Die erste Analyse, die gestern kurz nach Schließung der Wahllokale hier zu lesen war, wurde durch die vorläufigen amtlichen Endergebnisse weitgehend bestätigt; mit nur wenigen kleinen Veränderungen: Im Saarland lag die SPD am Ende statt um vier nur noch um 3,3 Prozentpunkte vor den Kommunisten; in Sachsen schaffte die SPD doch noch einen hauchdünnen Vorsprung vor der FDP (10,4 zu 10,0 Prozent), und in Thüringen hätten Kommunisten und Sozialdemokraten mit zusammen 45 Sitzen (Kommunisten 27, SPD 18) jetzt auch ohne die Grünen eine knappe Regierungsmehrheit.
Sieht man sich diese Wahlergebnisse genauer an, dann zeigt sich ein komplexes Bild. Wie beim Schütteln eines Kaleidoskops kann man einmal dieses, einmal jenes Muster sehen. Wer sind eigentlich die Sieger, wer die Verlierer? Das hängt von der Perspektive ab, unter der man die Ergebnisse betrachtet; die Ergebnisse der drei Landtagswahlen und auch diejenigen der Kommunalwahlen in NRW.
1. Die CDU hat verloren, aber die SPD hat dadurch ihre Position nicht verbessert.
In der Analyse vor den Wahlen hatte ich das Bild eines Fußballspiels verwendet, in dem es bisher 1:0 für die Union stand. Seit gestern steht es 1:1; aber nur, weil die CDU ein Eigentor geschossen hat.
Sie hat in Thüringen fast zwölf Prozentpunkte verloren und mit 31,2 Prozent ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung erreicht. Sie ist im Saarland um ebenfalls mehr als zwölf Prozentpunkte abgestürzt. Auch dort ist das gestrige Ergebnis von 35,2 Prozent ein Tiefpunkt; nur einmal (1990) lag die Union im Saarland noch etwas niedriger.
Bei den Kommunalwahlen in NRW war der Rückgang glimpflicher, betrug aber immer noch fast fünf Prozentpunkte (von 43,4 auf 38,6 Prozent). Nur in Sachsen hat sich die Union gut gehalten; wohl ein Verdienst des populären Stanislaw Tillich.
Dieses überwiegend blamable Abschneiden der CDU war es, das gestern die SPD-Recken Müntefering und Steinmeier nachgerade euphorisch auftreten ließ. Offenbar hatten sie da noch keinen Blick auf die eigenen Ergebnisse geworfen:
Saarland 25,0 Prozent; das schlechteste Ergebnis seit 1960. Thüringen 18,5 Prozent und Sachsen 10,4 Prozent; die jeweils zweitschlechtesten Ergebnisse seit der Wiedervereinigung. Und in ihrem einstigen "Stammland" NRW erreichte die SPD noch ganze 29,4 Prozent; ein nochmaliger Rückgang gegenüber dem absoluten Tiefpunkt von vor fünf Jahren (31,7 Prozent).
Wenn Müntefering und Steinmeier über diese Ergebnisse jubeln, dann ist das nicht mehr nur das Pfeifen im Walde. Das ist eher schon ein nachgerade grotesker Realitätsverlust.
2. Die FDP ist der große Gewinner dieser Wahlen, aber zum Mitregieren reicht es wahrscheinlich nur in Sachsen.
Anders als Müntefering und Steinmeier konnte Guido Westerwelle gestern Abend zu Recht strahlen. Die FDP hat im Saarland ihren Stimmenanteil von 5,2 auf 9,4 Prozent fast verdoppelt. In Thüringen hat sie ihn von 3,6 auf 7,6 Prozent sogar mehr als verdoppelt. Der Zuwachs in Sachsen (von 5,9 auf 10,0 Prozent) liegt in derselben Größenordnung. In NRW kletterte die FDP von 6,8 auf 9,2 Prozent.
Eigentlich grandiose Erfolge. Aber weder im Saarland noch in Thüringen reicht es zu Schwarzgelb. In Thüringen ist die FDP mit Sicherheit in der Opposition; im Saarland bleibt die vage, unwahrscheinliche Möglichkeit einer Jamaika- Koalition. Der Glanz des FDP-Siegs verblaßt durch die Niederlagen ihres Wunschpartners CDU.
3. Die Grünen haben mager abgeschnitten, werden aber umworben.
In allen drei Ländern liegen sie ungefähr bei 6 Prozent; mehr als deutlich hinter der FDP. Aber im Saarland wäre sowohl eine Regierung aus SPD und Kommunisten als auch ein schwarzgelbes Bündnis auf sie angewiesen. Fast wäre es auch in Thüringen so gekommen.
4. Die Kommunisten dürften zu hoch gesiegt haben, um aus ihren Siegen etwas machen zu können.
In Thüringen könnten die Kommunisten zusammen mit der SPD regieren; im Saarland in einer Volksfront zusammen mit der SPD und den Grünen. Aber werden sie diese Partner auch bekommen?
In Thüringen sind sie mit ihrem besten Ergebnis seit der Wiedervereinigung (27,4 Prozent) den Sozialdemokraten mit ihrem zweitschlechtesten (15,5 Prozent) so überlegen, daß die SPD in einer Koalition der Kellner und sie der Koch wären; selbst dann, wenn sie großmütig auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichten sollten. Es ist sehr fraglich, ob sich die SPD auf das Abenteuer einlassen wird, sich in einem solchen Umfang den Kommunisten unterzuordnen.
Ähnlich im Saarland in Bezug auf die Grünen. Dort beträgt der Vorsprung der SPD vor den Kommunisten nur noch wenig mehr als drei Prozentpunkte. In einer Volksfront wären das die beiden fast gleichstarken Elefanten, die das Sagen hätten. Die Grünen mit ihren sechs Prozent wären das Mäuslein. Nicht gerade ein Anreiz, in eine solche Koalition zu gehen.
Was ändert sich durch diese Ergebnisse für die letzten vier Wochen des Wahlkampfs zum Bundestag?
Beim Nachsehen früherer Wahlergebnisse habe ich mich der exzellenten Tabellen auf Valentin Schröders WebSite Wahlen in Deutschland bedient; einer außerordentlich zuverlässigen und detaillierten Zusammenstellung von Wahlergebnissen von 1867 bis zu den aktuellsten Daten.
Dort werden für "Die Linke" auch Wahlergebnisse aus der Zeit aufgeführt, in der sie noch SED hieß. Bei den Landtagswahlen am 5.10.1950 erreichte ihre Liste im damals noch bestehenden Land Thüringen 99,1 Prozent.
Vestigia terrent.
Sieht man sich diese Wahlergebnisse genauer an, dann zeigt sich ein komplexes Bild. Wie beim Schütteln eines Kaleidoskops kann man einmal dieses, einmal jenes Muster sehen. Wer sind eigentlich die Sieger, wer die Verlierer? Das hängt von der Perspektive ab, unter der man die Ergebnisse betrachtet; die Ergebnisse der drei Landtagswahlen und auch diejenigen der Kommunalwahlen in NRW.
1. Die CDU hat verloren, aber die SPD hat dadurch ihre Position nicht verbessert.
In der Analyse vor den Wahlen hatte ich das Bild eines Fußballspiels verwendet, in dem es bisher 1:0 für die Union stand. Seit gestern steht es 1:1; aber nur, weil die CDU ein Eigentor geschossen hat.
Sie hat in Thüringen fast zwölf Prozentpunkte verloren und mit 31,2 Prozent ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung erreicht. Sie ist im Saarland um ebenfalls mehr als zwölf Prozentpunkte abgestürzt. Auch dort ist das gestrige Ergebnis von 35,2 Prozent ein Tiefpunkt; nur einmal (1990) lag die Union im Saarland noch etwas niedriger.
Bei den Kommunalwahlen in NRW war der Rückgang glimpflicher, betrug aber immer noch fast fünf Prozentpunkte (von 43,4 auf 38,6 Prozent). Nur in Sachsen hat sich die Union gut gehalten; wohl ein Verdienst des populären Stanislaw Tillich.
Dieses überwiegend blamable Abschneiden der CDU war es, das gestern die SPD-Recken Müntefering und Steinmeier nachgerade euphorisch auftreten ließ. Offenbar hatten sie da noch keinen Blick auf die eigenen Ergebnisse geworfen:
Saarland 25,0 Prozent; das schlechteste Ergebnis seit 1960. Thüringen 18,5 Prozent und Sachsen 10,4 Prozent; die jeweils zweitschlechtesten Ergebnisse seit der Wiedervereinigung. Und in ihrem einstigen "Stammland" NRW erreichte die SPD noch ganze 29,4 Prozent; ein nochmaliger Rückgang gegenüber dem absoluten Tiefpunkt von vor fünf Jahren (31,7 Prozent).
Wenn Müntefering und Steinmeier über diese Ergebnisse jubeln, dann ist das nicht mehr nur das Pfeifen im Walde. Das ist eher schon ein nachgerade grotesker Realitätsverlust.
2. Die FDP ist der große Gewinner dieser Wahlen, aber zum Mitregieren reicht es wahrscheinlich nur in Sachsen.
Anders als Müntefering und Steinmeier konnte Guido Westerwelle gestern Abend zu Recht strahlen. Die FDP hat im Saarland ihren Stimmenanteil von 5,2 auf 9,4 Prozent fast verdoppelt. In Thüringen hat sie ihn von 3,6 auf 7,6 Prozent sogar mehr als verdoppelt. Der Zuwachs in Sachsen (von 5,9 auf 10,0 Prozent) liegt in derselben Größenordnung. In NRW kletterte die FDP von 6,8 auf 9,2 Prozent.
Eigentlich grandiose Erfolge. Aber weder im Saarland noch in Thüringen reicht es zu Schwarzgelb. In Thüringen ist die FDP mit Sicherheit in der Opposition; im Saarland bleibt die vage, unwahrscheinliche Möglichkeit einer Jamaika- Koalition. Der Glanz des FDP-Siegs verblaßt durch die Niederlagen ihres Wunschpartners CDU.
3. Die Grünen haben mager abgeschnitten, werden aber umworben.
In allen drei Ländern liegen sie ungefähr bei 6 Prozent; mehr als deutlich hinter der FDP. Aber im Saarland wäre sowohl eine Regierung aus SPD und Kommunisten als auch ein schwarzgelbes Bündnis auf sie angewiesen. Fast wäre es auch in Thüringen so gekommen.
4. Die Kommunisten dürften zu hoch gesiegt haben, um aus ihren Siegen etwas machen zu können.
In Thüringen könnten die Kommunisten zusammen mit der SPD regieren; im Saarland in einer Volksfront zusammen mit der SPD und den Grünen. Aber werden sie diese Partner auch bekommen?
In Thüringen sind sie mit ihrem besten Ergebnis seit der Wiedervereinigung (27,4 Prozent) den Sozialdemokraten mit ihrem zweitschlechtesten (15,5 Prozent) so überlegen, daß die SPD in einer Koalition der Kellner und sie der Koch wären; selbst dann, wenn sie großmütig auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichten sollten. Es ist sehr fraglich, ob sich die SPD auf das Abenteuer einlassen wird, sich in einem solchen Umfang den Kommunisten unterzuordnen.
Ähnlich im Saarland in Bezug auf die Grünen. Dort beträgt der Vorsprung der SPD vor den Kommunisten nur noch wenig mehr als drei Prozentpunkte. In einer Volksfront wären das die beiden fast gleichstarken Elefanten, die das Sagen hätten. Die Grünen mit ihren sechs Prozent wären das Mäuslein. Nicht gerade ein Anreiz, in eine solche Koalition zu gehen.
Was ändert sich durch diese Ergebnisse für die letzten vier Wochen des Wahlkampfs zum Bundestag?
Die Union hat einen kräftigen Schuß vor den Bug bekommen. Das kann ihr nur guttun. Wer auf Sieg spielt, der muß sich, nachdem das 1:1 gefallen ist, in der Endphase des Spiels endlich anstrengen.
Ein Schuß vor den Bug kann Kräfte freisetzen. Mancher Wahlkämpfer der Union mag sich freuen, daß jetzt endlich Schluß mit dem Geplänkel ist und die Ärmel hochgekrempelt werden müssen.Der SPD ist es erneut so gegangen wie schon bei den Europawahlen: Das erhoffte positive Signal des Wählers ist ausgeblieben. Und dieser Wähler ist nicht so begriffsstutzig, den SPD- Großsprechern abzunehmen, daß sie im Grunde gesiegt hätten. Es wird vielleicht in den nächsten Tagen noch ein kleines Strohfeuer geben. Dann wird sich die SPD des ganzen Umfangs ihrer Misere bewußt werden.
Sie hat erbärmlich verloren, die SPD. Ein Heiko Maas, für den noch genau ein Viertel der Wähler gestimmt hat, ist kein jugendlicher Held, den man auf den Schild heben könnte. Eher schon eine jugendliche Variante des Ritters von der traurigen Gestalt. Und wie jener edle Mann von La Mancha mag die SPD sich jetzt in eine Traumwelt flüchten wollen. Riesen werden aus den Windmühlen deshalb nicht.Die FDP kann mehr als zufrieden sein. Sie hat durch diese Wahlen weiter an Statur gewonnen. Eigentlich sollte das jetzt genug an Selbstbewußtsein sein, um sie zu ermutigen, sich endlich auf die Koalition mit der Union festzulegen. Niemand wird sie nach den gestrigen Ergebnissen deswegen noch für ein Anhängsel der Union halten.
Wenn es am 27. September zu Schwarzgelb reicht, dann dank einer starken FDP. Das sollte auch die Union erkennen und sich ihrerseits auf die Koalition mit der FDP festlegen. Es ist jetzt, in der Endphase, Zeit für den Lagerwahlkampf, dessen Notwendigkeit Guido Westerwelle bereits in seiner Rede von Hannover im Mai schlüssig begründet hat.Den Kommunisten dürfte gestern ihr Hauptdilemma deutlich geworden sein: Solange sie vergleichsweise klein sind, können die beiden demokratischen Parteien SPD und Grüne in die Versuchung kommen, mit ihnen eine Volksfront zu bilden. Je stärker die Kommunisten aber werden, umso mehr wird diese Bereitschaft sinken. So weit traut man der einstigen SED vermutlich doch nicht, um sie noch einmal an die Schalthebel der Macht zu lassen.
Beim Nachsehen früherer Wahlergebnisse habe ich mich der exzellenten Tabellen auf Valentin Schröders WebSite Wahlen in Deutschland bedient; einer außerordentlich zuverlässigen und detaillierten Zusammenstellung von Wahlergebnissen von 1867 bis zu den aktuellsten Daten.
Dort werden für "Die Linke" auch Wahlergebnisse aus der Zeit aufgeführt, in der sie noch SED hieß. Bei den Landtagswahlen am 5.10.1950 erreichte ihre Liste im damals noch bestehenden Land Thüringen 99,1 Prozent.
Vestigia terrent.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt. Mit Dank an R.A.