12. November 2011

Zitat des Tages: Der Ausgabenhunger demokratischer Mehrheiten. Rainer Hank über Märkte und Massen, Rechtsstaat und Demokratie

Demokratien sind, nach einem berühmten Wort des schwedischen Finanzwissenschaftlers Knut Wicksell (1851 bis 1926), nichts anderes als die "Diktatur der zufälligen Mehrheit".

"Wenn einmal die unteren Klassen definitiv in Besitz der gesetzgebenden und steuerbewilligenden Gewalt gelangt sind", schreibt Wicksel, herrsche die Gefahr, "dass sie ebenso wenig uneigennützig verfahren werden, wie die Klassen, welche bisher die Macht in den Händen hatten, dass sie m.a.W. die Hauptmasse der Steuern den besitzenden Klassen auflegen und dabei vielleicht mit der Bewilligung der Ausgaben, zu deren Bestreitung sie selbst nunmehr nur wenig beitragen, so sorglos und verschwenderisch verfahren, dass das bewegliche Kapital des Landes bald nutzlos vergeudet und damit die Hebel des Fortschritts zerbrochen sein werden."

Können demokratische Mehrheiten ihren Ausgabenhunger mit Steuern nicht mehr befriedigen, (...) greifen sie in zunehmendem Maße zur Staatsverschuldung.
Rainer Hank, Leiter des Wissenschaftsressorts der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.), gestern im Wirtschaftsblog der FAZ und F.A.S. "Fazit" zur gegenwärtigen Finanzkrise.

Kommentar: "Kurszettel gegen Stimmzettel: Warum Habermas nichts von der Krise versteht" lautet der Titel dieses trefflichen Artikels, in dem Hank mit wenigen klaren Worten den Kern der jetzigen Krise herausarbeitet.

Schuldner, argumentiert er, schließen Verträge und haben diese nach dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit einzuhalten wie jeder, der einen Vertrag schließt. Anders als manche Privatschuldner können Staaten das auch stets, denn sie haben prinzipiell die Möglichkeit, sich durch Ausgaben-kürzungen, Erhöhung von Steuern und Gebühren oder den Verkauf von Staatsvermögen das erforderliche Geld zu besorgen. "Staatsbankrott", folgert Hank, bedeute also "nicht die Zahlungsunfähigkeit, sondern die Zahlungsunwilligkeit".

Zahlungsunwilligkeit aus Angst vor Wahlniederlagen, Unruhen; im schlimmsten Fall Anarchie. Regierungen sind diesem Druck ausgesetzt. Nicht aber die Märkte, die Hank deshalb im Augenblick als die eigentlichen Hüter der Rechtsstaatlichkeit sieht, indem sie nämlich "diese mit der Zinsschraube (dem Preismechanismus) erzwingen".



Lesen Sie diesen kurzen, glänzend geschriebenen Aufsatz! Und überlesen Sie nicht Hanks historische Anmerkung: "Die liberale Tradition Europas - von Locke über Hume bis Lord Acton - hat stets die Demokratie der Rechtsstaatlichkeit nachgeordnet". John Emerich Edward Dalberg-Acton, 1. Baron Acton war einer der großen Liberalen des 19. Jahrhunderts.
Zettel



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