13. Dezember 2006

Rückblick: Verbieten, regulieren, kontrollieren

Um's Verbieten und Regulieren ging es hier kürzlich zweimal: Um das beabsichtigte Verbot des Rauchens in Gaststätten und zuvor um das von einigen Politikern geforderte Verbot von Killerspielen.

Blickt man heute in die Nachrichten, dann findet man beides weiterhin als innenpolitische Hauptthemen. Die Ministerin Ulla Schmidt will jetzt, nachdem sie die Hoheit über die Luft in den Gaststätten nach Juristenmeinung nicht hat, sich mit einem "strengen Rauchverbot" in den Zügen der Deutschen Bahn schadlos halten. Ein insofern aparter Gedanke, als ja bisher das geplante Rauchverbot mit dem Schutz Unbeteiligter vor Erleiden des Passivrauchens begründet wurde. Wo mögen die in den Raucherabteilen der Züge sein?

Das Verbot von Killerspielen ist ebenfalls weiter in den Schlagzeilen. Und als wenn das nicht genug wäre: Ein Vorstoß zur Verschärfung der Kontrollen im Bereich des Lebensmittelrechts wird heute vom Land NRW angekündigt; natürlich in Gestalt eines Gesetzes oder einer Gesetzesänderung.

Genug für einen Tag? Nein, immer noch nicht. Als viertes Verbotsthema beschäftigt heute das Glücksspiel die Medien. "Lotto im Internet verboten" titelt die Online-Ausgabe des "Manager Magazin". Die Ministerpräsidenten haben sich, so heißt es in der Meldung, mit großer Mehrheit auf einen Staatsvertrag verständigt, der ein Verbot von Glücksspielen im Internet vorsieht, einschließlich Lotto.

Hübsch in diesem Artikel zu lesen ist die Stellungnahme eines Psychologen, der in Bremen über die Gefahren des Glücksspiels forscht:
Nach Ansicht des Bremer Suchtforschers Prof. Gerhard Meyer macht Lotto-Spielen nur selten süchtig. Nur sechs Prozent der Menschen in Beratungsstellen für Glücksspielsucht hätten Probleme mit Lotto. Meyer sprach sich aber für ein staatliches Glücksspielmonopol aus, "weil der Spielerschutz so effektiver umzusetzen ist als über private Anbieter." Private seien stark auf Gewinnsteigerung ausgerichtet.
Wenn ich Meyer nicht falsch verstehe, dann sagt er: Zu rechtfertigen ist ein Verbot von Lotto im Internet eigentlich nicht. Aber Schützen ist immer gut, und am besten schützt der Staat.



Il est interdit d'interdire - es ist verboten, zu verbieten. Das war einer der Slogans des Pariser Mai '68. Eine der Parolen aus der Frühzeit der damaligen Bewegung, als sie noch (auch, jedenfalls ein bißchen) liberal (oder libertär) war; das gab's ja mal, bevor man Marx zu lesen begann, statt weiter nur Coca-Cola zu trinken.

Was wir im Augenblick in Deutschland, in Europa erleben, das ist sozusagen die späte Rache an dieser liberalen Bewegung; nachgerade eine Orgie des Verbietens, des Regulierens, der Eingriffe in die Freiheit der Bürger.

Und es mag Zufall sein oder nicht - jedenfalls geht es im Augenblick um's Essen, um's Rauchen, um's Spielen. Also um die lustvolle Befriedigung von Bedürfnissen. Das hat die Tugendhaften schon vor Jahrtausenden auf den Plan gerufen, als sie noch im Gewand des Propheten auftraten. Verbieten - sich selbst und anderen -, das ist die Lust derjeniger, die ansonsten eher wenig Talent zur Lust haben.

Wie es bei Wilhelm Busch (Fipps der Affe, sechstes Kapitel) heißt:
Wer vielleicht zur guten Tat
Keine rechte Neigung hat,
Dem wird Fasten und Kastein
Immerhin erfrischend sein.