14. April 2013

Marginalie: Der Bundestagswahlkampf hat begonnen


Sieht man sich diese Synopse der letzten Umfragen zum föderalen Urnengang im September an, so dürfte unschwer zu erraten sein, aus welchen beiden Parteien der erste heftige und deftige Schlagabtausch des Wahlkampfes hervorgegangen ist. Natürlich nicht aus den Reihen der Union, die auf ein für heutige Zeiten astronomisches Ergebnis hoffen darf, und klarerweise auch nicht aus dem Gewächshaus der Grünen, deren Ideologie-Angebot für ein bestimmtes Segment der Mittelschicht immer attraktiver zu werden scheint.

Den Startschuss zum offenen Ringen um die Gunst der Stimmberechtigten hat niemand anderer gegeben als Guido Westerwelle. Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP ließ der Bundesaußenminister die Versammelten wissen, der SPD-Wahlkampfslogan „Das Wir entscheidet“ erinnere ihn an das SED-Motto „Vom Ich zum Wir“. Und weiter:
Es besorgt mich dieses Maß an mangelndem Geschichtsbewusstsein, dass wir schon vergessen haben, was passiert, wenn das Kollektiv Vorrang hat vor der einzelnen Persönlichkeit.
Man mag diese Äußerung als eine der spontanen, beträchtliches Erregungspotenzial freisetzenden Wortspenden abtun, von denen sich Westerwelle bisweilen im Nachhinein distanziert. Oder soll dieser prägnante, aber keineswegs besonders polemische Satz die Marschrichtung für den Bundestagswahlkampf vorgeben? Was bleibt einer unter dem Damoklesschwert der Fünf-Prozent-Hürde schmachtenden FDP anderes übrig als die liberale Flucht nach vorn?
  
Die Riposte kam vom Vorsitzenden der attackierten Partei, Sigmar Gabriel:
Etwas Skandalöseres habe ich in den letzten Jahren nicht gehört als diesen Vergleich mit der SED.
Und bei gleichbleibender Empörung ein Sprachniveau niedriger:
Offensichtlich hat er Schiss. So äußert sich nur einer, der genau weiß, dass die Egoisten am 22. September abgewählt werden.
Ob die „Alte Tante“ mit einem fettnäpfchensicheren Spitzenkandidaten Steinbrück und einem in die verbale Sickergrube greifenden Gabriel die große Schar der Wechselwähler für sich gewinnen kann, erscheint fraglich: Die demoskopischen Traumquoten für die Kanzlerin und ihre Partei sprechen eher dafür, dass ein erheblicher Teil der Deutschen einen derart konfrontativen Stil der Auseinandersetzung nicht begrüßt.

Dies könnte sich als Vorteil für die FDP erweisen: Denn deren verbliebene Anhänger erwarten von der Kleinpartei, bei der es um das parlamentarische Sein oder Nichtsein geht, zweifellos ein markantes Profil und dezidierte inhaltliche Positionierungen. Eine catch-all-party wie die SPD muss hingegen auf ihre Integrationsfähigkeit achten, falls sie die (geringen) Chancen darauf, stärkste Kraft im Bundestag zu werden, nicht aufs Spiel setzen möchte. Aus Sicht der Liberalen ist es also durchaus sinnvoll, einen klassischen Lagerwahlkampf zu führen, während sich die Sozialdemokraten mit solcherlei klarer Kante vermutlich selbst ein Bein stellen. Aber genau darin hat es die SPD ja schon zu einiger Erfahrung gebracht.

Nachtrag: Der SPD-Wahlkampfslogan lautet "Das Wir entscheidet" (und nicht  wie zunächst irrtümlich geschrieben: "Das Wir gewinnt").
Noricus

© Noricus. Mit Dank an Jim. Für Kommentare bitte hier klicken.