Auf den Fall bin ich durch die wöchentliche Kolumne von Delfeil de Ton im "Nouvel Observateur" aufmerksam geworden. Ein glänzender, satirisch- bitterer Autor, den ich seit Jahrzehnten sehr schätze. Einst ein Achtundsechziger, heute ein Liberal- Konservativer mit starken libertären Neigungen. Einer, der das "Il est défendu de défendre" ("Verbieten verboten") nicht gegen die Unterordnung unter eine maoistische oder sonstige Doktrin eingetauscht hat, wie fast alle seine anfänglichen Mitstreiter.
Es geht um Nguyen Van Ly.
Um wen? Ich vermute, daß die meisten Leser mit diesem Namen so wenig anfangen können, wie ich es konnte, bevor ich die Kolumne von Delfeil de Ton gelesen hatte. Denn Nguyen Van Ly wird nicht in den USA oder in sonst einem freien Land seiner Menschenrechte beraubt, sondern in Vietnam.
Zu den erstaunlichsten Erfahrungen meines politischen Lebens gehört es, mit welchem Gleichmut, um nicht zu sagen welcher Gleichgültigkeit, um nicht zu sagen welcher zynischen Gleichgültigkeit diejenigen, die mit Parolen wie "Ho - Ho - Ho Tschi Minh" und "Schafft zwei, drei viele Vietnams!" zwischen 1967 und 1975 durch die Straßen gezogen waren, es hingenommen haben, daß ihre Helden, an die Macht gelangt, eine der barbarischsten Diktaturen des Zwanzigsten Jahrhunderts errichteten.
Vietnam, das die Phantasie bis zum Sieg der Kommunisten so sehr beschäftigt hatte, wurde danach - sieht man von den anfänglichen Berichten über die Boat People ab - sozusagen zur Terra Incognita.
Von den Linken, deren gefeiertes Vorbild der vietnamesische Stalin Ho Tschi Minh gewesen war, ignoriert: Was scherte einen sein Geschwätz von gestern?
Aber auch von den anderen vergessen.
Totalitären Diktaturen erzeugen, sieht man von ihrer eigenen Propaganda ab, selten News. Das ist ja ein Aspekt jedes totalitären Systems, daß die Nachrichten aus dem betreffenden Land deckungsgleich werden mit der Regierungspropaganda dieses Landes.
Aber auch das, was eigentlich berichtenswert wäre, gelangt kaum in die Medien. Wie Diktaturen ihre Untertanen behandeln, das ist keine Meldung wert; es hat keinen News Value. Ja, sicher, da geht es nicht rechtsstaatlich zu. Das weiß doch jeder - was also darüber berichten?
Interessant wird es erst, wenn sich politisches Kapital aus solchen Meldungen schlagen läßt. Wenn also eine Verletzung von Menschenrechten mit den USA und/oder mit dem Kapitalismus in Verbindung gebracht werden kann. Dann rollt die Angela- Davis- Kampagne; die Älteren erinnern sich.
Nguyen Van Ly - das Foto zeigt ihn, wie ihm vor Gericht der Mund zugehalten wird - ist ein katholischer Priester und Menschenrechtler, der seit Jahrzehnten für Religionsfreiheit in Vietnam kämpft und der dafür bisher 15 Jahre in Gefängnissen verbracht hat. Schon 1983 wurde er von Amnesty International in die Betreuung als Gefangener aus Gewissensgründen aufgenommen.
Der aktuelle Anlaß dafür, daß in dieser Woche Delfeil de Ton über ihn schreibt, ist seine erneute Verurteilung zu acht Jahren Gefängnis am 30. März dieses Jahres.
Seine ersten Gefängnisstrafen verbüßte Pater Nguyen Van Ly von 1977 bis 1978 und von 1983 bis 1992 wegen "Widerstands gegen die Revolution und Zerstörung der Einheit des Volks". Im Oktober 2001 wurde er erneut wegen seines Eintretens für die Meinungsfreiheit zu 15 Jahren verurteilt; die Strafe wurde dann verkürzt, und er kam 2004 frei.
Als Mitglied einer Menschenrechts- Organisation wurde er jetzt erneut verurteilt, weil er die "nationale Sicherheit gefährdet" habe. Er hatte nämlich zum Boykott der bevorstehenden "Wahlen" aufgerufen.
Kommentar? Delfeil de Ton schreibt sarkastisch:
Eben habe ich den Namen "Nguyen Van Ly" als Suchbegriff bei Paperball eingegeben, das sehr vollständig die Berichterstattung der deutschen Presse dokumentiert. Das Resultat:
Aber ein Opfer des Kommunismus? Ehrlich, wen interessiert das?
Es geht um Nguyen Van Ly.
Um wen? Ich vermute, daß die meisten Leser mit diesem Namen so wenig anfangen können, wie ich es konnte, bevor ich die Kolumne von Delfeil de Ton gelesen hatte. Denn Nguyen Van Ly wird nicht in den USA oder in sonst einem freien Land seiner Menschenrechte beraubt, sondern in Vietnam.
Zu den erstaunlichsten Erfahrungen meines politischen Lebens gehört es, mit welchem Gleichmut, um nicht zu sagen welcher Gleichgültigkeit, um nicht zu sagen welcher zynischen Gleichgültigkeit diejenigen, die mit Parolen wie "Ho - Ho - Ho Tschi Minh" und "Schafft zwei, drei viele Vietnams!" zwischen 1967 und 1975 durch die Straßen gezogen waren, es hingenommen haben, daß ihre Helden, an die Macht gelangt, eine der barbarischsten Diktaturen des Zwanzigsten Jahrhunderts errichteten.
Vietnam, das die Phantasie bis zum Sieg der Kommunisten so sehr beschäftigt hatte, wurde danach - sieht man von den anfänglichen Berichten über die Boat People ab - sozusagen zur Terra Incognita.
Von den Linken, deren gefeiertes Vorbild der vietnamesische Stalin Ho Tschi Minh gewesen war, ignoriert: Was scherte einen sein Geschwätz von gestern?
Aber auch von den anderen vergessen.
Totalitären Diktaturen erzeugen, sieht man von ihrer eigenen Propaganda ab, selten News. Das ist ja ein Aspekt jedes totalitären Systems, daß die Nachrichten aus dem betreffenden Land deckungsgleich werden mit der Regierungspropaganda dieses Landes.
Aber auch das, was eigentlich berichtenswert wäre, gelangt kaum in die Medien. Wie Diktaturen ihre Untertanen behandeln, das ist keine Meldung wert; es hat keinen News Value. Ja, sicher, da geht es nicht rechtsstaatlich zu. Das weiß doch jeder - was also darüber berichten?
Interessant wird es erst, wenn sich politisches Kapital aus solchen Meldungen schlagen läßt. Wenn also eine Verletzung von Menschenrechten mit den USA und/oder mit dem Kapitalismus in Verbindung gebracht werden kann. Dann rollt die Angela- Davis- Kampagne; die Älteren erinnern sich.
Nguyen Van Ly - das Foto zeigt ihn, wie ihm vor Gericht der Mund zugehalten wird - ist ein katholischer Priester und Menschenrechtler, der seit Jahrzehnten für Religionsfreiheit in Vietnam kämpft und der dafür bisher 15 Jahre in Gefängnissen verbracht hat. Schon 1983 wurde er von Amnesty International in die Betreuung als Gefangener aus Gewissensgründen aufgenommen.
Der aktuelle Anlaß dafür, daß in dieser Woche Delfeil de Ton über ihn schreibt, ist seine erneute Verurteilung zu acht Jahren Gefängnis am 30. März dieses Jahres.
Seine ersten Gefängnisstrafen verbüßte Pater Nguyen Van Ly von 1977 bis 1978 und von 1983 bis 1992 wegen "Widerstands gegen die Revolution und Zerstörung der Einheit des Volks". Im Oktober 2001 wurde er erneut wegen seines Eintretens für die Meinungsfreiheit zu 15 Jahren verurteilt; die Strafe wurde dann verkürzt, und er kam 2004 frei.
Als Mitglied einer Menschenrechts- Organisation wurde er jetzt erneut verurteilt, weil er die "nationale Sicherheit gefährdet" habe. Er hatte nämlich zum Boykott der bevorstehenden "Wahlen" aufgerufen.
Kommentar? Delfeil de Ton schreibt sarkastisch:
Huit ans de prison pour le prêtre vietnamien Nguyen Van Ly. (...) Son crime ? Il a un comportement qui "met en danger la République socialiste du Vietnam", il mène une action contraire à la Constitution vietnamienne, "laquelle stipule que le Vietnam a un système de parti unique". Le parti unique impose une Constitution qui institue le parti unique, on ne voit pas ce que le prêtre Nguyen Van Ly peut dire là contre, sinon des sottises, et il est heureux que des photos montrent un policier qui plaque ses mains sur la bouche de l'accusé pour l'empêcher de les proférer.
Acht Jahre Gefängnis für den vietnamesischen Priester Nguyen Van Ly. (...) Sein Verbrechen? Er zeigt ein Verhalten, das "die sozialistische Republik Vietnam gefährdet", er handelt gegen die vietnamesische Verfassung, "welche in Vietnam ein Einparteiensystem bestimmt". Die Einheitspartei verordnet eine Verfassung, die die Einheitspartei institutionalisiert, es ist nicht einzusehen, was der Priester Nguyen Van Ly dagegen sagen könnte, höchstens Dummheiten, und es ist ein Glück, daß Fotos einen Polizisten zeigen, der dem Angeklagten die Hände über den Mund hält, um ihn daran zu hindern, das loszuwerden.
Eben habe ich den Namen "Nguyen Van Ly" als Suchbegriff bei Paperball eingegeben, das sehr vollständig die Berichterstattung der deutschen Presse dokumentiert. Das Resultat:
Leider gibt es keine Treffer zu Ihrer Suchanfrage.Tja, allgemeinere Formulierung. Wäre der Priester Nguyen Van Ly in den USA oder in einem den USA freundlich gesonnenen Land seiner Menschenrechte beraubt worden, dann hätte ich nicht einmal seinen Namen, sondern nur "Menschenrechte USA" als Suchbegriffe einzugeben brauchen, um eine reiche Berichterstattung der deutschen Presse zu erschließen.
Formulieren Sie Ihre Anfrage anders oder versuchen Sie es mit diesen Tipps:
- Überprüfen Sie die korrekte Schreibweise.
- Verwenden Sie weniger Wörter oder eine allgemeinere Formulierung.
Aber ein Opfer des Kommunismus? Ehrlich, wen interessiert das?