1. April 2011

Biografien. Ein deutscher Dialog. Zettel an Andrea (2)

Liebe Andrea,

auch meine Familie wohnte damals in Thüringen, das zuerst von den Amerikanern besetzt worden war und dann im Tausch gegen Westberlin an die Russen ging.

Der Tag, als "die Russen kamen", gehört zu meinen intensivsten Kindheitserinnerungen. Ich habe damals natürlich von der Panik meiner Eltern nichts verstanden und erst als Erwachsener erfahren, daß Stalin seinen Soldaten das Vergewaltigen freigegeben hatte.

Es haben aber wohl fast nur die Mannschaftsdienstgrade gemacht. Die Rote Armee war ja eine Klassenarmee mit einem riesigen Abstand zwischen den Offizieren und den Gemeinen. Stalin soll ganze Kompanien von Kriminellen zusammengestellt haben, um in Berlin zu hausen. Ich weiß aber nicht, ob das historisch belegt ist.

Wir wohnten, ausgebombt, damals in einer Pension. Als die Russen kamen, verbarrikadierten meine Eltern das Zimmer. Der Schrank, die anderen Möbel wurden an die Tür geschoben.

Ich werde nie die hallenden Schritte, das Rufen der Soldaten vergessen, die durch die Pension gingen, auf der Suche nach Frauen. Aber sie waren zu faul oder vielleicht auch zu betrunken, unsere verbarrikadierte Tür zu knacken. Das hat meine Mutter und meine Großmutter davor bewahrt, vergewaltigt zu werden.

Dieses gutturale Russisch haftet in meinem Gedächtnis. Diese Schreie der Soldateska.



Stalin war ein Verbrecher, liebe Andrea, keinen Deut besser als Hitler.

Es gibt diese Redensart, der Sozialismus sei eine gute Sache, nur schlecht ausgeführt. Aber der Sozialismus ist eine schlechte Sache.

Karl Marx, dieser halbgebildete Egomane, der nie eine Wissenschaft richtig erlernt und nie etwas Ordentliches geleistet hat, war als Schreibtischtäter eine der verhängnisvollsten Figuren der Weltgeschichte. Er ist verantwortlich für Millionen von Toten, von verfolgten und geschundenen Menschen. Lenin und Stalin waren seine Schüler, die genau das umsetzten, was er gewollt hatte.

Und übrigens auch Rosa Luxemburg, der man heute einen Heiligenschein umhängt. Eine Absurdität.



Jetzt bin ich vom Biographischen doch ein wenig ins Politische geraten, liebe Andrea. Die Abstinenz will halt erst eingeübt werden. Aber noch etwas Anderes. Sie schreiben:
Mein Vater, Jahrgang 20, war als Kradmelder auch in Russland. Er hat oft vom Krieg erzählt, aber nie über schreckliche Erlebnisse. Auch als wir erwachsen waren, klang die Schilderung seiner Kriegserfahrungen eher wie ein Spaß.
Das ist eine Möglichkeit, mit dem Entsetzlichen fertigzuwerden. Man muß ja nicht gleich flennen.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.da