21. April 2025

Streiflicht: Von Moral und Soziopathen

Wer die letzten Tagen schonmal durch Twitter liest, dem mag ein kleines Video aufgefallen sein, dass von verschiedenen Personen in der einen oder anderen Version gepostet wurde. Beispielsweise hier. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus einem (erstaunlicherweise noch nicht gelöschten) YouTube Video, dass von einem Social-Media-Berater(?) der SED vor knapp einer Woche dort gepostet wurde (und vermutlich auch auf anderen Plattformen zu finden sein dürfte. Jedenfalls noch.). 

Der Autor nennt sich Dara Marc Sasmaz und kommentiert in seinem Video Ausschnitte aus der Reportage "Klar",  die bei diversen Vertretern des linken bis linksextremen Mainstreams derzeit für sehr viel Unmut sorgt. 

Es lohnt sich, sich die 139 Sekunden einmal anzusehen (das komplette Video sei nur aus dem Grunde verlinkt, um dem zu erwartbaren Vorwurf zu begegnen, der Ausschnitt sei "aus dem Kontext gerissen", was man klar als falsch nachvollziehen kann). 

Nun macht es hier nur bedingt Sinn, sich, wie das auf Twitter eben üblich ist, massiv zu ermpören. Wie kann er nur? Wie kann man sich so pietätlos äußern? Und was sagt die SED dazu? Warum ist der Post noch online? Haben die keinen Anstand? Soll Twitter machen. Bitteschön.

Ich für meinen Teil finde etwas anderes viel bezeichnender. Was Dara hier zeigt ist schlicht das offene Gesicht eines Soziopathen, bzw. eines Psychopathen, der seine Maske nicht trägt. Was man nicht oft sieht. Zum einen sind echte Psychopathen (zum Glück) recht selten, zum anderen haben selbst die, die mit diesem Schicksal geschlagen sind, in der Regel gelernt das zu verstecken. Hier wird es offen gezeigt und in dem Sinne ist es, das muss man betonen, ehrlich. Eine solche Verachtung von menschlichem Leid wird selten zur Schau getragen.

Und die Frage entsteht: Warum macht er das? Das er es empfindet ist eine Sache, Psychopathen empfinden kein Mitleid, aber warum ist ihm der Anstand hier durch gegangen? Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob er Mitleid generell nicht empfinden kann (womit er ein Psychopath wäre) oder ob er in der Lage ist, es selektiv für bestimmte Gruppen auszuschalten (womit er ein Soziopath wäre). 

Und die Antwort scheint mir erschreckend wie am Ende doch naheliegend zu sein. Weil er die selbe Menschenverachtung, die er vorgibt selber abzulehnen, zutiefst verinnerlicht hat. Weil er durch seine selbstempfundene moralische Überlegenheit nicht mehr gemerkt hat, dass die Maske gefallen ist, die er sonst vermutlich im Alltag trägt. Man muss bedenken, dass es sich hier nicht um eine Spontanäußerung handelt, er hat das Video gemacht, es geschnitten, mit Sicherheit geprüft und dann bewusst gepostet. 

Damit hat er eine zentrale Eigenschaft mit den Menschen gemeinsam, die er selbstempfunden als die schlimmsten auch nur denkbaren Menschen klassifizieren würde. Denn das ist eine zentrale Eigenschaft der Nazis gewesen. Wenn man sich mit Nazis beschäftigt und die ewig wabbernde Frage dazu mitschleppt "Wie konnten die gleichzeitig solche Monster sein und eine Familie haben?", dann liegt die Antwort in der selben Antwort wie oben: Weil sie kein Mitleid gegenüber denen empfunden haben, die sie ablehnen. In dem Sinne waren viele Nazis durchaus in der Lage Gefühle wie Mitleid, Zuneigung, Liebe, zu empfinden (oder zumindest zu simulieren), aber selektiv auf einzelne Gruppen unter völliger Ignoranz anderer. 

Und das waren sie, und das ist eigemtlich die erschreckendste Erkenntnis, aus einem Gefühl der moralischen Überlegenheit heraus. Die Nazis haben sich nicht als Verbrecher empfunden, sie haben gegenüber ihren Opfern kein Gefühl des Unrechts oder des Mitleids empfunden. Und genau das zeigt Dara hier auch, eine völlige Neutralität, so lange sein moralisches Narrativ dabei für ihn in Ordnung ist.

Die beängstigende Frage, die am Ende übrig bleibt, ist, ob der Mann von vorneherein so gewesen ist (die moderne Psychologie geht davon aus, dass sich echte Psychopathen in der Kindheit bilden), oder ist seine nicht vorhandenen Empfindung gegenüber anderen ein erlerntes Verhalten, dass sich aus dem Gefühl der moralischen Überlegenheit ergibt. Wenn letzteres der Fall wäre, dann wäre das die vermutlich dunkelste Erkenntnis, die mir seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten über die Füße gelaufen wäre, denn es würde nichts anderen bedeuten, dass in jedem von uns ein solcher Menschen stecken könnte, wenn er sich selber nur als moralisch überlegen empfindet. 

Mein Denkprozess ist nicht abgeschlossen, aber das Empfinden moralischer Überlegenheit, scheint mir mitunter die schlimmste Eigenschaft zu sein, die ein Mensche inne haben kann. 

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Llarian

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