näheres finden Sie in "Zettels kleinem Zimmer".




© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Karl Marx. In der Public Domain, da das Copryright erloschen ist.