20. April 2007

Die Versendungsbedingungen der Deutschen Post und eine transplantierte Briefmarke. Eine wahre Geschichte

Eine Kundin der Deutschen Post will einen Brief verschicken. Einen etwas dickeren Brief, also wiegt sie ihn auf ihrer sehr genauen Briefwaage und ermittelt ein Gewicht von 48 Gramm. Da sie eine sorgsame Kundin der Deutschen Post ist, besitzt sie auch eine offizielle Tabelle, der zu entnehmen ist, was die Beförderung eines Briefs durch die Deutsche Post kostet.

Bis zu 50 Gramm sind das 90 Cent. Also klebt sie zwei schöne 45- Cent- Marken ("150 Jahre Tölzer Leonhardi-Fahrt") auf den Brief und geht zum Postschalter, wo sie noch anderes zu erledigen hat. Um den Brief gleich dort abzugeben.

Aber die Freimachung ist unzureichend, belehrt sie der Schalterbeamte. Denn der Brief wiegt zwar weniger als 50 Gramm, ist aber kein Brief im Standardformat. Sondern er hat das Format DIN A 4.

Die Kundin, die einen Sinn für Sparsamkeit und für Skurriles hat, nimmt den Brief mit nach Hause, entnimmt seinen Inhalt und tut ihn in einen Umschlag mit dem Standard- Briefformat.

Dann schneidet sie die beiden Briefmarken großräumig aus dem alten Umschlag heraus und klebt sie auf den neuen Umschlag.

Da sie nämlich einen Sinn für juristische Feinheiten und, wie gesagt, Skurriles hat, kennt sie ein Gerichtsurteil, wonach die Deutsche Post solche ausgeschnittenen und auf einen neuen Umschlag geklebten Briefmarken hinnehmen muß; natürlich nur, wenn sie noch heil und ungestempelt sind.

Die Kundin wirft den Brief, auf dem nun also der Schnipsel mit der sozusagen transplantierten Briefmarke klebt, in einen Briefkasten.

Vier Tage später hat sie ihn wieder. Versehen mit einem gelben Zettel, auf dem steht:
Zurück an den Absender, weil an dem zu entrichtenden Entgelt 90 Ct fehlen. (...) Einzelheiten über unsere Versendungsbedingungen erfahren Sie bei ihrer Filiale. Oder rufen Sie unseren Kundenservice an. (...) 0,06 EUR je Anruf im Festnetz.
Sechs Cent, das erscheint der Kundin kein unangenmessener Preis für die Aufklärung des Falls zu sein. Da sie einen Sinn für Hartnäckigkeit und, wie gesagt, Skurriles hat, ruft sie dort an.

Die dortige Sachbearbeiterin überlegt und ist zunächst ratlos. Aber dann dämmert es ihr; vielleicht guckt sie auch in ihren Unterlagen nach, das hört man ja nicht: Ja, die Deutsche Post akzeptiere ein Postwertzeichen, das auf die geschilderte Art auf einen neuen Brief gelangt sei. Aber über die dabei zu beachtenden Einzelheiten gebe es eine Vorschrift:

Der Kunde muß mit dem ersten Umschlag, nennen wir ihn den Umschlag A, bei einer Zweigstelle der Deutschen Post erscheinen. Sowie mit dem zweiten Umschlag, dem Umschlag B. Dann muß er durch Augenschein nachweisen, daß dort, wo die Briefmarke saß, jetzt ein Loch im Umschlag A ist. Und daß das Stück vom Umschlag A, das nun samt der Briefmarke auf dem Umschlag B klebt, in seinem Umriß identisch ist mit der Form des Lochs in A.



So jedenfalls hat die Kundin das verstanden, was ihr die Sachbearbeiterin erläuterte.



So weit mag die Geschichte niemanden überraschen, der Kunde der Deutschen Post ist und also ein realistisches Bild von ihr hat.

Jetzt aber kommt etwas Erstaunliches: Für das, was ihr, der Kundin widerfahren war, hat ihr die Sachbearbeiterin von der Deutschen Post eine Entschädigung versprochen!

Demnächst, so hat es die Sachbearbeiterin angekündigt, erhält die Kundin - meine Frau übrigens - von der Deutschen Post Briefmarken zum Geschenk.