4. März 2008

Marginalie: Was hat die Dittscherisierung mit einem Aufpustmodul gemeinsam? Und woher kommt das Montagerheiterungspotential solcher Wörter?

Antwort auf Frage eins: Beides sind aktuelle Neologismen. Genauer: Ganz aktuelle Neologismen, erstmals erfaßt am 29. März in der Liste von 24 neuen Wörtern, serviert von der Wortwarte Tübinger Linguisten. Immer sehr amüsant zu lesen. Auch wenn einem manche dieser Neuschöpfungen so ganz neu nicht vorkommen; zum Beispiel das "Mobilheim" vom 25. 2. 2008.



Kaum eine Sprache eignet sich so zur Bildung von Neologismen wie das Deutsche. Man könnte sagen, diese Sprache ist sozusagen ein Algorithmus zum Generieren von Neologismen.

Denn was man in anderen Sprachen dadurch ausdrückt, daß man es mit Worten beschreibt, das wird im Deutschen oft sprachlich gefaßt, indem man ein langes - manchmal sehr langes - zusammengesetzten Wort erfindet, "six or seven words compacted into one, without joint or seam", wie es Mark Twain in seinem Aufsatz über die fürchterliche deutsche Sprache formuliert; sechs oder sieben Wörter in eine einziges gedrängt, ohne Naht oder Gelenk. Das Ergebnis sind Wörter aus dem überkommenen Schatzkästlein wie das legendäre
Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitän
oder das ebenfalls klassische
Generalstaatsverordnetenversammlung;
aber eben auch die ständig neu entstehenden Neologismen, wie sie von der Tübinger Wortwarte gesammelt werden. In den letzten Tagen entdeckte ihre Suchmaschine zum Beispiel
Krankheitskostenerstattungsschnorrer
und, auch sehr hübsch,
Liebesverwirklichungsersatz.
Und jetzt bin ich gespannt, wie lange sie braucht, die Tübinger Suchmaschine, um
Montagerheiterungspotential
aufzuspüren.

Habe ich das etwa eben erfunden? Keineswegs. Ich habe es gestern vorgefunden, und zwar in "Zettels kleinem Zimmer", geschrieben von Reader.



Nun zur Frage zwei:

Woher kommt das Montagerheiterungspotential von Wörtern wie
Montagerheiterungspotential,
warum finden wir das lustig? Einen Hinweis gibt vielleicht der zitierte Aufsatz von Mark Twain (Auszüge findet der eilige Leser hier).

Das meiste von den Bemerkungen über die deutsche Sprache, mit denen Twain seine englischsprachigen Leser erheitert, kann man als Deutschsprachiger nämlich kaum lustig finden. "Wegen des Regens" - darüber macht Twain seine Witze. Daß wir "die Engländerin" sagen und nicht einfach nur "Engländerin", das erscheint ihm urkomisch; "überbeschrieben" (overdescribed) werde die betreffende Person damit. Haha.

Kurz, lustig ist dergleichen für Mark Twain, weil es ihm ungewohnt ist; weil es seinen Erwartungen widerspricht. Er findet das Deutsche lustig, weil er sich darüber lustig machen kann.

Lachen ist - jedenfalls läßt sich das gut evolutionspsychologisch begründen - in seinem Kern die Reaktion auf ein Mißgeschick, das einem anderen widerfährt. Sich ungeschickt auszudrücken, etwas unnötig kompliziert zu sagen, zeigt Schwäche; regt also zum Lachen an.

Selbst dann, wenn es nicht Schwäche zeigt, sondern gezielt erfunden wurde, um diese Reaktion bei uns auszulösen. Wie bei Readers Neologismus, der witzig ist, intelligent und ironisch.

Dazu, das hinzubekommen, gehört freilich eine gute Portion Montagerheiterungspotential.

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