24. April 2008

Zitat des Tages: Barack Obama vs. Hillary Clinton - ein Generationskonflikt?

But she won't leave. She will never leave. Ceding to someone younger is unthinkable to her. It's a form of death for her.

(Aber sie wird nicht aufgeben. Sie wird niemals aufgeben. Einem Jüngeren zu weichen ist undenkbar für sie. Es ist für sie eine Form des Sterbens.)

Andrew Sullivan in The Atlantic über Hillary Clinton.

Und über Barack Obama schreibt er, ein begeisterter Anhänger Obamas:
If Obama thinks he has a right to actually be nominated by the Clinton Democrats because he has won more votes, more states and more delegates, he is sadly mistaken. They will never let such a person win without a death struggle. And that is where the Democrats are now headed.

Wenn Obama glaubt, daß er das Recht hat, von den Clinton- Demokraten auch tatsächlich nominiert zu werden, weil er mehr Stimmen, mehr Staaten und mehr Delegierte hat, dann unterliegt er einem bedauerlichen Irrtum. Sie werden so jemanden niemals ohne einen Kampf bis zum Letzten gewinnen lassen. Und darauf steuern die Demokraten jetzt zu.
Kommentar: Was die Psychologie von Hillary Clinton angeht, kommt Sullivan zu einer ähnlichen Beurteilung, wie sie hier zu lesen war; wenn ich auch nicht sehe, daß die Frage des Alters so kritisch für Hillary Clinton ist. Zur Psychologie Clintons hat C. in "Zettels kleinem Zimmer" auf eine interessante (Psycho-)Analyse aufmerksam gemacht.

Auch wenn ich nicht glaube, daß Clinton sich einem älteren Konkurrenten gegenüber anders verhalten würde als gegenüber Obama - daß der Kampf zwischen den beiden auch, vielleicht sogar in erster Linie, ein Generationskonflikt ist, wird mir immer wahrscheinlichlicher.

Zum einen stimmten es mit den Wähleranalysen überein, die ich hier zusammengestellt habe und auf die auch Sullivan hinweist: In allen Altersgruppen bis 40 lag auch in Pennsylvania wieder Obama vorn, in allen Altersgruppen darüber Clinton.

Zum anderen erklärt es mir (inzwischen) die Heftigkeit, mit der in der liberalen Blogokugelzone für Obama Partei ergriffen wird - überwiegend, wie ich zu vermuten Grund habe, von jüngeren Kollegen. Zwei Threads voll kontroverser Diskussionen in "Zettels kleinem Zimmer" geben davon einen Eindruck. Es scheint mir, daß auch in Deutschland diejenigen, die sich für Obama begeistern, die unter Vierzigjährigen sind, und daß bei Älteren wie mir die Skepsis überwiegt.

Und drittens erklärt diese Vermutung ein Phänomen, für das ich noch keine andere Erklärung gefunden habe: Obama und Clinton unterscheiden sich in allen wichtigen politischen Fragen - Irak, Gesundheitswesen, Steuern, Einwanderung usw. - nur in Nuancen. Warum dann dieser heftige Antagonismus?

Gut, daß die beiden aufeinander losgehen, mag daran liegen, daß beide einen unbedingten persönlichen Siegeswillen haben. Aber warum spaltet ihr Kampf auch die Demokratische Partei so tief, daß starke Minderheiten auf beiden Seiten inzwischen erklären, sie würden eher McCain wählen oder zu Hause bleiben, als den jeweils anderen, sollte er/sie nominiert werden?

Es muß wohl um etwas sehr Emotionalisierendes gehen.

Es muß wohl so sein, daß die einen Obamas Heilsversprechen mitreißend finden, und die anderen diese Pose verabscheuen.

Es muß wohl so sein, daß die einen Hillary Clintons Selbstkontrolle und Erfahrung vertrauenerweckend finden, während gerade das die anderen mißtrauisch macht.

Kurz, ein Generationskonflikt, ein generation gap, als Erklärung für den politischen Graben, das leuchtet mir ein.



Nehmen wir einmal an, daß diese Erklärung stimmt. Wie kommt es dann, daß dieser Konflikt gerade jetzt ausbricht, daß er sich gerade an diesen beiden Personen entzündet?

Mir scheint sich in den USA, vielleicht bald auch in Deutschland, eine Situation zu entwickeln, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der von 1968 hat; freilich mit, wenn man so will, umgekehrten Vorzeichen.

Damals gab es - ich werde darüber noch einen eigenen Artikel schreiben - das Zusammenprallen der Kriegsgeneration mit einer Generation, die nur Frieden und steigenden Wohlstand gekannt hatte. Verhaltensweisen, die den einen von der Realität eingebleut worden waren, erschienen den anderen spießig und vermufft, wenn nicht gar faschistisch. Die Wurzel der Unruhe Ende der Achtziger Jahre waren grundlegend verschiedene Lebenserfahrungen, die die Älteren und die Jüngeren gemacht hatten.

Jetzt bewegen sich die USA auf Zeiten zu, in denen sie die Globalisierung mit voller Härte treffen wird. Die vielleicht bevorstehende Rezession könnte ein Vorbote sein. Die Jungen ahnen, daß das Land sich radikal ändern muß, wenn es bestehen will. Das macht sie empfänglich - ich würde sagen: anfällig - für das Heilsversprechen Obamas, der behauptet, er könne nicht nur die USA, sondern gleich die Welt verändern.

Die Älteren andererseits hatten das Glück, in Zeiten wachsenden Wohlstands aufzuwachsen und ihr Leben aufzubauen. Das wollen sie halten. Für sie ist jemand wie Hillary Clinton, die Erfahrung und Kontrolle signalisiert, deshalb eine attraktive Kandidatin.



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