10. Januar 2010

Zitat des Tages: "Ernährung ist keine Privatsache". Eine Redakteurin der SZ fordert ein Fleisch-Tabu

Fleisch ist eine grandiose Energiequelle, flüstern uralte Instinkte, und Energie ist gut. Macht uns schnell. Stark. Klüger als die Tiere. Macht uns zum Homo sapiens. Inzwischen brauchen wir kein Fleisch mehr, um zu überleben. Aber tief in unserem Innersten wollen wir es bis heute, um die Löwen zu überlisten. Wir grillen und rösten und braten es. Wir räuchern und pökeln es. Wir nehmen es bleu oder medium oder well done. Der Rest ist Beilage.

Dieses Stück lyrische Prosa ist in der aktuellen Wochenendausgabe der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen. Die Autorin, Petra Steinberger, ist Mitglied des politischen Feuilletons der SZ "mit den Schwerpunkten Urbanismus, Naher Osten und, zunehmend, Umwelt". Gelegentlich schreibt sie auch für die "Zeit".


Kommentar: Der Beitrag faßt in einer zum Teil drastischen Sprache ("Rinder, Schweine, Vögel werden mit gebrochenen Gliedern zur Schlachtbank gezerrt, schwitzen Todesangst, sind oft nicht einmal tot, wenn sie aufgeschnitten, gerupft, in kochendes Wasser geworfen werden") die bekannten Argumente für eine vegetarische Lebensweise zusammen.

Mir erscheinen manche dieser Argumente (z.B. das unnötige Leid der Tiere durch die Massentierhaltung und die Art des Schlachtens) einleuchtend, andere nicht. Wie man solche Argumente bewertet, zu welchem Schluß man für sich selbst kommt, ist eine Sache der persönlichen Entscheidung.

So war es jedenfalls bisher. Das um sich greifende totalitäre Denken (siehe "Hilft nur noch die Öko-Diktatur?"; ZR vom 6. 12. 2009) macht aber inzwischen auch vor diesem Thema nicht mehr halt.

Denn so sehr Petra Steinberger sich in ihrer Argumentation an die Standard- Argumente aller Vegetarier hält - in einem Punkt weicht sie radikal vom bisherigen Vegetariertum ab.

Das Zitat geht nämlich so weiter: "... Den Ärmeren ließen wir Reis und Hirse und Sorghum. Wir wollten Fleisch. Das bekamen wir. Weit sind wir gekommen und fett geworden. Nur ist es inzwischen keine Privatsache mehr, was und wie viel wir essen".

Keine Privatsache mehr. Der klassische Vegetarier betonte, daß Ernährung Privatsache ist und daß er deshalb das Recht hat, abweichend von der Mehrheit vegetarisch zu leben. Jetzt erklärt Petra Steinberger uns im Namen des Vegetariertums, daß Essen keine Privatsache sei.

Also eine öffentliche Angelegenheit. Wie meint sie das, die Autorin mit zunehmend dem Schwerpunkt Umwelt? Wir ahnen es - natürlich geht es um das Schicksal unseres Planeten:
Schließlich wird die Verelendung ganzer Völker und Nationen auch durch die Zerstörung der Umwelt ausgelöst, durch Umweltverschmutzung, unsauberes oder mangelndes Wasser, Erderwärmung. Und auch hier spielt die Gier nach frischtoten Tieren eine Rolle, denn eine erschreckende Zahl macht seit kurzem die Runde: 51 Prozent! (...) Für mindestens 51 Prozent [der Klima erwärmenden Gase] ist der von Menschen für den menschlichen Konsum geschaffene Tierbestand verantwortlich - wenn man neben dem von den UN unterschätzten Methan auch Abholzung und Atmung einberechnet. Das ist nun überhaupt keine Privatsache mehr.
Und das Fazit? "Gelüste bleiben. Aber ihre Akzeptanz kann verändert werden. Wir brauchen neue Tabus".

Tabus, das sind bekanntlich Verbote.



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