2. April 2011

Debatte: Aufarbeitung

Lieber Gansguoter, Sie haben einen herausragenden, einen glänzenden Artikel geschrieben.

Wenn man so etwas konstatiert, dann will man natürlich widersprechen. Ich stimme Ihnen zur Hälfte zu und bin zur Hälfte sehr anderer Meinung.



Was Sie über die offizielle "Aufarbeitung" schreiben, das ist so. Martin Walser hat es 1998 gesagt, und wenn er nicht ein so großer Autor wäre, dann wäre es ihm gegangen wie Jenninger. Sie schreiben:
Wohl jeder weiß abstrakt um die Verbrechen des Nationalsozialismus, kann pflichtgemäß etwas von der "deutschen Verantwortung" für "Auschwitz" und "sechs Millionen" ermordete Juden sagen; wir haben ein monströses Mahnmal in Berlin; die Schüler lernen (nach eigener Einschätzung) bis zum Überdruss von den nationalsozialistischen Verbrechen; Guido Knopp kommt mit der 127. Folge über "Hitlers Generäle", "Hitlers Frauen" oder "Hitlers Hunde" ins Wohnzimmer; der SPIEGEL erinnert in schöner Regelmäßigkeit über den deutschen "Überfall" auf Polen oder verheißt die neuesten Erkenntnisse über das Dritte Reich; in den deutschen Städten werden Stolpersteine verlegt; am 9. November halten Lokalpolitiker an Mahnmalen Reden voller Betroffenheit - und ganz zu schweigen von der Instrumentalisierung der deutschen Geschichte, des "Nie wieder Auschwitz", und dem mit vielen öffentlichen Geldern unterstützten "Kampf gegen Rechts".
So ist es, und besser habe ich es noch nie formuliert gefunden.



Jetzt muß ich ein wenig "ausholen".

Das 20. Jahrhundert ist in seiner ersten Hälfte eine entsetzliche Zeit gewesen. Das hatte im Kern zwei Ursachen:

Erstens geriet das Gleichgewicht in Europa, das u.a Bismarck gezimmert hatte, aus den Fugen. Die deutschen Imperialisten wollten ihren "Platz an der Sonne", was man ihnen nicht gut verübeln kann. Die britischen und die französischen Imperialisten hatten ihn ja.

Also hat man einen Krieg angefangen, von dessen Dimensionen niemand einen Begriff gehabt hatte. Man zog mit der Pickelhaube los, und dann verendeten die Menschen in den Gräben und im Schlamm. Man hatte sich einen Krieg wie 1870/71 vorgestellt, aber die Technik war ja nun weitergegangen.

Das zweite war die Sprengkraft des Marxismus. Marx hat es gewollt, daß Politik und Verbrechen sich verbinden.

Revolutionen sind natürlich auch vorher gelegentlich "ausgebrochen" (übrigens selten). Das war dann immer ein Unglück. Marx wollte die Revolution, er wollte die Diktatur. Er war ein Schreibtischtäter. Er wollte, daß Hunderttausende sterben.

1917 haben sich diese beiden Entwicklungen getroffen. Der sehr bedeutende Verbrecher Lenin kam an die Macht. Ernst Nolte hat analysiert, wie die Verbrechen der Nazis auf diejenigen der Kommunisten folgten.

Das endete ja nicht mit Stalin. Mao war ein Verbrecher, Pol Pot war es; Ho war auch einer, wenn auch nicht mit derselben kriminellen Energie. Castro und Mugabe gehören zu den letzten noch Überlebenden dieser Zeit, in der Politik und Verbrechen eins waren. Hitler war der barbarischste dieser Politiker-Verbrecher.



Das ist aus meiner Sicht der Kontext der Nazi-Verbrechen. Nein, ich "relativiere" damit nicht (ein ausgesprochen dummes Wort).

Der Versuch, alle Juden zu ermorden, war singulär. Jeden, der sich daran beteiligt hat, hätte man nach meiner Überzeugung hinrichten müssen. Die Sieger waren viel zu mild. Man hätte nicht nur die "Nürnberger" und die "Landshuter" an den Galgen bringen müssen, sondern jeden KZ-Aufseher.

Und jetzt komme ich zu dem, was aus meiner Sicht die andere Seite ist.

Die Menschen, die zwischen 1890 und 1930 in Deutschland geboren wurden, waren geschundene Generationen. Ich will und kann ihnen, also meinen Eltern und Großeltern - zum Teil Urgroßeltern - keinen moralischen Vorwurf machen.

Sie haben zu überleben versucht. Sie waren keine Helden. Helden gibt es nur in den Heldensagen.
Zettel



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