19. Juni 2013

Kurioses, kurz kommentiert: Gendergerechte Sprache in Country-Texten

Wie SPON heute berichtet, hat sich eine feministische Aktivistin in den USA endlich einer wirklich dringenden Aufgabe gewidmet: Die Country-Songs der Sängerin Taylor Swift werden via Twitter in eine gendergerechte Sprache übersetzt. Das liest sich dann so:

She wears high heels

I wear sneakers

We're each expressing our gender identities

in ways that make us feel comfortable

Solche Aussagen hätten Sie nicht in einem Country-Text erwartet? Sie kennen noch die herkömmliche Art der Country-Musik, in der die Sängerin über Liebe und andere Gefühle singt? Dann sind Sie vermutlich völlig von gestern.

Ein Country-Text kann doch heute unmöglich ohne die Erwähnung von »gender identities« verfasst werden. Man fragt sich: Wie konnten es die Leute nur so lange mit den alten Texten aushalten? Mit Texten ohne diese Zeilen:

It feels like a perfect night

For breakfast at midnight

To acknowledge that sex doesn't imply gender

Or vice versa

Uh-huh

Ist dieser Rhythmus nicht wunderbar?

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Bürger der untergegangenen DDR kennen das ja noch von früher: Wenn in der Kultur ein Text nicht nach dem politisch-ideologischen Kompass der SED ausgerichtet war, dann mussten Text und Autor umgehend auf die Parteilinie gebracht werden.

Daraus sollten die Aktivistinnen heute unbedingt lernen! In der nächsten Stufe der kulturellen Transformation wird die Sängerin Taylor Swift vermutlich zur öffentlichen Selbstkritik vor das zuständige Gender-Tribunal geladen. Oder das Parteilehrjahr wird als Gender-Lehrjahr zu neuem Leben erweckt …

In seinen schlimmsten Träumen hört mancher Bürger der damaligen DDR vielleicht noch den grauenhaften Gesang der FDJ-Singegruppen. Am Ende eines Schuljahres gab es kein Zeugnis, bevor nicht mehrfach der Refrain

Sag mir, wo Du stehst,

Sag mir, wo Du stehst,

Sag mir, wo Du stehst,

Und welchen Weg Du gehst.

gesungen war. Die Ideologen der SED und der FDJ haben aber damals auch schon (fast) den passenden Text für eine gendergerechte Ermahnung von Abweichlerinnen wie Taylor Swift verfasst:

Du gibst, wenn du singst, vielleicht dir die Blöße,

noch nie überlegt zu haben, wohin.

Du schmälerst durch Texte die eigene Größe,

ich sag dir, dann fehlt deinem Leben der Sinn.

(Die beiden kursiv gesetzten Wörter sind ausgetauscht. Der Text des bekanntesten FDJ-Liedes ist hier zu finden.)

Mancher Leser und manche Leserin mögen jetzt denken: Ach, das betrifft mich doch nicht. Ich mache mir sowieso nichts aus Country-Musik. Ich höre lieber Klassik. Dann warten Sie mal ab, bis der »Freischütz« und die »Entführung aus dem Serail« gendergerecht gemacht werden. Das Ballett »Romeo und Julia« wird schon in Sneakers geprobt ;-)

stefanolix

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