1. September 2009

Zitat des Tages: Wind ins Gesicht, Rückenwind. Die windigen Tricks der SPD könnten erfolgreich sein


Die SPD ist zurück. Die SPD will siegen, und die SPD kann siegen (...) Jetzt kämpfen wir mit Rückenwind.


Frank- Walter Steinmeier gestern in Hannover, nachdem seine Partei vorgestern bei der Wahl des Landtags im Saarland das schlechteste Ergebnis seit 1960, in Thüringen und Sachsen das jeweils zweitschlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung und bei den Kommunalwahlen in NRW ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt geholt hatte; siehe Landtagswahlen- Kaleidoskop. Wer hat eigentlich gewonnen, wer verloren?; ZR vom 31.8.2009.


Kommentar: Die SPD versucht, eine ihrer schlimmsten Niederlagen in einen Sieg umzudeuten. Die beiden Tricks, mit denen Müntefering und Genossen das zu bewerkstelligen suchen, sind denkbar einfach:

Erstens bemühen sie sich, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von ihren eigenen miserablen Ergebnissen abzulenken, indem sie die Verluste der CDU groß herausstellen.

Zweitens versuchen sie, im Saarland und in Thüringen mit Hilfe der Kommunisten an die Regierung zu kommen, um so den Eindruck zu erwecken, sie seien dort der Wahlsieger.

Werden sie mit diesen windigen Tricks Erfolg haben? Werden sie aus dem Wind, der ihnen am Sonntag ins Gesicht wehte, in der Wahrnehmung der Wähler einen Rückenwind machen können?

Gestern habe ich geschrieben, die Wähler seien "nicht so begriffsstutzig, den SPD- Großsprechern abzunehmen, daß sie im Grunde gesiegt hätten". Das denke ich immer noch. Dennoch könnte die Rechnung der tricksenden Genossen aufgehen.

Denn es geht ja nicht darum, wer bei den Wahlen am Sonntag in den Augen der Wähler gesiegt hat. Für den Schlußspurt im Wahlkampf entscheidend wird sein, welches der beiden Lager seine Anhänger besser mobilisieren kann.

Mobilisierung ist ein entscheidendes Moment in der Schlußphase jedes Wahlkampfs. In dieser Phase geht es darum, ob die eigenen Anhänger motiviert genug sind, um am Arbeitsplatz, um unter Freunden für ihre Partei zu werben. Es geht darum, welche Partei als die aktivere wahrgenommen wird; als diejenige, die im Wahlkampf die Themen setzt.

Offenbar nehmen die Anhänger der SPD ihrer Führung das Märchen vom erfolgreichen Wahlsonntag ab; sie möchten ja nur allzu gern glauben, daß es so sei.

In "FR- Online" schreibt Steffen Hebestreit über die gestrige Kundgebung der SPD in Hannover:
Knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl läutet die SPD die "heiße Phase" ein – und endlich verhageln die Ergebnisse mal nicht die Planung des Willy- Brandt- Hauses. (...) Erleichterung darüber, dass da etwas in Bewegung geraten ist, wie SPD-Chef Franz Müntefering den 8000 Zuhörern in Hannover zuruft. "Was kann die SPD besser als die anderen?", fragt er. "Alles", schreit junges Parteivolk. Jaha, das Selbstbewusstsein kehrt zurück.



Nicht die Realität bestimmt das Selbstbewußtsein, sondern die Wahrnehmung der Realität, wie verzerrt sie auch immer sein mag.

Und ist das Selbstbewußtsein erst mal da, dann ist es ohnehin egal, woher es stammt. Der Motivationstrainer Müntefering wird seiner Partei in den kommenden Wochen unermüdlich einhämmern, der Wahlkampf hätte eine Wende genommen und man sei jetzt auf der Siegesstraße. Erreicht er mit dieser Botschaft über den Transmissionsriemen der SPD- Anhänger die Masse der Wähler, dann könnte das eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden.

Die Kanzlerin hat gestern deutlich gemacht, daß sich an ihrer bisherigen "milden" Strategie nichts ändern werde.

Bisher ist diese Strategie ja auch erfolgreich gewesen. Bisher, das heißt in den Wochen und Monaten, in denen es nicht um Mobilisierung ging.

Ob es aber auch in der jetzt beginnenden Endphase des Wahlkampfs noch richtig ist, auf eine Emotionalisierung der eigenen Anhänger zu verzichten, das darf füglich bezweifelt werden. Ob die Botschaft "Die Kanzlerin hat uns doch prima durch die Krise gebracht. Also weiter so!" ausreicht, um der heißen Phase des Wahlkampfs den Stempel der Union aufzudrücken, ist zumindest fraglich.

Angela Merkel hat im Wahlkampf 2005 den Fehler gemacht, durch die Berufung des Professors Kirchhof in ihr Team den Wahlkampf in seiner Endphase über das Thema "Steuergerechtigkeit" zu emotionalisieren.

Sie hat daraus gelernt. Aber es könnte sein, daß sie nicht das Richtige gelernt hat. Nicht die Emotionalisierung als solche war damals der Fehler gewesen, sondern die Wahl des Themas, mit dem die Union den Wahlkampf emotionalisierte. Oder genauer: Mit dem sie dem Wahlkämpfer Schröder die Steilvorlage dafür lieferte, ihn in seinem Sinn zu emotionalisieren.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.