22. Juli 2010

Kurioses, kurz kommentiert: Heribert Prantl glänzt mit einem Fremdwort und erklärt uns die Partei "Die Linke"

Es ist nicht so, daß man von Heribert Prantl nichts lernen könnte. Heute habe ich von ihm das Wort "spinös" gelernt.

Naja, wenigstens fast. Sagen wir so: Er hat mich auf die Spur dieses Worts gesetzt.

Im "Duden" findet man es nicht, im Duden Bedeutungswörterbuch. Man muß schon ins Duden Fremdwörterbuch gehen. Dort steht in dessen 5. Auflage von 1990:
spinös [lat.]: sonderbar u. schwierig, z. B. im Umgang; das Benehmen anderer gouvernantenhaft kritisierend
In der 1. Auflage von 1960 war die Erläuterung noch etwas ausführlicher gewesen:
spinös [lat.]: schwierig (im Umgang), tadelsüchtig, spitzfindig, bei anderen gern schlechte Eigenschaften usw. suchend u. hervorkehrend
Ähnlich wird im "Deutschen Wörterbuch" von Mackensen "spinös" als "schwierig (im Verkehr); tadelsüchtig" definiert. Googelt man nach dem Wort, dann findet man zum Beispiel bei MyDict: "altjüngferlich, knifflig, schwierig, spitzfindig, tadelsüchtig".



Heribert Prantl hat sich heute über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Überwachung der Partei "Die Linke" durch den Verfassungsschutz geäußert, dem ich gestern das Zitat des Tages entnommen habe. Es wird Sie nicht überraschen, daß Prantl herbe Urteilsschelte übt; man ist ja selbst Jurist. "Ein Fehlurteil" nennt er dieses Urteil.

Der Artikel ist unerheblich und wäre keinen Kommentar wert; wäre da nicht der folgende Satz:
Die Linke: Es gibt zwar da und dort seltsame Grüppchen von Trotzkisten, Maoisten und sonstigen eher spinösen Menschen; aber die haben kaum Einfluss auf die Partei.
Da steht es also, das "spinös". Altjüngferlich, knifflig, spitzfindig, tadelsüchtig, gouvernantenhaft, bei anderen schlechte Eigenschaften suchend sollen sie also sein, diese "Grüppchen" in der Partei "Die Linke"?

Seltsam. Oder sollte der Autor Prantl schlicht "spinnert" gemeint haben; nur wollte er das mit Niveau sagen?



Lassen wir den Stilisten Prantl beiseite und wenden wir uns dem politischen Kommentator zu. Ist Ihnen an dem zitierten Satz etwas aufgefallen? Prantl erwähnt Trotzkisten und (seltsamerweise, ich kenne keinen einzigen in der Partei "Die Linke") Maoisten. Er erwähnt nicht diejenigen extremistischen Gruppen, die weder das eine noch das andere sind, sondern schlicht Kommunisten.

Die das sind, was man bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts "orthodoxe" oder auch "moskautreue" Kommunisten nannte. Also Leninisten, die Stalin ebenso positiv sehen wie die DDR, die Fidel Castro verehren und die einen "zweiten Sozialismusversuch" vorbereiten.

Sie sind innerhalb der Partei "Die Linke" in drei "Grüppchen", wie Prantl das nennt, organisiert; nämlich der Kommunistischen Plattform; dem Marxistischen Forum und Cuba sí (zu deutsch: "Ja zu Cuba"). Alle drei werden - man kann das in den entsprechenden Artikeln in der Wikipedia nachlesen - vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft.

Die Anführerin der "Kommunistischen Plattform" ist bekanntlich Sahra Wagenknecht, die aus ihrer Bewunderung für Josef Stalin keinen Hehl macht; siehe dazu die Zitate aus einer ihrer Schriften und einem Interview in Das Ergebnis der Vorstandswahlen bei der Partei "Die Linke"; ZR vom 17. 5. 2010.

Ihre Mitgliedschaft in der "Kommunistischen Plattform" ruht derzeit. Denn inzwischen ist Sarah Wagenknecht eine von vier stellvertretenden Vorsitzenden der Partei "Die Linke", gewählt mit 418 von von 558 abgegebenen Stimmen, dem zweitbesten Ergebnis.



Eine überwältigende Mehrheit der gewählten Delegierten der Partei "Die Linke" hat also der Kommunistin und Stalin-Verehrerin Wagenknecht das Vertrauen geschenkt. Prantl aber zeichnet ein nachgerade idyllisches Bild dieser Partei:
Der Verfassungsschutz weiß aus eigener Kenntnis, dass die Linke von 2010 eine ganz andere Partei ist als die SED/PDS von 1990. (...) Im Übrigen hat es in der Geschichte der Bundesrepublik schon in jeder demokratischen Partei extremistische Tendenzen an den Rändern gegeben; kein Verfassungsschutz hat daran gedacht, deswegen die ganze Partei aufs Korn zu nehmen. (...) Wer die Linken auf diese Weise als Anti-Demokraten denunziert, muss sich nach seinem eigenen Demokratieverständnis fragen lassen.
Ist Prantl, der Ressortleiter Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung", naiv? Ist er (das Wort steht in der Überschrift seines Artikels) schlicht dumm? Oder sympathisiert er mit den Kommunisten und unterstützt deren Ziel, nach dem Scheitern der DDR nunmehr einen "zweiten Sozialismusversuch" zu unternehmen?

Man weiß es nicht, um mit Dittsche zu sprechen. Eigentlich sollte es doch auch für Prantl begreifbar sein, daß eine Partei nicht zum Teil verfassungskonform und zum Teil verfassungsfeindlich sein kann.

Prantl behauptet, es habe schon in jeder demokratischen Partei der Bundesrepublik "extremistische Tendenzen an den Rändern" gegeben. Mag sein; aber jede demokratische Partei hat darauf mit dem umgehenden Ausschluß der Betreffenden reagiert.

Wäre es der Partei "Die Linke" ernst damit, daß sie den demokratischen Rechtsstaat akzeptiert hat, dann hätte sie Sahra Wagenknecht und ihre Gesinnungsgenossen längst aus der Partei entfernt.



Die Justiz sieht das sehr viel realistischer als Heribert Prantl.

Als Revisionsinstanz hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem gestrigen Urteil die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts NRW übernommen. Dieses kam in seinem Urteil vom 13. 2. 2009; Az 16 A 345/08 zu der folgenden Bewertung der Partei "Die Linke":
Es lagen und liegen aktuell tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen der Parteien PDS, Linkspartei.PDS und DIE LINKE gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor. (...)

Im Rahmen der vom Senat vorzunehmenden Gesamtschau erhalten die dargelegten Anhaltpunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung weitere Substanz durch die Erklärungen der Partei zur ehemaligen DDR und der Republik Kuba, die totalitäre Züge getragen haben bzw. tragen. (...)

Es sind nicht nur tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der PDS, der Linkspartei.PDS sowie heute der Partei DIE LINKE gegeben, sondern darüber hinaus auch dafür, daß diese in politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in Bezug auf die Beseitigung bzw. Außer-Geltungsetzung der genannten Verfassungsgrundsätze mündeten und nach wie vor münden. (...)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine offene Beobachtung des Klägers waren und sind allein schon wegen seiner politischen Betätigung in der Partei DIE LINKE (früher: PDS/Linkspartei.PDS) gegeben.
Nur weil es - in diesem Einzelfall Bodo Ramelow! - den Eingriff in das freie Mandat als schwererwiegend ansah als die Erkenntnisse, die zum Schutz der Verfassung aus einer Beobachtung durch das BfV gewonnen werden könnten, hat das Oberverwaltungsgericht der Klage Ramelows stattgegeben.

Und nur in Bezug auf diese Abwägung zwischen zwei Rechtsgütern hat das Bundesverwaltungsgericht dieses Urteil jetzt korrigiert.



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