6. November 2011

Marginalie: Die Wahlbeteiligung in Tunesien betrug 50,99 Prozent

Heute vor zwei Wochen wurde in Tunesien gewählt. Am Tag nach der Wahl habe ich auf eine krasse Fehlmeldung des ZFD aufmerksam gemacht, in der es hieß: "Die Beteiligung war überwältigend. Mehr als neunzig Prozent der Tunesier folgten dem Aufruf, eine Verfassungsgebende Versammlung zu wählen" ("Mehr als neunzig Prozent der Tunesier haben gewählt". Behauptet das ZDF. Und läßt damit eine Ente watscheln; ZR vom 24. 10. 2011).

Es hat dann noch fast zwei Wochen gedauert, bis das vorläufige amtliche Endergebnis nicht nur für die Sitzverteilung, sondern auch für die an den Urnen abegebenen Stimmen veröffentlicht wurde. Am vergangenen Donnerstag war es so weit.

Von den 7.569.824 Wahlberechtigten haben sich 3.859.558 beteiligt; das sind 50,99 Prozent. Am Montag nach der Wahl hatte ich aufgrund der mir vorliegenden Meldungen die Wahlbeteiligung auf 50 bis 55 Prozent geschätzt.



Der Wahlsieg der islamistischen Ennahda fiel, in Stimmen ausgedrückt, am Ende nicht ganz so überwältigend aus, wie es zeitweise den Anschein gehabt hatte. Sie erreichte 38,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Damit liegt sie aber immer noch weit vor der zweitstärksten Partei, dem säkularen, aber nicht antiislamistischen CRF mit 8,4 Prozent. Es folgen die Populisten der Aridha Chaabia und die sozialdemokratische Ettakatol mit jeweils 6,3 Prozent.

Der Anteil dieser Parteien an den Sitzen liegt höher als ihr Stimmenanteil, weil viele der kleinen und kleinsten Parteien keinen Sitz erlangt haben. An der Sitzverteilung hat sich gegenüber dem, was ich vor gut einer Woche berichtet und analysiert habe, mit einer Ausnahme nichts geändert (Eine Analyse des Wahlergebnisses in Tunesien; ZR vom 28. 10. 2011). Die einzige Änderung ist, daß aufgrund einer Gerichtsentscheidung der Ennahda ein weiterer Sitz zuerkannt wurde, so daß sie jetzt 91 Sitze hat. Im Wahlbezirk Medenine war es zu einem Auszählungsfehler gekommen.

Auch diese gerichtliche Wahlprüfung zeigt wieder: Für ein Land, in dem es noch nie freie Wahlen gegeben hat, ist diese Wahl zur Verfassungsgebenen Versammlung außerordentlich korrekt abgelaufen. Das Ergebnis ist so ausgefallen, daß sowohl die Islamisten als auch die säkularen Parteien mit ihm leben können; also in dieser Hinsicht optimal.

tunisia-live.net bringt Karten, auf denen man die regionale Verteilung der Ergebnisse sehen kann. Die Ennahda ist vor allem im unterentwickelten Süden stark, wo sie in zwei Wahlbezirken mehr als 50 Prozent erreichte. In den am stärksten nach Frankreich hin orientierten Wahlbezirken entlang der Küste hat die sozialdemokratische Ettakatol ihre Hochburgen mit überwiegend mehr als 20 Prozent. Aber auch dort bleibt sie fast überall hinter den Islamisten.
Zettel



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