23. Juni 2013

Über das Recht zur Dummheit. Ein Gedankensplitter zum Rauchen und anderen dummen Dingen. Gastbeitrag von Llarian

Erwachsene Bürger können lesen. Zumindest wenn man den Untersuchungen der vereinten Nationen trauen darf, die für Deutschland eine Alphabetisierung von >99% angibt. Selbst unter der Annahme, dass die deutsche Gesellschaft noch die eine oder andere Million „funktionaler“ Analphabeten beherbergt, kann man davon ausgehen, dass nahezu jeder Erwachsene in der Lage ist den Satz „Rauchen kann tödlich sein“ oder „Raucher sterben früher“ lesen kann. Selbst wenn er, was lächerlich genug ist, bis zum Erreichen seines 18. Geburtstages noch nie von der Gefahren des Rauchens gehört hätte.

Diese oder andere schöne „Sprüche“ befinden sich nun seit einigen Jahren auf jeder Zigarettenschachtel, die in Deutschland verkauft wird. Doch sieht es derzeit so aus, als würde diese an für sich schon lächerliche Maßnahme der EU mal wieder nicht genügen. Sie würde gerne Schockbilder auf die Zigarettenpackungen drucken lassen. Nach anfänglichem Widerstand wird die Bundesregierung wohl jetzt mitmachen, die üblichen Verdächtigen aus dem grünen Lager quaken den Beifall schon länger dazu. (Siehe Berlin stimmt für Schockfotos, n-tv vom 16.6.2013.)

Ich erlaube mir mal die Frage zu stellen: Warum? Um den Bürger aufzuklären kann das jedenfalls nicht erfolgen. Das Schockbild liefert keinerlei zusätzliche Information gegenüber der schriftlichen Aussage (eher weniger). Und die kann der Erwachsene bereits vorher lesen. Wenn aber sein Wissenstand nicht erhöht werden soll, warum macht man es dann? Die Antwort ist wohl naheliegend: Um ihn zu erziehen. Das entspricht durchaus dem grünen Weltgedanken, aber es lohnt einen Moment darüber nachzudenken wie erschreckend das eigentlich ist. Der Staat stellt sich ganz offen hin und erklärt es für notwendig den mündigen Bürger zu einem bestimmten Verhalten zu erziehen, was der Staat für richtig hält. Der Bürger macht nichts falsch, er bricht keine Gesetze, er tut nur etwas wovon der Staat entscheidet, dass es falsch ist, das zu tun. Der Staat entscheidet, dass es dumm ist etwas bestimmtes zu tun. Und darum soll es ihm verleidet werden.

Nun ist Dummheit eine Frage der persönlichen Einschätzung, der persönlichen Lebenserfahrung und vor allem der persönlichen Präferenzen. Was der eine als dumm empfindet wird von dem anderen als sein Genuss oder persönliches Glück empfunden. Und umgekehrt. Ich persönlich halte es (aus meiner Perspektive) für dumm zu rauchen, denn es kostet einen (statistisch) sechs Jahre des ohnehin recht kurzen Lebens. Aber ich kann mich auch erinnern, dass ich, als ich noch geraucht habe, in der Lage war eine ganze Nacht durchzuarbeiten ohne Hunger oder Müdigkeit zu empfinden. Und da stellt sich die Frage was einem wichtiger ist und das muss man für sich selbst beantworten. Man kann vieles dumm finden. Zum Beispiel mit einem Flugzeug nach New York zu fliegen, um dort zu einer bestimmten Party zu gehen („welche eine Geldverschwendung“). Oder sich vier Stunden lang durch einen Schuhladen zu quälen, um ein paar Sandalen zu finden („welch eine Zeitverschwendung“). Oder auch nur sich jede Woche einen Burger zu gönnen („viel zu viel Fett“). Wenn man mal so durch seinen Alltag geht, dann wird man feststellen, dass man eine ganze Menge Dinge tut, die in den Augen anderer Menschen durchaus sehr dumm sind.

Ich meine es gibt ein fundamentales Recht sich „dumm“ zu verhalten. Es muss ein solches Recht geben. Und das die EU sich mehr und mehr anschickt die vermeintliche Dummheit dem Bürger abzuerziehen finde ich nicht nur bedenklich. Ich meine das es dringend (!) geboten ist dem Widerstand entgegen zu setzen. Zumal man sich nicht der Illusion hingeben sollte, dass es dabei bleiben wird. Man kann aus derselben Logik heraus viele „Dummheiten“ verleiden. Burger enthalten viel Fett und können somit zu Fettleibigkeit führen (Schock Bilder von dicken Menschen in Badehosen?). Alkohol kann zu Leberzirrhose und Demenz führen (Schockbilder von Harald Juhnke in der Klinik?). Fußball (ja, Fußball) ist eine durchaus verletzungsanfällige Sportart (Schockbilder von gerissenen Kreuzbändern?). Bei Computerspielen, insbesondere Egoshootern, wird seit Jahren ein Zusammenhang zu Amokläufen konstruiert (Schockbilder von Winnenden oder Erfurt?). Ich könnte diese Liste seitenweise fortsetzen. Es gibt eine Menge Dinge, die, aus der richtigen Perspektive gesehen, ziemlich dumm sind.

Jason Reitman lässt in seinem - nach meiner Meinung ziemlich genialen - Film „Thank you for smoking“ seinen Protagonisten folgendes aussagen: „Gentleman. It's called education. It doesn't come off the side of a cigarette carton. It comes from our teachers, and more importantly, our parents. It is the job of every parent to warn their children of all the dangers of the world including cigarettes so that one day when they get older, they can choose for themselves.“

Zwei Dinge aus diesem Statement halte ich für absolut zentral: Zum einen kommt Bildung nicht von dem was man auf eine Zigarettenschachtel druckt. Das würde ich auch für die Schockbilder so sehen wollen. Zweitens, wenn die Kinder von ihren Eltern (!) erzogen worden sind, dann können sie irgendwann für sich selbst wählen, was sie tun werden. Betonung liegt auf „selber wählen“.

Ich möchte nicht in einer Welt aufwachen wo alle nur noch Müsli und Tofu essen, Genussmittel verpönt und verboten sind, und in der nur noch ein gemeinsamer „common sense“ den Ton angibt.

Ich lebe in einer bunten Welt, in der es Menschen gibt, die sich abends die Kante geben, weil ihnen das Spass macht, es gibt Menschen die einmal bei McD rund um sich rum fressen, es gibt Menschen die sich gegenseitig Sahnetorten ins Gesicht werfen, weil sie das witzig finden und es gibt Menschen die sich einmal im Jahr zum Affen machen und nach einem Prinzen rufen der auf einem wackeligen Gefährt durch die Straßen gezogen wird (ein ziemlich dämlicher Brauch, wenn man mich fragt). Das heißt nicht, dass man keine Rücksicht aufeinander nimmt, aber Rücksicht kann eben auch bedeuten dem anderen seine Dummheiten zu gönnen.

Llarian

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