10. September 2008

Der 44. Präsident der USA (18): Mehr Kopf-an-Kopf geht nicht (Teil 2)

Die Umfragewerte für McCain und Palin gehen im Augenblick - das war das Thema von Teil 1 - steil nach oben. Das könnte noch der Convention Bounce sein; der Aufschwung, der auf jeden halbwegs gelungenen Wahl- Parteitag folgt. Es könnte aber auch die Wirkung der Nominierung von Sarah Palin sein.

Diese Wirkung ist nicht leicht zu analysieren, weil sich, wie es scheint, verschiedene Effekte dieser Entscheidung überlagern; teils einander verstärkend, teils auch einander entgegenwirkend.

Gewiß ist, daß Sarah Palin die religiöse Rechte, die Evangelikalen nicht nur anspricht, sondern sie nachgerade begeistert.

Das ist wichtig, nicht nur weil für McCain die Gefahr bestand, daß viele von diesen Religiös- Konservativen gar nicht zur Wahl gehen würden. Sondern unter ihnen sind auch viele politisch Engagierte, deren Mitmachen - oder eben deren Verweigerung - für McCains Wahlkampf kritisch ist.

Der US-Wahlkampf ist ja viel mehr, als wir das in Europa kennen, eine Sache engagierter Bürger. Man lädt Nachbarn und Verwandte zu Wahlparties ein, man organisiert Email- Ketten, man telefoniert und wirbt für seinen Kandidaten. Und man spendet. Die wöchentlichen Spendenaufkommen werden stolz der Öffentlichkeit mitgeteilt; die Zahlen sollen wiederum zum Spenden anregen.

In diesem ganzen Bereich des Wahlkampfs von unten war Obama bisher McCain weit überlegen. Jetzt wird sich das ändern. Die Gefahr, daß die wichtigen religiös- konservativen Multiplikatoren McCain von der Fahne gehen, ist mit der Entscheidung für Palin gebannt. Zugleich gibt dies McCain Spielraum, sich selbst mehr in Richtung Mitte, hin zu den Independents zu orientieren.

Wie sieht es aber mit der zweiten Zielgruppe aus, von der man erwarten konnte, daß die Entscheidung für eine Frau bei ihr Sympathien für McCain wecken würde? Die bisherigen Umfragen lassen vermuten, daß in der Gruppe der Frauen die Reaktionen auf Palin außerordentlich differenziert, ja gegensätzlich sind.



Es gibt Frauen, die auf Palin ungefähr so reagieren wie deutsche Feministinnen auf Eva Herman - mit einem offenbar unbezähmbaren Reflex, sie wegzubeißen. Ein Beispiel für diese Reaktion ist ein Artikel von Judith Warner in der New York Times vom 4. September, auf den in "Zettels kleinem Zimmer" Reader aufmerksam gemacht hat und den ich hier kommentiert habe.

Es scheint, daß Sarah Palin bei zahlreichen Frauen diesen Reflex auslöst, wenn auch vielleicht nicht so heftig wie bei der Autorin Judith Warner. Jedenfalls ist das eine naheliegende Erklärung für ein Umfrage- Ergebnis, das CNN gestern publizierte. Danach haben von den befragten Männern 62 Prozent eine gute Meinung von Sarah Palin; bei den Frauen sind es nur 53 Prozent.

Nun, 53 Prozent - das ist immerhin eine Mehrheit. Welche Frauen mögen Sarah Palin, welche mögen sie nicht? Dazu gibt eine Umfrage von ABC News / Washington Post (PDF) Hinweise, die am Montag veröffentlicht wurde.

Danach hat die Entscheidung für Palin vor allem bei weißen Frauen die Bereitschaft erhöht, für McCain zu stimmen. In dieser Gruppe lag vor dem republikanischen Parteitag Barack Obama mit 50 zu 42 Prozent vorn. Das hat sich drastisch umgekehrt: Jetzt würden von den weißen Frauen 53 Prozent für John McCain und nur noch 41 Prozent für Obama stimmen.

Und weiter: Von denjenigen, die schon vor der Convention für McCain waren, hatten damals nur 30 Prozent gesagt, sie seien "begeisterte" (enthusiastic) Anhängerinnen McCains. Jetzt sind es 51 Prozent. (Bei den weißen Männern stieg der Wert nur von 29 auf 39 Prozent). Auch das war eine deutliche Schwäche McCains gewesen: Daß er eine eher lauwarme als enthusiastische Zustimmung genoß. Palin hat jetzt Schwung in seinen Wahlkampf gebracht.

Man sieht, eine einheitliche Reaktion "der" Frauen auf die Kandidatur von Sarah Palin gibt es nicht. Nimmt man alle Daten zusammen, dann weckt sie keine sehr große Begeisterung. Bei schwarzen Frauen, bei Latinas findet sie wenig Zustimmung. Bei weißen Frauen kann sie eine Mehrheit begeistern, aber eine wohl überwiegend feministisch orientierte Minderheit reagiert, wie die Autorin Judith Warner, mit heftiger Ablehnung.

Wer sind die Frauen, die am stärksten genau umgekehrt reagieren wie Judith Warner? Es sind weiße Frauen, die Kinder erziehen. Nicht weniger als 80 Prozent von ihnen haben eine gute Meinung von Sarah Palin. Offenbar können sie sich mit ihr identifizieren.

Wie wird sich diese komplizierte und widersprüchliche Reaktion von Frauen auf die Kandidatur von Sarah Palin am Ende auswirken? Das ist deshalb so schwer zu prognostizieren, weil es dann ja nicht auf die absoluten Stimmenzahlen (den Popular Vote) ankommt, sondern auf die Zusammensetzung der Versammlung, die den Präsidenten wählt, des Electoral College.

Dort hat jeder Bundesstaat eine bestimmte Zahl von Stimmen, und alle gehen an denjenigen, der in diesem Staat die Mehrheit hat; der damit diesen Staat "abschleppt" (to carry a state).

Wahlprognosen, die nur den Popular Vote berücksichtigen, sind also wenig aussagekräftig. Man muß sich schon die Situation in den einzelnen Bundesstaaten ansehen.

(Fortsetzung folgt)



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