11. März 2008

Marginalie: Wie John McCain Präsident werden könnte

Ja, natürlich, Geschichtliche Vergleiche hinken immer. Historische Parallelen sind stets problematisch. Geschichte wiederholt sich nicht. Die Zeiten ändern sich doch.

Dies zugestanden, ist es dennoch oft interessant und manchmal auch erhellend, historische Vergleiche zu ziehen. Vieles ist eben doch "schon einmal dagewesen"; wenn auch anders drapiert, sozusagen in die jeweilige Mode der Zeit gekleidet. Zumal, wenn man die Geschichte desselben Landes, derselben politischen Kultur betrachtet.

Das tut heute in der heutigen Washington Post Richard Cohen. Den Titel seiner Kolumne - "How the Democrats Could Lose", wie die Demokraten verlieren könnten - habe ich für diese Marginalie ins - aus meiner Sicht - Positive gewendet.



Die Parallele, die Cohen zieht, ist die zwischen dem Wahljahr 2008 und dem Wahljahr 1972.

Heute ist der Irak-Krieg in einer kritischen Phase; damals war es der Vietnam-Krieg. Die Positionen der beiden großen Parteien waren damals ähnlich wie heute: Die Republikaner wollten den Krieg bis zu einem ehrenhaften Ende durchstehen. Die Demokraten wollten ihn so schnell wie möglich beenden und die Jungs nach Hause holen.

Für die Republikaner trat damals der amtierende Präsident Nixon an, für die Demokraten der Friedens- Aktivist George McGovern. Nixon gewann haushoch; er holte 49 Staaten. Nur Massachusetts und der District of Columbia gingen an McGovern.

Auf die Parallele zwischen George McGovern und Barack Obama habe ich in einem früheren Artikel aufmerksam gemacht: Beide Hoffnungsträger der Linken; beide vor allem im akademischen Milieu verankert; beide mit Neigungen zum Weltverbesserertum; beide Friedenskandidaten in Kriegszeiten. Obama freilich heute mit ungleich besseren Chancen als damals McGovern, weil er Charisma hat und auch für Wählerschichten außerhalb des links- akademischen Milieus attraktiv ist.

Nixon holte damals seinen überwältigenden Sieg gegen McGovern trotz der Kriegsmüdigkeit eines immer größeren Teils der Amerikaner. Und zwar, weil er - schreibt Cohen - einen "Plan" hatte oder vielmehr so tat, als hätte er ihn:
John McCain lacks Nixon's raw talent for hypocrisy, so I don't think he'll go that far. But he will make his stand on the surge, and it will be, for him, the functional equivalent of Nixon's secret plan. His plan, McCain will say, is to win.

McCain hat nicht Nixons Naturtalent zum Heucheln; deshalb glaube ich nicht, daß er so weit gehen wird. Aber er wird sich auf den surge berufen [den erfolgreichen Feldzug gegen die El Kaida im vergangenen Jahr], und dieser wird für ihn das Gegenstück zu Nixons geheimem Plan sein. Sein Plan, wird McCain sagen, sei es, zu gewinnen.
Eine weitere Parallele sieht Richard Cohen auf der Seite der Demokraten. Diese hatten einander damals in den Vorwahlen heftig bekriegt, wie jetzt Clinton und Obama:
The result was a national convention that was boisterous, unruly and ugly to look at. That convention might, however, look like a tea party compared with what could happen in Denver this August.

Das Ergebnis war ein Nominierungs- Parteitag, der, chaotisch und regellos, ein abstoßendes Bild bot. Dieser Parteitag könnte jedoch im Vergleich zu dem, was vielleicht im August in Denver bevorsteht, wie ein Teekränzchen erscheinen.
Nixon hatte damals den Nationalstolz der Amerikaner angesprochen und den Demokraten Defätismus vorgeworfen. So könnte es, meint Cohen, auch diesmal wieder laufen:
You can see it all happening again: a Republican charging that the Democrats are defeatist, soft on national security and not to be trusted with the White House. And you can see the Democratic Party heading toward Denver for yet another crackup. (...) A year ago, it looked like the party could not lose. This year, it seems determined to try.

Es bahnt sich alles wie damals an: Ein Republikaner, der den Vorwurf erhebt, die Demokraten seien defätistisch und weich in Sachen nationale Sicherheit; sie seien Leute, denen man das Weiße Haus nicht anvertrauen kann. Und die Demokraten bewegen sich erkennbar darauf zu, in Denver erneut in sich zusammenzukrachen. (...) Vor einem Jahr sahen sie wie die Partei aus, die nicht verlieren kann. In diesem Jahr scheinen sie entschlossen, das zu versuchen.


Richard Cohen schildert das aus einer Perspektive, die Sympathie für die Demokraten erkennen läßt. Er schreibt sozusagen aus der Pose des Warners heraus. Aus meiner Sicht gibt seine Analyse Anlaß zur Hoffnung. Noch liegt zwar John McCain in den meisten Umfragen hinter Clinton oder Obama. Aber es gibt auch schon Umfragen, die ihn vorn sehen.

Und wenn sich der Wahlkampf so entwickelt, wie Richard Cohen es prognostiziert - eine Selbstzerfleischung der Demokraten, während McCain in Ruhe (freilich auch um den Preis einer geringeren Medienpräsenz) den eigentlichen Wahlkampf vorbereiten kann -, dann wird im nächsten Jahr vielleicht wirklich John McCain und nicht Hillary Clinton oder Barack Obama als der 44. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.

Das würde mich freuen.

Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.