Politik kann so einfach sein.
Der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) soll akute Krisen abmildern, die aus übergroßer Verschuldung einzelner Euro-Länder resultieren. Bei seiner Einrichtung sollte die Garantiesumme 440 Milliarden Euro für Notkredite an solche Staaten betragen. Was tun wir nun, wenn eine Summe in dieser Größenordnung tatsächlich abgerufen wird? Woher nehmen wir mal eben einige Hundert Milliarden Euro?
Zum Glück gibt es für dieses Problem eine ganz einfache Lösung. Und dafür sollten wir der Friedrich-Ebert-Stiftung dankbar sein.
In allen Nachrichten hört man von der neuen Studie, die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt wurde. Die Fragestellung: wie würden sich flächendeckende Mindestlöhne in Deutschland fiskalisch auswirken?
Wenn die Menschen mehr verdienen, dann spart das dem Staat natürlich Geld. Einerseits nimmt er über Lohn- und Einkommensteuern mehr ein, ebenso über die Umsatzsteuer, wenn wir unseren Mehrverdienst verkonsumieren. Und andererseits müssen viel weniger Sozialleistungen, Zuschüsse und so weiter ausbezahlt werden.
Und natürlich kann man das durchrechnen. Wie groß ist der Effekt, wenn alle Arbeitnehmer, die bisher weniger als 5 Euro pro Stunde verdienen, plötzlich 5 Euro bekommen? Oder alle Löhne auf mindestens 7,50 Euro pro Stunde angehoben werden? Oder 8,50 Euro?
Das Institut Prognos AG hat sich das angeschaut. Und siehe: wenn alle Arbeitnehmer mindestens 5 Euro pro Stunde verdienen würden, würden die öffentlichen Kassen um etwa 1,3 Milliarden Euro besser dastehen. Löhne ab 7,50 Euro hätten einen Effekt von 4,6 Milliarden, 8,50 Euro von 7,1 Milliarden, 10 Euro von 12,8 Milliarden und 12 Euro von 24,4 Milliarden.
Und das ist gut! Denn Deutschland braucht Geld! Die Prognos AG weist in Fußnote 4 in ihrem Bericht darauf hin, dass schon die fünf Beispielrechnungen mehr sind als der Friedrich-Ebert-Stiftung ursprünglich angeboten wurden - nur darauf kann man zurückführen, dass offenbar bei 12 Euro die Autoren der Mut verließ und sie nicht noch andere Konstellationen durchrechneten.
Aber das macht nichts, denn trägt man die obigen Effekte gegen die Lohnuntergrenzen auf, dann sieht man ganz klar einen quadratischen Zusammenhang. Und dieser erlaubt uns eine fundierte Extrapolation für andere Lohnuntergrenzen! Betrügen beispielsweise alle Löhne mindestens 15 Euro, so wäre der fiskalische Effekt etwa 48,1 Milliarden Euro. Und wenn etwa alle Löhne auf mindestens 50 Euro steigen, dann beträgt der Effekt sage und schreibe 947,2 Milliarden Euro! Der Haushalt wäre saniert, der ESM finanziert, die Renten sicher!
Jetzt müssen wir also nur noch die Löhne erhöhen. Am besten durch einen Mindestlohn! Die Rettung Deutschlands: der allgemeine Mindestlohn von 50 Euro pro Stunde!
Der winzige, fast vernachlässigbare Haken: die Studie der Prognos AG betrachtet keine Beschäftigungseffekte.
Prinzipiell wäre es ja denkbar und nicht komplett abwegig, dass ein Mindestlohn von 12 Euro die Arbeitslosigkeit erhöht. Wenn ich dem Nachbarsjungen, der mir den Rasen mäht, plötzlich 12 statt 5 Euro pro Stunde zahlen muss, mähe ich vielleicht meinen Rasen selbst oder lasse ihn wachsen.
Nun stimmt es, dass insbesondere im keynesianischen Modell nicht jeder Mindestlohn zu Arbeitslosigkeit führt - aber selbst der eingefleischteste Keynesianer wäre wahrscheinlich vorsichtig mit Aussagen über Mindestlöhne, die mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer betreffen. Und immerhin verdienen der Studie zufolge 36% der deutschen Arbeitnehmer weniger als 12 Euro. Bei 36% der Arbeitnehmer würde also der Arbeitgeber angesichts eines Mindestlohns von 12 Euro darüber nachdenken, entweder den Lohn auf dieses Minimum anzuheben... oder die Arbeitnehmer zu entlassen. Und derlei Beschäftigungseffekte hätten - muss man darauf wirklich hinweisen? - natürlich negative fiskalische Auswirkungen.
Die Autoren der Studie selbst weisen mehrfach darauf hin, dass sie Beschäftigungseffekte vernachlässigen, auch aufgrund der kurzen Bearbeitungszeit von nur acht Wochen. Aber warum betrachten sie denn dann nicht Mindestlöhne von 25 Euro oder 50 Euro? Wissenschaftlich redlich wäre es gewesen, die Untersuchung allerhöchstens auf Mindestlöhne einzuschränken, die vielleicht 10% der Arbeitnehmer betreffen, also etwa 7 Euro pro Stunde - und selbst dann machen die möglichen Beschäftigungseffekte die gesamte Analyse fragwürdig. Alle Aussagen der Studie über die fiskalischen Auswirkungen von höheren Mindestlöhnen sind völliger Humbug.
Und dass man allerorts in den Medien nur über die segensreichen Auswirkungen von Mindestlöhnen erfährt, weil die Vernachlässigung von Beschäftigungseffekten unter den Tisch fällt, spricht Bände über die deutsche Journalistik.
Der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) soll akute Krisen abmildern, die aus übergroßer Verschuldung einzelner Euro-Länder resultieren. Bei seiner Einrichtung sollte die Garantiesumme 440 Milliarden Euro für Notkredite an solche Staaten betragen. Was tun wir nun, wenn eine Summe in dieser Größenordnung tatsächlich abgerufen wird? Woher nehmen wir mal eben einige Hundert Milliarden Euro?
Zum Glück gibt es für dieses Problem eine ganz einfache Lösung. Und dafür sollten wir der Friedrich-Ebert-Stiftung dankbar sein.
von Gorgasal
In allen Nachrichten hört man von der neuen Studie, die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt wurde. Die Fragestellung: wie würden sich flächendeckende Mindestlöhne in Deutschland fiskalisch auswirken?
Wenn die Menschen mehr verdienen, dann spart das dem Staat natürlich Geld. Einerseits nimmt er über Lohn- und Einkommensteuern mehr ein, ebenso über die Umsatzsteuer, wenn wir unseren Mehrverdienst verkonsumieren. Und andererseits müssen viel weniger Sozialleistungen, Zuschüsse und so weiter ausbezahlt werden.
Und natürlich kann man das durchrechnen. Wie groß ist der Effekt, wenn alle Arbeitnehmer, die bisher weniger als 5 Euro pro Stunde verdienen, plötzlich 5 Euro bekommen? Oder alle Löhne auf mindestens 7,50 Euro pro Stunde angehoben werden? Oder 8,50 Euro?
Das Institut Prognos AG hat sich das angeschaut. Und siehe: wenn alle Arbeitnehmer mindestens 5 Euro pro Stunde verdienen würden, würden die öffentlichen Kassen um etwa 1,3 Milliarden Euro besser dastehen. Löhne ab 7,50 Euro hätten einen Effekt von 4,6 Milliarden, 8,50 Euro von 7,1 Milliarden, 10 Euro von 12,8 Milliarden und 12 Euro von 24,4 Milliarden.
Und das ist gut! Denn Deutschland braucht Geld! Die Prognos AG weist in Fußnote 4 in ihrem Bericht darauf hin, dass schon die fünf Beispielrechnungen mehr sind als der Friedrich-Ebert-Stiftung ursprünglich angeboten wurden - nur darauf kann man zurückführen, dass offenbar bei 12 Euro die Autoren der Mut verließ und sie nicht noch andere Konstellationen durchrechneten.
Aber das macht nichts, denn trägt man die obigen Effekte gegen die Lohnuntergrenzen auf, dann sieht man ganz klar einen quadratischen Zusammenhang. Und dieser erlaubt uns eine fundierte Extrapolation für andere Lohnuntergrenzen! Betrügen beispielsweise alle Löhne mindestens 15 Euro, so wäre der fiskalische Effekt etwa 48,1 Milliarden Euro. Und wenn etwa alle Löhne auf mindestens 50 Euro steigen, dann beträgt der Effekt sage und schreibe 947,2 Milliarden Euro! Der Haushalt wäre saniert, der ESM finanziert, die Renten sicher!
Jetzt müssen wir also nur noch die Löhne erhöhen. Am besten durch einen Mindestlohn! Die Rettung Deutschlands: der allgemeine Mindestlohn von 50 Euro pro Stunde!
Der winzige, fast vernachlässigbare Haken: die Studie der Prognos AG betrachtet keine Beschäftigungseffekte.
Prinzipiell wäre es ja denkbar und nicht komplett abwegig, dass ein Mindestlohn von 12 Euro die Arbeitslosigkeit erhöht. Wenn ich dem Nachbarsjungen, der mir den Rasen mäht, plötzlich 12 statt 5 Euro pro Stunde zahlen muss, mähe ich vielleicht meinen Rasen selbst oder lasse ihn wachsen.
Nun stimmt es, dass insbesondere im keynesianischen Modell nicht jeder Mindestlohn zu Arbeitslosigkeit führt - aber selbst der eingefleischteste Keynesianer wäre wahrscheinlich vorsichtig mit Aussagen über Mindestlöhne, die mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer betreffen. Und immerhin verdienen der Studie zufolge 36% der deutschen Arbeitnehmer weniger als 12 Euro. Bei 36% der Arbeitnehmer würde also der Arbeitgeber angesichts eines Mindestlohns von 12 Euro darüber nachdenken, entweder den Lohn auf dieses Minimum anzuheben... oder die Arbeitnehmer zu entlassen. Und derlei Beschäftigungseffekte hätten - muss man darauf wirklich hinweisen? - natürlich negative fiskalische Auswirkungen.
Die Autoren der Studie selbst weisen mehrfach darauf hin, dass sie Beschäftigungseffekte vernachlässigen, auch aufgrund der kurzen Bearbeitungszeit von nur acht Wochen. Aber warum betrachten sie denn dann nicht Mindestlöhne von 25 Euro oder 50 Euro? Wissenschaftlich redlich wäre es gewesen, die Untersuchung allerhöchstens auf Mindestlöhne einzuschränken, die vielleicht 10% der Arbeitnehmer betreffen, also etwa 7 Euro pro Stunde - und selbst dann machen die möglichen Beschäftigungseffekte die gesamte Analyse fragwürdig. Alle Aussagen der Studie über die fiskalischen Auswirkungen von höheren Mindestlöhnen sind völliger Humbug.
Und dass man allerorts in den Medien nur über die segensreichen Auswirkungen von Mindestlöhnen erfährt, weil die Vernachlässigung von Beschäftigungseffekten unter den Tisch fällt, spricht Bände über die deutsche Journalistik.
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