29. April 2013

Willkommen im Alltag

Bei neuen Parteien gibt es neben der inhaltlichen Komponente meist auch eine allgemeine Erneuerungskomponente. Ziemlich jede Parteigründung der letzten Jahrzehnte erhob den Anspruch, Politik neuer, besser, demokratischer und vor allem ehrlicher zu betreiben als die "Altparteien". Es dauert meist nur wenige Jahre, bis die Neulinge in der Realität ankommen und feststellen, daß die meisten üblichen Methoden und Verhaltensweisen ihren Sinn haben und für den Erfolg einer Partei nötig sind. Und was nicht sinnvoll oder nötig ist, das hat meistens seinen Grund darin, daß eben Menschen agieren, mit ihren unvermeidlichen Fehlern und Schwächen.

Auch die AfD steht in dieser Tradition und propagiert einen neuen Politikstil. Ehrlichkeit, Transparenz, Demokratie - ganz anders als die "etablierten" Politiker mit ihren falschen Versprechen und gebrochenen Zusagen.

Nur: Natürlich will auch die AfD erst einmal bei der Bundestagswahl punkten. Also Wähler anziehen - und nicht mit unangenehmen Themen verschrecken. Da müssen die guten Vorsätze schnell zurückstehen ...
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Das Hauptthema der AfD ist ja schließlich die Ablösung des Euro. Ein Äquivalent zur guten alten DM wird gewünscht. Ein legitimer und verständlicher Wunsch, und durchaus populär.

Aber es gibt eben keine politische oder wirtschaftliche Maßnahme, die nur Vorteile bringen würde. Auch eine Wiedereinführung der DM hätte gravierende Nachteile. Die man für akzeptabel halten kann angesichts der erhofften Vorteile - aber abzustreiten sind sie seriöserweise nicht.

Gleich nach AfD-Gründung hat Thomas Straubhaar diese Nachteile dargestellt. Man muß dieser Darstellung nicht in allen Punkten folgen (ich tue das nicht), aber da ist schon Substanz dran, und Straubhaar ist ein renommierter Fachmann.

Und da wäre nun ein neuer Politikstil angebracht. Man könnte und sollte - gerade an Stelle der AfD, die gerne auf ihre ökonomische Kompetenz verweist - inhaltlich darauf antworten, strittige Punkte mit Argumenten widerlegen.

Aber natürlich wäre das nicht wählerwirksam. Nicht nur, daß manche Wähler das inhaltlich nicht verstehen würden. Sondern es droht natürlich die Gefahr, daß die Diskussion über Nachteile der DM-Einführung sehr abschreckend auf potentielle Wähler wirken könnte.

Also reagiert AfD-Überchef Lucke anders. In ganz bewährter Altpolitiker-Manier: Er wechselt einfach das Thema. Nein, er will gar nicht, daß Deutschland aus dem Euro-Raum austritt. Oha.
Er will, daß die Südländer aus dem Euro austreten. Mit anderen Worten: Raider heißt jetzt Twixt. Und da Straubhaar ja über Raider geredet hat, sind jetzt alle seine Bedenken vom Tisch.

Was natürlich nicht der Fall ist.
Bei einer Auflösung der Währungsunion wäre es nebensächlich, ob die Nachfolgewährungen nun "DM vs. Weich-Euro" oder "Hart-Euro vs. Liradrachme" heißen. Die von Straubhaar beschriebenen Probleme werden immer zu lösen sein, egal wie man die Nachfolgewährungen nennt.

Das größte dieser Probleme betrifft den Umgang mit den in Euro nominierten Schulden. Die aus deutscher Sicht Guthaben sind, auf die wir natürlich nicht verzichten wollen. Und wenn Lucke nun suggeriert, die Südländer würden nach unfreundlicher Aufforderung durch den Kreditgeber Deutschland eine Weichkekswährung einführen - aber ihre Schulden in harter Währung zurückzahlen: Dann ist das noch deutlich realitätsferner als alles, was wir bisher von Schäuble und Co. an dubiosen Versprechen gehört haben.

Und dann verspricht Lucke: "In jedem Fall wollen wir, dass sich die Veränderungen langsam abspielen, damit die Unternehmen sich anpassen können."
Das ist dann nun der Schritt zur ganz dreisten Politikerlüge.
Selbstverständlich kann es keine "langsame" Währungsumstellung geben. Dazu sind die Spannungen im Währungssystem viel zu stark, der Auf- und Abwertungsdruck viel zu groß. Die eigentliche Umstellung kann es nur per Stichtag geben, mit einer "frozen zone" à la Zypern und Teilentwertung von Guthaben und Forderungen. Damit werden die meisten Unternehmen auch fertig werden - einige halt nicht.

Es gibt gute Argumente, die Umstellung trotz solcher Risiken und Finanzfolgen durchzuführen. Und wenn man ehrliche Politik will, dann muß man diese Argumente bringen, und die gegenüber stehenden Nachteile auch zugeben.

Aber wird der Wähler solche Ehrlichkeit honorieren? Das ist die kritische Frage, schwer zu beantworten, und die "etablierten" Parteien entscheiden sich in der Regel für die sanfte, unehrliche Methode. Und in diesem Sinne ist jetzt auch die AfD, wenige Wochen nach Gründung, eine voll etablierte Partei geworden.

R.A.

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