Am 23. Februar 2025 wurde der deutsche Bundestag gewählt, zwei Monate nachdem die Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz am 16. Dezember 2024 wie von ihm beabsichtigt gescheitert war. Vorausgegangen war eine Koalition aus SPD, Grüne und FDP: eine Koalition, die sowohl innerlich seit Langem knirschte als auch in den Wahlumfragen schlecht bewertet wurde.
Das Ergebnis der Wahl war für die Ampel-Koalition desaströs. Zusammen verloren die drei Koalitionäre fast 20 Prozent der Stimmen. Die FDP flog sogar aus dem Bundestag. Hauptgewinner war die AfD mit über 10 Prozent absolutem Stimmenzuwachs. Auch die CDU, das BSW und die Linke gewannen dazu.
In den folgenden zwei Wochen nach der Wahl passierte Ungeheuerliches: der mutmaßliche nächste Bundeskanzler Merz erzwang zwei „Sondersitzungen“ des abgewählten Bundestages, änderte mit dem abgewählten Bundestag die Verfassung und zementierte so die politischen und juristischen Rahmenbedingungen der höchsten Legislative (also des nächsten Bundestages) und der nächsten Exekutive (der Regierung).
Dabei habe ich bewußt nicht die Formulierung „fiskalische Rahmenbedingungen“ gewählt. Denn diese Verfassungsänderung ändert nicht nur die Regeln der Schuldenaufnahme; diese Verfassungsänderung legt auch gleich noch fest, wofür das Geld ausgegeben wird.
Die Reaktion von Medien und Wählern sind moderat ausgefallen. Anders kann man das nicht bezeichnen, wenn man sachlich die Tragweite und irregulären Umstände des Vorgangs berücksichtigt. Die Vermutung liegt nahe, daß – hätte eine konservativ-bürgerliche Koalition unter Einschluß der AfD so etwas gewagt – Deutschland gebrannt hätte. Und zwar wortwörtlich.
Aber in diesem Fall werden die Regeln vor allem gebeugt, um die AfD auszuschließen – und das scheint wenig Widerstand zu erzeugen. Trotzdem gibt es ein wenig Unruhe in Deutschland; einige wenige Medien kritisieren Merz und die Verfassungsänderung mittels „Sondersitzung.“ Und auch einige wenige Prozent Wähler sind verärgert; in den Wahlumfragen steigt die AfD um 1 bis 3 Prozent, und die CDU sinkt entsprechend.
Merz und die CDU haben auf diese moderate Kritik mit einer These reagiert. Ich möchte sie die „moderne Dolchstoß-These“ nennen. Diese These lautet:
Absolut alles, was in den zwei Wochen nach der Bundestagswahl passiert ist, sei die alleinige Schuld der AfD-Wähler. Ob es die Aufhebung der Schuldengrenze war, die Aufnahme der Zweckbindung der Mittel zum Klimaschutz in die Verfassung, die weitere unbegrenzte Migration nach Deutschland, die Fortführung des sogenannten Heizungsgesetzes: alles Schuld der AfD-Wähler.
Denn wenn alle AfD-Wähler die CDU gewählt hätten, dann hätte die CDU eine absolute Mehrheit der Wählerstimmen bekommen. In diesem Fall hätte die CDU auch keine Kompromisse eingehen müssen und dann hätte die CDU Deutschland gerettet.
Mit dieser These möchte ich mich an dieser Stelle auseinandersetzen.