14. Mai 2007

Randbemerkung: Der Sieg der Kommunisten in Bremen

Das Zitat des Tages hat Lothar Bisky geliefert: "Was wir in den Ländern können, das haben wir im Osten gezeigt" sagte er auf einer Pressekonferenz zur gestrigen Wahl in Bremen.

In der Tat, sie haben das zwischen 1949 und 1989 gezeigt, die Kommunisten.

Aber offenbar gerät das in Vergessenheit, was sie damals konnten; wenn auch nicht in Ländern, so doch in Bezirken.



Auf Anhieb mehr als acht Prozent in Bremen, das ist schon was. Auch wenn in Bremen die Kommunisten traditionell stark sind, im "roten Bremen".

"Wir sind der Wahlsieger" hat, sozusagen Bisky ergänzend, der PDS-Geschäftsführer Bartsch in der Bundestags- Runde gesagt.

Ja, das sind sie, die Kommunisten.



Das Interessante an dieser Wahl ist aus meiner Sicht erstens, daß mitten in einem Aufschwung, wie ihn Deutschland in dieser Stärke selten erlebt hat, die beiden Regierungsparteien, die doch für diesen Aufschwung verantwortlich sind, abgestraft wurden.

Versteht "der Wähler" nicht, daß er diesen Aufschwung den neoliberalen Reformen verdankt, die Schröder in seinen letzten beiden Jahren gezwungenermaßen begonnen hatte, und die die heutige Regierung konsequent realisiert?

Nein, er versteht es offenbar nicht, "der Wähler". Ich fürchte, viele sagen sich: Jetzt läuft die Wirtschaft ja wieder, also kann man ja jetzt umverteilen.

Daß es mit dem Aufschwung zu Ende wäre, sobald die Umverteiler wieder, wie zwischen 1998 und 2003, das Sagen hätten - das scheint er nicht zu verstehen, "der Wähler".

Daß dann, wenn die mit mehr als acht Prozent in Bremen gewählten Kommunisten ihre Vorstellungen durchsetzen könnten, bald nichts mehr zu verteilen da wäre - das übersteigt offenbar den Horizont "des Wählers".

Naja, nicht "des Wählers". Aber halt eines hinreichend großen Teils der Wähler.



Hinreichend, um - und das ist der zweite interessante Aspekt dieses Wahlergebnisses - unter normalen Bedingungen das Parlamentarische System instabil zu machen. Ich habe das hier und hier am Beispiel Frankreichs diskutiert: Eine parlamentarische Demokratie, in der nach dem Verhältniswahlrecht gewählt wird, ist in der Regel ihren Extremisten ausgeliefert.

Entweder, weil die Stärke der extremistischen Fraktionen im Parlament unnatürliche Koalitionen zwischen linken und rechten demokratischen Parteien erzwingt - wie in der Weimarer Republik, wie im Nachkriegsitalien, wie in der französischen Vierten Republik, wie gegenwärtig in Deutschland.

Oder, weil demokratische Parteien sich mit den jeweiligen Extremisten ihrer Seite zusammentun, zumindest von ihnen wählen lassen müssen - wie der Demokrat Prodi in Italien, der völlig von den Kommunisten abhängig ist, wie auch der Demokrat Sarkozy in Frankreich, der nur dank der Stimmen der Rechtsextremisten zum Staatspräsidenten gewählt wurde.



Unter normalen Bedingungen wäre das jetzt auch die Situation in Bremen. Nur deshalb, weil dieses Bundesland ja mehr ein Siedlungsverbund aus zwei Städten ist und weil dort seit der Zeit von Wilhelm zwo die Roten so stark sind wie kaum irgendwo in Deutschland - nur deshalb reicht es dort zu einer Mehrheit von zwei demokratischen linken Parteien.

Wenn aber die Kommunisten auch in anderen Bundesländern mehr als fünf Prozent schaffen, dann wird überall dort, wo es keine schwarze oder schwarz- gelbe Mehrheit gibt, die SPD vor der Entscheidung stehen, entweder in die Opposition zu gehen oder Juniorpartner einer Großen Koalition zu sein - oder aber den Kommunisten an die Macht zu verhelfen.

Erhard Eppler, der kluge Vordenker der Linken in der SPD, hat das erkannt. Und er hat, mit zwingender Logik aus machtpolitischer Sicht, für Koalitionen mit den Kommunisten plädiert.

Die sich jetzt in Bremen uninteressiert zeigen, weil die Trauben zu hoch hängen. Aber selbstverständlich hat noch nie seit Lenin eine Kommunistische Partei irgendwo auf der Welt die Chance verschmäht, einen Fuß in die Tür zur Macht zu kriegen, wenn das eine realistische Möglichkeit ist.



"Aber es geht doch jetzt um die Partei 'Die Linke', nicht um Kommunisten." Ich vermute, daß viele Leser sich das denken, wenn sie bis hierher gelesen haben.

Sie sind der Agitprop der Kommunisten zum Opfer gefallen. Die PDS war ebenso eine kommunistische Partei wie damals, als sie noch SED hieß. Die "Linke", wie sie sich jetzt umbenennt, nachdem sie die WASG geschluckt hat, ist ebenso eine kommunistische Partei, wie die PDS es gewesen war, die umbenannte SED, die die umbenannte KPD gewesen war.

Man wählt aus taktischen Gründen immer mal wieder einen neuen Namen; aber die Vorstellung, daß dadurch Kommunisten zu Nichtkommunisten würden, ist naiv.

Wer es nicht glaubt, der möge vielleicht diesen Beitrag und den dort verlinkten zweiten Beitrag zu Oskar Lafontaines Solidarität mit den französischen Kommunisten lesen.