Deutschland hat Einfluss auf die
Politik innerhalb der EU. Was ja auch nicht verwunderlich ist,
angesichts seiner Wirtschaftskraft.
Nur, wenn dieser Einfluss zum tragen
kommt, wie z.B. beim Glühlampenverbot (Sigmar Gabriel) oder bei der
Euro-Einführung (Helmut Kohl), entzieht er sich der Wahrnehmung.
Es wurde in der deutschen Presselandschaft oft spekuliert, dass die Euro-Einführung Frankreichs Bedingung für die Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung war. Also, dass der Euro Deutschland von außen, von anderen aufgenötigt wurde.
Es wurde in der deutschen Presselandschaft oft spekuliert, dass die Euro-Einführung Frankreichs Bedingung für die Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung war. Also, dass der Euro Deutschland von außen, von anderen aufgenötigt wurde.
In einem nunmehr sechs Jahre alten
Interview, welches Bestandteil der sehr bemerkenswerten
Dissertation "Bilanz einer gescheiterten Kommunikation" von Jens Peter Paul ist, beschreibt Bundeskanzler Kohl die
damaligen Vorgänge ganz anders.
Und ich denke, er sollte wissen wovon
er da, mit einer guten Portion Nonchalance, so redet mit Herrn Paul. (Seite 284 - 301)
Die immer wieder aufgeworfene Frage ob Deutschland den Euro braucht oder nicht, ist meines Erachtens falsch gestellt. Helmut Kohl war der Ansicht, dass der Frieden in Europa den Euro braucht. Den aber kann man nicht fragen. Gefragt wurde der Bundestag.
Bei der ganzen Diskussion um den Verbleib im oder um den Erhalt des Euro wird das Pro und Contra viel klarer, wenn man die Prämisse zugrunde legt, dass Deutschland, dass Helmut Kohl maßgeblich die Euroeinführung betrieb. Nicht nur in Deutschland sondern auch in Europa.
Deshalb geht es auch um die Verantwortung und Glaubwürdigkeit des Landes, dessen damaliger Regierungschef einen Traum hatte vom Haus Europa und diesen Traum, Kraft seiner Durchsetzungsfähigkeit, Wirklichkeit werden ließ:
Ich habe in meinem Leben immer Visionen gehabt. Und eine Vision ist doch nicht eine Frage, die ich aus Machtgesichtspunkten aufgebe!Verstehen Sie: Ich bin ein Machtmensch, okay – was heißt eigentlich: Wieso bin ich Machtmensch? Wenn einer Bundeskanzler ist, will etwas durchsetzen, muß er doch ein Machtmensch sein! Und wenn er gescheit ist, dann weiß er: Jetzt ist eine Zeit reif, um etwas durchzusetzen. Und wenn er gescheit ist, dann weiß er: Es gibt Sachen, da muß ich warten.Es ist mein volles Leben: In einem Fall war ich wie ein Diktator, siehe Euro, in einem Fall war ich ein Zauderer, habe alle Probleme ausgesessen. Ist immer noch der gleiche Helmut Kohl, von dem wir reden. Mit Machtmensch hat das nichts zu tun. Der Euro ist ja nur ein Synonym für Europa. Verstehen Sie: Für mich ist die Idee der Einigung Europas nicht irgend eine Sache wie dem Riester seine Rentenversicherung. Das ist eine wichtige Sache, aber von der Qualifikation ist das ein Nichts gegenüber dem Euro! Die Rentenversicherung wird jetzt geändert, wir wieder geändert, wird noch einmal geändert. Aber Europa hat zum ersten Mal keinen Krieg mehr. Das muß man doch einmal sehen! Das ist doch ein historischer Bezug. (Seite 293)
Abgesehen davon, dass er die Einigung Europas mit der Einführung des Euro praktisch gleichsetzt, finde ich an dieser Passage den Vergleich mit der Riester-Rente und den Änderungen daran sehr interessant. Vor allem, weil 2007 die Schulden-Krise in der Eurozone noch nicht evident war und noch keine ständigen Regeländerungen des Europäischen Vertragswerkes das Vertrauen in die gemeinsame Währung ankratzten. Inzwischen gibt es viel mehr Parallelen.
Die staatliche Subventionierung der Versicherungsanbieter verstößt ebenso gegen die marktwirtschaftliche Ordnung, wie die Rettung von Banken und der Bail-out von Staaten.
Die Kriegserfahrung bestimmte das Handeln Helmut Kohls und sie verdrängte Risiken. Der historische Bezug wischte diese einfach weg. Diese wohlwollende Interpretation halte ich für unbedingt bedenkenswert.
Die Rolle des Deutschen Bundestags als begleitende und nahezu unkritische Institution verdient ebenso eine eingehendere Betrachtung. Bestandteil der Dissertation von Jens Peter Paul ist auch eine Studie unter Bundestagsabgeordneten aus der ich wie folgt zitiere:
Die staatliche Subventionierung der Versicherungsanbieter verstößt ebenso gegen die marktwirtschaftliche Ordnung, wie die Rettung von Banken und der Bail-out von Staaten.
Die Kriegserfahrung bestimmte das Handeln Helmut Kohls und sie verdrängte Risiken. Der historische Bezug wischte diese einfach weg. Diese wohlwollende Interpretation halte ich für unbedingt bedenkenswert.
Die Rolle des Deutschen Bundestags als begleitende und nahezu unkritische Institution verdient ebenso eine eingehendere Betrachtung. Bestandteil der Dissertation von Jens Peter Paul ist auch eine Studie unter Bundestagsabgeordneten aus der ich wie folgt zitiere:
Ergebnis 2: Die Bundestagsabgeordneten fühlten sich bei der Beschlußfassung über die Euro-Einführung normativen Zwängen ausgesetzt. Sie waren subjektiv nicht in der Lage, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. Drei Viertel der im Rahmen dieser Studie befragten Bundestagsabgeordneten erklären, es treffe teilweise oder völlig zu, daß ihnen eine Option, den Euro noch zu stoppen, nach 1992 bei realistischer Betrachtungsweise nicht mehroffengestanden habe. Dieser Befund erlaubt den Schluß, daß die Frage, ob Deutschland ab 1999 an der Währungsunion teilnehmen werde, nicht mehr in der Hand des Parlaments als dem primären Schöpfer von Legitimität lag. Vielmehr waren die Abläufe von erheblichen normativen Zwängen mit einhergehendem Automatismus geprägt. Daraus erklärt sich auch eine interfraktionelle, mit einemVerbreitungsgrad von 33 Prozent nicht geringe Sehnsucht nach einem Referendum als zusätzlicher Legitimationsinstanz, die die Abgeordneten von einem Teil der Verantwortung entlastet hätte.(Seite 249)
Ein Referendum, weil die Funktion des Parlaments ausgehebelt wurde? Brauchen wir deshalb mehr Volksabstimmungen? Als Ersatz für das Parlament? Damit die Parlamentarier von ihrer Verantwortung entlastet werden?
In der Berliner Republik gilt inzwischen die Regel vom nichtintendierten Ergebnis als Normalfall des Gesetzgebungsprozesses. Und da etwas herauskommt, das niemand gewollt hat, ist auch niemand am Ergebnis schuld. Die Anzahl der beteiligten Instanzen (einschließlich Medien, Lobbyisten, Brüssel) verhält sich umgekehrt proportional zur individuellen Verantwortung für oft peinliche Nebenwirkungen. Bei der umgehend fälligen Nachbesserung geht der ganz normale Wahnsinn – gerne in noch höherem Tempo – von vorne los. (Seite 254)
Volksabstimmungen können kein Parlament ersetzen und schon gar nicht die Verantwortung übernehmen, denn die individuelle Verantwortung wird dann nicht nur umgekehrt proportional noch geringer, nein, sie verschwindet ganz. Macht muss verantwortungsbewusst genutzt werden, andernfalls geht sie auf die konkurrierende Macht über. Solch eine Verantwortung für die Initiatoren des Referendums und der abstimmenden Bürger, ist in Deutschland so nicht vorgesehen. Dafür wäre eine erheblicher Ausbau der föderalen Strukturen nötig.
Die schwindende individuelle Verantwortung gilt für das Parlament und den volksabstimmenden Souverän gleichermaßen. Nur dass sie letzterem noch viel leichter genommen werden kann.
Die schwindende individuelle Verantwortung gilt für das Parlament und den volksabstimmenden Souverän gleichermaßen. Nur dass sie letzterem noch viel leichter genommen werden kann.
Aber ich schweife ab. Helmut Kohl dachte nicht an ein Referendum das im Fall einer neuen Währung mit starkem wie auch schwachem Parlament, angebracht wäre. Gerade weil er davon ausging es zu verlieren:
Mitterrand hat mir immer gesagt, aber nicht nur er – alle: ,,Du mußt den Euro durchsetzen!“. Weil sie natürlich der Meinung waren, und zwar mit Recht: Wenn in Deutschland der Euro nicht kommt, kommt er nicht. Und unter deutschen Verhältnissen haben sie gesagt: Wenn der Helmut Kohl ihn nicht durchsetzt, macht es kein anderer. Aus dieser Grundhaltung heraus sind ja Entscheidungen gekommen. (Seite 285)
Eine Volksabstimmung hätte ich natürlich verloren, und zwar im Verhältnis 7 zu 3. Vor allem: Wen hätte ich denn als Weggenossen gehabt? So müssen Sie es doch einmal sehen! (…) Wenn wir die Schlacht eröffnet hätten – wäre er mit mir in die Schlacht gezogen? Also die Sozialdemokraten wären in weiten Teilen nicht mit in die Schlacht gezogen zugunsten des Euro, ganz sicher nicht. Dashätten ja der Oskar Lafontaine machen müssen und der Schröder. Die hätten nicht ,,Nein“ gesagt, aber gemacht hätten sie nix.Wir hätten die geballte Macht der PDS dagegen gehabt; im Osten ist das ja ganz unpopulär. Jetzt haben wir gerade die D-Mark – jetzt sollen wir sie schon wieder hergeben! Früher haben Sie geschrieen: Wenn die D-Mark nicht nach Leipzig kommt, gehen die Leipziger zur D-Mark! Bei uns war schon die Führung dafür.Aber wissen Sie: Wenn ich höre ,,Die Führung ist dafür“, dann muß man wissen: Was heißt ,,dafür“? (lacht) Da gibt es welche, die sagen: Und wenn die Kugeln kommen – ich stehe dafür! Und dann gibt es aber die größere Gruppe, die steht in der Nische. Und wenn das Unwetter der Geschichte heruntergeht, machen sie schnell die Tür zu, bis die Luft sauber ist. (Seite 286)
Das es kein Referendum in Deutschland gab, egal wie es ausgegangen wäre, ist nur ein Teil dieser gescheiterten Kommunikation die dem Visionär, welcher sich für den größeren Realisten hält, zum Opfer fiel. Ein anderer Teil ist der Deutsche Bundestag. Auch wenn Helmut Kohl den Euro wie ein Diktator durchsetzte, entlässt das die Legislative nicht aus ihrer Verantwortung.
In diesem Zusammenhang kann ich einen möglichen Einzug der AfD in den Bundestag nur begrüßen, auf dass er das Parlament stärke - von konservativer Seite. Und das dann diejenigen, welche Helmut Kohl in der Nische stehen sah „wenn die Kugeln“ kommen, das tun, was der politisch engagierte Wähler vom Parlamentarier erwartet:
Zu streiten für das, was er nach bestem Wissen und Gewissen will. Wenn man nicht mehr in der gleichen Partei ist, geht das ja vielleicht auch nicht mehr als "Desertion" durch und erleichtert das Einstehen für die eigenen Überzeugungen.
Das deutsche Arbeitsparlament braucht dringend mehr Kontroversen und weniger Konsens. Der Konsens ist der Deutschen Schwäche nicht, aber beim Streiten braucht unser Parlament mehr Übung.
Helmut Kohl hatte, wie er in dem Interview sagt, noch einen zweiten Traum. Den der deutschen Wiedervereinigung. Auch in diesem Fall ist er seinen Visionen gefolgt, hat seine Macht genutzt, durchzusetzen was er für richtig hielt. Weil er hinzu sprang, als der Mantel Gottes durch die Geschichte ging, wie er sich, Bismarck zitierend, ausdrückte.
In diesem Fall lag er richtig, beim Euro, wie es aussieht, nicht.
Uns Deutschen bleibt ein Kanzler der wie andere große Politiker der repräsentativen Demokratie, ein gehöriges Maß an Eigensinn besaß und damit viel bewegte. Das geht nicht immer gut und besser geht es, wenn das Parlament seine Verantwortung wahrnimmt.
Aber es waren deutsche Visionen und deutsche Entscheidungen des Kanzlers des Euros, Helmut Kohl. So etwas kann man nicht einfach ungeschehen machen in dem man sich abwendet und sagt, man braucht das jetzt nicht mehr. Es war die deutsche Politik eines in der Welt hoch geschätzten deutschen Bundeskanzlers.
Erling Plaethe
© Erling Plaethe. Die Zitate stammen aus der Dissertation von Jens Peter Paul "Bilanz einer gescheiterten Kommunikation".
Mit Dank an Die Achse des Guten, durch die ich auf die Arbeit von Jens Peter Paul aufmerksam wurde.
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