In den vergangenen Wochen konnte man zeitweilig den Eindruck haben, daß die eigentlichen Antipoden in diesem Wahlkampf nicht die Union und die SPD sind, auch nicht das bürgerliche Lager und die Volksfront, sondern die CSU und die FDP.
Niemand drosch so auf eine andere Partei ein wie die CSU auf die FDP; allen voran der bayerische Berserker Horst Seehofer, der dem Franz- Josef Strauß selig nicht nur in Rhetorik und Sprechstil, sondern auch in der Hemmungslosigkeit seiner Injurien immer ähnlicher wird.
"Seehofer: 'Westerwelle ist Sensibelchen'" titelte das "Handelsblatt" am 7. August. "Seehofer piesackt die FDP weiter" lautete die Überschrift am 9. August in der "Rheinischen Post". Die "Welt" am 14. August: "Horst Seehofer giftet weiter gegen die FDP". Und so ging es weiter. In den letzten Tagen etwas moderater; aber wie einen künftigen Partner behandelt die CSU die FDP gewiß nicht.
Was ist da los?
Sicher spielt ein taktisches Moment eine Rolle. Die CSU fürchtet eine schwarzgelbe Koalition, in der die FDP deutlich stärker ist als sie selbst; siehe die neunte Folge der Serie "Wahlen '09". Gewiß ist es auch wahr, daß die im Kern immer noch konservative CSU programmatisch in einer schwarzgelben Koalition ein Antipode der FDP wäre; mit der CDU als dickem Weltkind in der Mitten.
Aber mir scheint, daß die Animositäten zwischen den Christsozialen und den Liberalen tiefere Ursachen haben. Um sie zu verstehen, empfiehlt sich ein Blick einige Jahrzehnte zurück; in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Wann ging eigentlich die Adenauerzeit zu Ende? Nicht am 13. Oktober 1963, als Adenauer nach seinem Rücktritt feierlich verabschiedet wurde. Erst recht nicht mit der Bildung der Großen Koalition am 1. Dezember 1966, die nicht nur das Scheitern des Kanzlers Ludwig Erhard bedeutete, sondern auch das Ende jener "bürgerlichen" Koalition, unter der sich der Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder abgespielt hatten.
Wenn man nach einem Ereignis sucht, welches das Ende der konservativ geprägten ersten Phase der Bundesrepublik markiert und damit den Eintritt in Ära, in der um die Freiheit des Bürgers gerungen und gestritten wurde, dann muß man einige Jahre weiter zurückgehen: Zur "Spiegel- Affäre" des Jahres 1962.
Ich habe einige Erinnerungen an sie kürzlich in den Nachruf auf Leo Brawand eingefügt. Brawand gehörte zu jener Gruppe von meist sehr jungen Journalisten (er war damals 22, Augstein 23 Jahre), die im Jahr 1946 vom britischen Major Seymour Chaloner dafür ausgesucht worden waren, das erste deutsche Nachrichten- Magazin zu redigieren: "Diese Woche", bald aus britischer Obhut entlassen und in "Der Spiegel" umbenannt. Brawand hat darüber viele interessante Details in seinem letzten Buch ("Der Spiegel - ein Besatzungskind. Wie die Pressefreiheit nach Deutschland kam"; 2007: Europäische Verlagsanstalt) zusammengetragen.
Bei der Lektüre dieser liebevoll- ausführlichen Beschreibung der Umstände, unter denen der "Spiegel" entstand, und der beteiligten Akteure ist mir etwas klargeworden, was ich so deutlich zuvor nicht gesehen hatte: Daß dieser "Spiegel" von Anfang an ein durch und durch liberales Blatt war.
Nicht, weil alle oder auch nur die meisten Redakteure der FDP nahegestanden hätten; das war nur bei einigen wie dem späteren Leiter des Ressorts "Deutschland I", Hans- Dieter Jaene, und bei Augstein selbst der Fall. (Zu Augsteins liberaler Gesinnung mögen Sie vielleicht meinen Nachruf lesen).
Aber es herrschte in dieser Redaktion vom ersten Tag an ein Geist der Freiheit, der auch vor der Autorität der Besatzungsmacht nicht halt machte. "Ihr wollt uns doch die Demokratie bringen - also müßt ihr uns auch frei schreiben lassen; gegebenenfalls auch Kritisches über die Besatzungsmacht und ihre britische Heimat": Das war das Credo dieser Truppe, die anfangs freilich eher Probleme von der Art zu lösen hatte, wie man eine Schere für das Zusammenkleben des Layouts beschafft.
Liberal ist der "Spiegel" in der Folgezeit geblieben; wozu zentral auch gehörte, den Mächtigen auf die Finger zu sehen und auch auf diese zu klopfen; ihren Machtansprüchen mindestens journalistisch entgegenzutreten.
Das führte zu dem Konflikt zwischen Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß, aus dem schließlich die "Spiegel"- Affäre hervorging.
Augstein sah in Strauß einen zwar hochintelligenten, aber auch machtversessenen Mann, der mit seiner Unberechenbarkeit nach Augsteins Überzeugung niemals Kanzler werden durfte. Um das zu verhindern, produzierte der "Spiegel" eine Kampagne nach der anderen gegen Strauß - die "Fibag- Affäre", die "Onkel- Aloys- Affäre", die "Starfighter- Affäre".
Das Ganze gipfelte in einer Titelgeschichte im April 1961 mit dem fast hellseherischen Titel "Der Endkampf", die Augstein selbst schrieb und in der er noch einmal alles vortrug, was sich gegen Strauß sagen ließ. Fazit damals: "Strauß hält die Spielregeln eines zivilisierten politischen Lebens nicht ein".
Strauß' Rache war die von ihm mit initiierte Polizeiaktion, die am 26. Oktober 1962 mit der Durchsuchung und Besetzung der Redaktionsräume des "Spiegel" begann. Der Grund - oder, je nach Sichtweise, der Vorwand - war die Titelgeschichte "Bedingt abwehrbereit" im "Spiegel" gewesen, deren Autor Conrad Ahlers nach Ansicht der Staatsanwaltschaft (sich stützend auf ein Gutachten aus Strauß' Ministerium) Landesverrat begangen hatte, indem er militärische Geheimnisse publizierte.
Der Ausgang der Sache ist bekannt: Einige "Spiegel"- Redakteure wurden in Untersuchungshaft gehalten; Augstein 103 Tage. Am Ende ging es aus wie das Hornberger Schießen: Der dritte Senat des Bundesgerichtshofs lehnte es mangels eines Tatverdachts ab, auch nur ein Hauptverfahren zu eröffnen. Strauß hatte bereits zuvor zurücktreten müssen, weil sich herausstellte, daß er entgegen dem, was er vor dem Bundestag behauptet hatte, sehr wohl im Hintergrund die Fäden mit gesponnen hatte.
Was aber weniger bekannt ist, das ist die entscheidende Rolle, welche die FDP beim erfreulichen Ausgang dieser Affäre spielte.
Sie war in doppelter Weise "betroffen": Zum einen wurde in der deutschen Öffentlichkeit die Auseinandersetzung zwischen Strauß und dem "Spiegel" als ein Kampf zwischen dem durch Strauß repräsentierten Obrigkeitsstaat und dem liberalen Rechtsstaat gesehen, für den Augstein stand. Die FDP sah sich in ihrer klassischen Rolle der Verteidigerin des liberalen Rechtsstaats herausgefordert und in die Pflicht genommen.
Zum anderen gab es einen tagespolitischen Aspekt: Der von Amts wegen zuständige Justizminister Wolfgang Stammberger (FDP) war auf Betreiben von Strauß nicht in die Aktion eingeweiht worden. Nachdem das publik geworden war, erklärte Stammberger seinen Rücktritt. Die anderen vier FDP-Minister (Finanzminister Starke, Innenminister Mischnick, Schatzminister Lenz und Walter Scheel, damals Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit) traten ebenfalls zurück, weil Adenauer sich geweigert hatte, den FDP-Forderungen nach der Entlassung der an der Aktion beteiligten Staatssekretäre und der vollständigen Aufklärung der Hintergründe zu entsprechen.
Damit war die Affäre zu einer Regierungskrise geworden. Adenauer konnte Strauß nun nicht mehr halten; dieser mußte am 30. November 1962 seinen Rücktritt erklären. Er zog sich später in die bayerische Landespolitik zurück, machte dann allerdings 1980 doch noch einmal einen Versuch, Kanzler zu werden.
Er scheiterte kläglich. Der liberale "Spiegel" hatte im Verein mit der FDP verhindert, daß Strauß Kanzler wurde. In fünfzig Jahren Bundesrepublik hat es nie einen CSU-Kanzler gegeben.
Ob Strauß das Handtuch hätte werfen müssen, wenn Stammberger und seine Kollgen nicht zurückgetreten wären, ist zumindest fraglich. Erst das Handeln der FDP schuf eine Situation, in der kein Weg mehr am Rücktritt von Strauß vorbeiführte. Das hat die CSU der FDP wohl nie verziehen.
Freilich ging es eben nicht nur um solche machtpolitische Fragen. Im Herbst 1962 entschied sich, wie es mit der Bundesrepublik weitergehen würde: Ob sie weiter der (gewiß demokratische und rechtsstaatliche) Obrigkeitsstaat der Ära Adenauer sein würde, oder ob sie sich auf den Weg zu einem liberalen Gemeinwesen machen würde.
Sie hat sich damals auf diesen Weg begeben. Nicht nur dank der Arbeit der "Spiegel"- Redaktion und der aufrechten Haltung der FDP. Wesentlich waren auch die bundesweiten Proteste und die vielfältigen Beweise der Solidarität.
Damals wurde sich sozusagen das bundesdeutsche Volk seiner Souveränität bewußt. Daß dann im Lauf der sechziger Jahre dieses liberale Aufbegehren die Grundlage für sozialistische Revoluzzerei sein würde, ist freilich eine traurige Ironie der Geschichte.
Niemand drosch so auf eine andere Partei ein wie die CSU auf die FDP; allen voran der bayerische Berserker Horst Seehofer, der dem Franz- Josef Strauß selig nicht nur in Rhetorik und Sprechstil, sondern auch in der Hemmungslosigkeit seiner Injurien immer ähnlicher wird.
"Seehofer: 'Westerwelle ist Sensibelchen'" titelte das "Handelsblatt" am 7. August. "Seehofer piesackt die FDP weiter" lautete die Überschrift am 9. August in der "Rheinischen Post". Die "Welt" am 14. August: "Horst Seehofer giftet weiter gegen die FDP". Und so ging es weiter. In den letzten Tagen etwas moderater; aber wie einen künftigen Partner behandelt die CSU die FDP gewiß nicht.
Was ist da los?
Sicher spielt ein taktisches Moment eine Rolle. Die CSU fürchtet eine schwarzgelbe Koalition, in der die FDP deutlich stärker ist als sie selbst; siehe die neunte Folge der Serie "Wahlen '09". Gewiß ist es auch wahr, daß die im Kern immer noch konservative CSU programmatisch in einer schwarzgelben Koalition ein Antipode der FDP wäre; mit der CDU als dickem Weltkind in der Mitten.
Aber mir scheint, daß die Animositäten zwischen den Christsozialen und den Liberalen tiefere Ursachen haben. Um sie zu verstehen, empfiehlt sich ein Blick einige Jahrzehnte zurück; in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Wann ging eigentlich die Adenauerzeit zu Ende? Nicht am 13. Oktober 1963, als Adenauer nach seinem Rücktritt feierlich verabschiedet wurde. Erst recht nicht mit der Bildung der Großen Koalition am 1. Dezember 1966, die nicht nur das Scheitern des Kanzlers Ludwig Erhard bedeutete, sondern auch das Ende jener "bürgerlichen" Koalition, unter der sich der Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder abgespielt hatten.
Wenn man nach einem Ereignis sucht, welches das Ende der konservativ geprägten ersten Phase der Bundesrepublik markiert und damit den Eintritt in Ära, in der um die Freiheit des Bürgers gerungen und gestritten wurde, dann muß man einige Jahre weiter zurückgehen: Zur "Spiegel- Affäre" des Jahres 1962.
Ich habe einige Erinnerungen an sie kürzlich in den Nachruf auf Leo Brawand eingefügt. Brawand gehörte zu jener Gruppe von meist sehr jungen Journalisten (er war damals 22, Augstein 23 Jahre), die im Jahr 1946 vom britischen Major Seymour Chaloner dafür ausgesucht worden waren, das erste deutsche Nachrichten- Magazin zu redigieren: "Diese Woche", bald aus britischer Obhut entlassen und in "Der Spiegel" umbenannt. Brawand hat darüber viele interessante Details in seinem letzten Buch ("Der Spiegel - ein Besatzungskind. Wie die Pressefreiheit nach Deutschland kam"; 2007: Europäische Verlagsanstalt) zusammengetragen.
Bei der Lektüre dieser liebevoll- ausführlichen Beschreibung der Umstände, unter denen der "Spiegel" entstand, und der beteiligten Akteure ist mir etwas klargeworden, was ich so deutlich zuvor nicht gesehen hatte: Daß dieser "Spiegel" von Anfang an ein durch und durch liberales Blatt war.
Nicht, weil alle oder auch nur die meisten Redakteure der FDP nahegestanden hätten; das war nur bei einigen wie dem späteren Leiter des Ressorts "Deutschland I", Hans- Dieter Jaene, und bei Augstein selbst der Fall. (Zu Augsteins liberaler Gesinnung mögen Sie vielleicht meinen Nachruf lesen).
Aber es herrschte in dieser Redaktion vom ersten Tag an ein Geist der Freiheit, der auch vor der Autorität der Besatzungsmacht nicht halt machte. "Ihr wollt uns doch die Demokratie bringen - also müßt ihr uns auch frei schreiben lassen; gegebenenfalls auch Kritisches über die Besatzungsmacht und ihre britische Heimat": Das war das Credo dieser Truppe, die anfangs freilich eher Probleme von der Art zu lösen hatte, wie man eine Schere für das Zusammenkleben des Layouts beschafft.
Liberal ist der "Spiegel" in der Folgezeit geblieben; wozu zentral auch gehörte, den Mächtigen auf die Finger zu sehen und auch auf diese zu klopfen; ihren Machtansprüchen mindestens journalistisch entgegenzutreten.
Das führte zu dem Konflikt zwischen Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß, aus dem schließlich die "Spiegel"- Affäre hervorging.
Augstein sah in Strauß einen zwar hochintelligenten, aber auch machtversessenen Mann, der mit seiner Unberechenbarkeit nach Augsteins Überzeugung niemals Kanzler werden durfte. Um das zu verhindern, produzierte der "Spiegel" eine Kampagne nach der anderen gegen Strauß - die "Fibag- Affäre", die "Onkel- Aloys- Affäre", die "Starfighter- Affäre".
Das Ganze gipfelte in einer Titelgeschichte im April 1961 mit dem fast hellseherischen Titel "Der Endkampf", die Augstein selbst schrieb und in der er noch einmal alles vortrug, was sich gegen Strauß sagen ließ. Fazit damals: "Strauß hält die Spielregeln eines zivilisierten politischen Lebens nicht ein".
Strauß' Rache war die von ihm mit initiierte Polizeiaktion, die am 26. Oktober 1962 mit der Durchsuchung und Besetzung der Redaktionsräume des "Spiegel" begann. Der Grund - oder, je nach Sichtweise, der Vorwand - war die Titelgeschichte "Bedingt abwehrbereit" im "Spiegel" gewesen, deren Autor Conrad Ahlers nach Ansicht der Staatsanwaltschaft (sich stützend auf ein Gutachten aus Strauß' Ministerium) Landesverrat begangen hatte, indem er militärische Geheimnisse publizierte.
Der Ausgang der Sache ist bekannt: Einige "Spiegel"- Redakteure wurden in Untersuchungshaft gehalten; Augstein 103 Tage. Am Ende ging es aus wie das Hornberger Schießen: Der dritte Senat des Bundesgerichtshofs lehnte es mangels eines Tatverdachts ab, auch nur ein Hauptverfahren zu eröffnen. Strauß hatte bereits zuvor zurücktreten müssen, weil sich herausstellte, daß er entgegen dem, was er vor dem Bundestag behauptet hatte, sehr wohl im Hintergrund die Fäden mit gesponnen hatte.
Was aber weniger bekannt ist, das ist die entscheidende Rolle, welche die FDP beim erfreulichen Ausgang dieser Affäre spielte.
Sie war in doppelter Weise "betroffen": Zum einen wurde in der deutschen Öffentlichkeit die Auseinandersetzung zwischen Strauß und dem "Spiegel" als ein Kampf zwischen dem durch Strauß repräsentierten Obrigkeitsstaat und dem liberalen Rechtsstaat gesehen, für den Augstein stand. Die FDP sah sich in ihrer klassischen Rolle der Verteidigerin des liberalen Rechtsstaats herausgefordert und in die Pflicht genommen.
Zum anderen gab es einen tagespolitischen Aspekt: Der von Amts wegen zuständige Justizminister Wolfgang Stammberger (FDP) war auf Betreiben von Strauß nicht in die Aktion eingeweiht worden. Nachdem das publik geworden war, erklärte Stammberger seinen Rücktritt. Die anderen vier FDP-Minister (Finanzminister Starke, Innenminister Mischnick, Schatzminister Lenz und Walter Scheel, damals Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit) traten ebenfalls zurück, weil Adenauer sich geweigert hatte, den FDP-Forderungen nach der Entlassung der an der Aktion beteiligten Staatssekretäre und der vollständigen Aufklärung der Hintergründe zu entsprechen.
Damit war die Affäre zu einer Regierungskrise geworden. Adenauer konnte Strauß nun nicht mehr halten; dieser mußte am 30. November 1962 seinen Rücktritt erklären. Er zog sich später in die bayerische Landespolitik zurück, machte dann allerdings 1980 doch noch einmal einen Versuch, Kanzler zu werden.
Er scheiterte kläglich. Der liberale "Spiegel" hatte im Verein mit der FDP verhindert, daß Strauß Kanzler wurde. In fünfzig Jahren Bundesrepublik hat es nie einen CSU-Kanzler gegeben.
Ob Strauß das Handtuch hätte werfen müssen, wenn Stammberger und seine Kollgen nicht zurückgetreten wären, ist zumindest fraglich. Erst das Handeln der FDP schuf eine Situation, in der kein Weg mehr am Rücktritt von Strauß vorbeiführte. Das hat die CSU der FDP wohl nie verziehen.
Freilich ging es eben nicht nur um solche machtpolitische Fragen. Im Herbst 1962 entschied sich, wie es mit der Bundesrepublik weitergehen würde: Ob sie weiter der (gewiß demokratische und rechtsstaatliche) Obrigkeitsstaat der Ära Adenauer sein würde, oder ob sie sich auf den Weg zu einem liberalen Gemeinwesen machen würde.
Sie hat sich damals auf diesen Weg begeben. Nicht nur dank der Arbeit der "Spiegel"- Redaktion und der aufrechten Haltung der FDP. Wesentlich waren auch die bundesweiten Proteste und die vielfältigen Beweise der Solidarität.
Damals wurde sich sozusagen das bundesdeutsche Volk seiner Souveränität bewußt. Daß dann im Lauf der sechziger Jahre dieses liberale Aufbegehren die Grundlage für sozialistische Revoluzzerei sein würde, ist freilich eine traurige Ironie der Geschichte.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Zweimal Augstein. Zwischen den beiden Aufnahmen liegen ungefähr vier Jahrzehnte. Eigenes Foto.