14. Januar 2009

Zitat des Tages: "Zurück zum Verbrennungsofen!" Gaza-Krieg und Antisemitismus. Über Nazi-Vergleiche

Go back to the oven! You need a big oven, that's what you need!

(Zurück zum Verbrennungsofen! Ihr braucht einen großen Verbrennungsofen, genau das!).

Äußerung einer Frau auf einer Kundgebung gegen Israel in Fort Lauderdale, Florida; mitgeteilt von Jonah Goldberg in seiner Kolumne in der Los Angeles Times.

Kommentar: Jonah Goldbergs Kolumne erschien schon vor einer Woche. Ich komme heute auf sie zurück, weil das, worüber er schreibt, in Deutschland in dieser Woche aktuell geworden ist: Reminiszenzen an die Nazi- Zeit im Zusammenhang mit dem Gaza- Krieg.

Lesen Sie bitte einmal diesen Bericht eines Augenzeugen:
... stand P. mit seiner Freundin auf der Straße, in unmittelbarer Nähe. Er hatte den Zug begleitet, weil er eventuelle Hetzparolen dokumentieren wollte. Was sich angesichts der Flaggen entwickelte, nennt P. "eine Lynchstimmung". "Tod Israel", sei von einigen Demonstranten geschrien worden, und "Verrecke!" (...)

Die Aktion der Polizei löste bei den Demonstranten Jubel aus. (...) Auch Gegenstände flogen gegen P.s Fenster, mit ziemlicher Sicherheit Eisbrocken, ein zusammengeklapptes Taschenmesser, ein Nagelknipser, möglicherweise auch Steine.

P. sagt, er sei "schockiert" gewesen. Aus Angst, in die eigene Wohnung zu gehen, sei er zunächst mit seiner Freundin in die Innenstadt weitergezogen. Etwa zwei Stunden später kam er zurück, mit seiner Freundin und einem Bekannten - doch noch immer standen Jugendliche vor dem Haus und warfen Gegenstände.
Sie werden wissen oder vermuten, worum es geht: Es ist der Bericht des Studenten, der in Duisburg Fahnen Israels in sein Fenster und an seinen Balkon gehängt hatte und dem, zwecks Entfernung der Fahnen, die Polizei die Wohnungstür eingetreten hatte. Entnommen habe ich dieses Zitat einem Artikel von Yassin Musharbash, der gestern Abend in "Spiegel- Online" erschien.

Schon zuvor hatte der Ruhrgebiets- Blog "Ruhrbarone" in zwei Beiträgen Berichte zu dem Vorfall gebracht.



Nicht wahr, was ich aus "Spiegel- Online" zitiert habe, könnte mit minimaler Veränderung (statt "Tod Israel" vielleicht "Tod den Juden") ein Bericht über eine Aktion der SA aus dem Jahr 1933 sein?

Noch beklemmender wird die Parallele, wenn man sich die Artikel in "Ruhrbaron" ansieht. Dort berichtete Stefan Laurin bereits am Samstag über den Vorfall in Duisburg und schloß Informationen aus Gelsenkirchen an:
Die Duisburger Polizei hat mit dieser Aktion ein absurdes Demokratieverständnis gezeigt. Gleiches gilt wohl auch für die Polizei in Gelsenkirchen. Am Rand der dortigen Demo, so das Blog Gelsenclan, wurde die Vergasung von Juden gefordert.
Und in dem zweiten Artikel von "Ruhrbarone" über den Duisburger Vorfall berichten David Schraven und Stefan Laurin aus einem Gespräch mit dem betroffenen Studenten unter anderem dies:
Dass die Polizei sich auf die Seite des, wie P. es nennt, "antisemitischen Mobs stellt" hat ihn erschreckt: "Ich weiß von Freunden aus den USA, dass dort die Polizei dafür sorgt, dass auch Demonstrationen für Israel in der Nähe arabischer Demonstranten stattfinden können und keine israelischen Fahnen verschwinden müssen." In Düsseldorf dagegen hätte die Polizei vor wenigen Tagen Gegendemonstranten einer pro- palästinensischen Kundgebung Platzverweise erteilt.
Was Jonah Goldberg über solche Demonstrationen in den USA berichtet, das ist - siehe das Eingangs- Zitat - nun allerdings auch beunruhigend.



Man soll mit Nazi- Vergleichen vorsichtig sein. Erstens, weil es sich meist um in der Größenordnung nicht Kompatibles handelt. Zweitens, weil solche Vergleiche häufig in propagandistischer Absicht eingesetzt werden; zur Verunglimpfung dessen, das Gegenstand des Vergleichs ist.

Ginge es nur darum, daß damals die Nazis Antisemiten waren und daß es heute - in Form von "Antizionismus" - diejenigen sind, die wie in Duisburg und Gelsenkirchen demonstriert haben, dann würde das einen Vergleich nicht rechtfertigen.

Es findet aber etwas anderes statt: Diese Antisemiten selbst stellen die Verbindung zu den Nazis her.

Sie tun das zum einen selbst mit ihrem Vokabular. Verbrennungsöfen. Vergasen. Auch Parolen wie "Verrecke" sind direkt dem Vokabular der Nazis entnommen; "Juda verrecke" war eine ihrer häufigsten Parolen.

Vor allem aber tun sie es - und das ist das Hauptthema von Goldberg - , indem sie nach der Methode "Haltet den Dieb!" ihrerseits die Israelis mit den Nazis vergleichen. Goldberg:
At a Saturday New York protest against Israel's military assault on Gaza, some carried signs that read: "Israel: The Fourth Reich"; "Holocaust by Holocaust Survivors"; "Stop Israel's Holocaust"; "Holocaust in Gaza"; and "Stop the Zionist Genocide in Gaza." Type "Israel" and "Nazi" into any news search engine and you'll be rewarded, or punished, with a bounty of such statements just over the last week or so. Gaza is the new Auschwitz, the Israeli Defense Forces are SS troops ...

Bei einem Protest am Samstag in New York gegen den militärischen Angriff Israels gegen Gaza trugen einige Plakate, auf den stand: "Israel: Das Vierte Reich"; "Holocaust durch Holocaust- Überlebende"; "Stoppt Israels Holocaust"; "Holocaust in Gaza" und "Stoppt den zionistischen Völkermord in Gaza". Geben Sie "Israel" und "Nazi" in eine beliebige Nachrichten- Suchmaschine ein, und sie werden allein aus ungefähr der letzten Woche mit jeder Menge solcher Äußerungen belohnt werden, oder vielmehr bestraft. Gaza ist das neue Auschwitz, die Israelischen Verteidigungsarmee ist die SS ...



Wir stehen also nicht vor der Wahl, Parallelen zu den Nazis zu ziehen oder das aus wohlerwogenen Gründen besser nicht zu tun. Der Zusammenhang wird von den Anti- Israel- Demonstranten selbst hergestellt.

Er wird hergestellt durch ihr Verhalten - wer Andersdenkende mit Gewalt bedroht, nur weil sie im Wortsinn "Flagge zeigen", der benutzt eben SA- Methoden - ; er wird hergestellt durch ihre eigenen Parolen, ihre eigene Propaganda.

Warum sind die Feinde Israels so versessen darauf, dieses Land in die Nähe des Dritten Reichs zu rücken? Jonah Goldberg weist auf einige offensichtliche Motive hin (weil das schmerzhaft für die Juden ist, weil es Aufmerksamkeit erregt, Extremisten elektrisiert usw.), meint aber, daß das noch nicht die ganze Erklärung sei:
But I think, deep down, the desire to cast the Israelis as Nazis is fueled by the haters' need to see their own hatreds and ambitions mirrored in their enemy's actions. Hamas has an avowedly Hitlerite agenda. The only way to make such an agenda defensible is to convince yourself and others that the Israelis deserve it. (...)

It brings to mind Huey Long's reported prophecy that if fascism ever came to America, it would be called anti-fascism. Well, with Hamas, Hitlerism comes to the Middle East wearing the mask of anti-Hitlerism.

Ich glaube aber, daß tief im Inneren der Wunsch, die Israelis als Nazis darzustellen, sich aus dem Bedürfnis der Hasser speist, ihren eigenen Haß und ihr eigenes Bestreben in den Handlungen des Feindes gespiegelt zu sehen. Die Hamas hat ein eingestandenermaßen hitleristisches Programm. Die einzige Art, ein solches Programm vertretbar zu machen, besteht darin, sich selbst und anderen einzureden, daß die Israelis es nicht besser verdienen. (...)

Das erinnert an die Vorhersage, die Huey Long gemacht haben soll: Wenn der Faschismus je nach Amerika käme, würde er Anti- Faschismus genannt werden. Nun, mit der Hamas kommt der Hitlerismus in den Nahen Osten, maskiert als Anti- Hitlerismus.
In Deutschland haben wir einen unmaskierten Hitlerismus, in Gestalt der Neonazis. Mit scheint, daß uns das oft den Blick verstellt für den maskierten Hitlerismus.



Für Kommentare bitte hier klicken.