9. September 2008

Zitat des Tages: Der Europäische Gerichtshof hat "Grundsätze der abendländischen richterlichen Rechtsauslegung bewußt und systematisch ignoriert"

Die beschriebenen Fälle zeigen, daß der EuGH zentrale Grundsätze der abendländischen richterlichen Rechtsauslegung bewußt und systematisch ignoriert, Entscheidungen unsauber begründet, den Willen des Gesetzgebers übergeht oder gar in sein Gegenteil verkehrt und Rechtsgrundsätze erfindet, die er dann bei späteren Entscheidungen wieder zugrunde legen kann.

Sie zeigen, daß der EuGH die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten selbst im Kernbereich nationaler Zuständigkeiten aushöhlt.


Roman Herzog und Lüder Gerken in der gestrigen FAZ (Nr. 210/2008, Seite 10; hier als PDF-Datei herunterladbar).

Kommentar: Ein starkes Geschütz, nicht wahr, das da gegen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Stellung gebracht wird, gegen die höchste richterliche Instanz in der EU!

Ein starkes Geschütz, an dem nicht kleine Kanoniere stehen, sondern sozusagen die Generalität höchstselbst:

Roman Herzog, einer der angesehensten deutschen Staatsrechtler, Ordinarius für Staatsrecht in Berlin und Speyer, Mitautor des maßgeblichen Kommentars zum Grundgesetz (des "Maunz / Dürig / Herzog / Scholz"). Dann, bevor er Bundespräsident wurde, Richter am Bundesverfassungsgericht; von 1987 bis 1994 dessen Präsident. Und ein Kenner europäischen Rechts; Herzog war Leiter des ersten Europäischen Konvents, der dem späteren Verfassungskonvent vorausging und der die Charta der Grundrechte der EU erarbeitete.

Kaum minder sachkundig ist Herzogs Mitautor Lüder Gerken; vormals Leiter des liberalen Walter- Eucken- Institut in Freiburg; Vorstand der Friedrich- August- von- Hayek- Stiftung und seit 2006 Direktor des Centrums für Europäische Politik.

Herzog und Gerken sind ein bewährtes Autorenteam. Im Januar 2007 haben sie gemeinsam in der "Welt" einen ähnlichen Artikel wie jetzt publiziert; damals eine Darlegung des erschreckenden Umstands, daß in Brüssel ganz unklar ist, wohin sich Europa eigentlich entwickeln soll - zu einem Bundesstaat, wie er den "Föderalisten" vorschwebt, oder zu einer Staatenunion, einem Europa der Vaterländer, wie die "Intergouvernementalisten" es wollen.

Jetzt also haben sich die beiden Autoren den Europäischen Gerichtshof vorgenommen. Was sie über ihn schreiben, ist für den Nichtjuristen, der nicht der offenbar schon lange im Gang befindlichen Diskussion unter Juristen folgt, nachgerade unfaßbar.

So heißt es über die Begründung eines Urteils ("Mangold- Urteil") durch den EuGH:
Um sein Urteil zu rechtfertigen, griff der EuGH zu einer abenteuerlichen Konstruktion. (...)

Es sei ... gar nicht die (noch nicht umzusetzende) Antidiskriminierungsrichtlinie, deretwegen die deutsche Vorschrift gegen EU-Recht verstoße, sondern ein "allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts".

Nur war dieser "allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts" frei erfunden. (...)

Im vorliegenden Fall gebärdete sich der EuGH als Gesetzgeber. Unter Hinweis auf angebliche völkerrechtliche Abkommen und angebliche Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten erfand er EU-Recht.
Urteilsschelte vom Feinsten; wie immer, wenn Herzog etwas schreibt, von untadeliger Logik getragen.

Ähnlich zerpflücken die Autoren weitere Urteile des EuGH und kommen zu dem Schluß:
Der EuGH ist als letztinstanzlicher Wächter der Subsidiarität und als Schützer der Belange der Mitgliedstaaten ungeeignet.
Kein Wunder; führe doch
eine EUlastige Rechtsprechung des EuGH dazu, dass die Felder, auf denen er Recht sprechen kann und damit die mitgliedstaatlichen Gerichte verdrängt, ebenfalls wachsen, so dass sein eigener Einfluss ständig zunimmt.
Beängstigende Aussichten, wenn man bedenkt, daß dem EuGH bei der Auslegung der Verträge von Lissabon eine Schlüsselrolle zugedacht ist: Wenn es Streit darüber gibt, ob eine Kompetenz bei den nationalen Regierungen oder in Brüssel liegt, dann soll der EuGH das entscheiden. Der Bock werde damit zum Gärtner gemacht, meinte dazu der Verfassungsrechtler Herbert von Arnim.

Über das "Mangold- Urteil" wird demnächst das Bundesverfassungsgericht zu befinden haben. Es gehe dabei, schreiben Herzog und Gerkens,
um die Frage, ob die exzessive Rechtsprechung des EuGH künftig wieder einer strengeren Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterworfen wird oder ob das Bundesverfassungsgericht seine Wächterfunktion endgültig aufgeben will.
Ob es sie noch aufrechterhalten kann, wenn die Verträge von Lissabon erst einmal in Kraft sind, ist eine andere Frage.



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