24. September 2008

Der 44. Präsident der USA (22): Die Entwicklung der Umfragedaten. Was Sie dazu in "Spiegel-Online" nicht lesen können

Wenn "Spiegel- Online" aus den USA oder über die USA berichtet, dann kann man im Allgemeinen davon ausgehen, daß der Artikel entweder einseitig ist oder überholt; oder auch beides.

Heute Mittag machte "Spiegel- Online" mit einer Meldung auf, die inzwischen wieder ins Ausland- Ressort befördert, aber, soweit ich sehe, nicht geändert wurde. Unter der Überschrift "Obama geht in neuer Umfrage deutlich in Führung" heißt es darin:
Es geht aufwärts für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama. Nach Wochen des Gleichstands zwischen ihm und seinem republikanischen Rivalen John McCain scheint die Wende geschafft.
Wer die Berichterstattung über den US-Wahlkampf hier in ZR verfolgt, der weiß, daß es weder "Wochen des Gleichstands" gegeben hat, noch daß es jetzt plötzlich für Obama "aufwärts geht". Die Fakten waren und sind anders:
  • Wie man zum Beispiel bei Gallup Daily Tracking oder im Poll of Polls von Pollster sehen kann, begann sich der Abstand zwischen dem führenden Obama und McCain seit Obamas Orient- und Europa- Reise allmählich zu verringern.

  • Nach dem Parteitag der Republikaner und der Nominierung von Sarah Palin gab es einen Umschwung zugunsten von McCain, über den ich vor genau zwei Wochen in einem dreiteiligen Artikel berichtet habe.

  • In einem weiteren Artikel habe ich am 12. September drei Gründe dafür genannt, daß es für McCain dennoch schief gehen könnte. Vor allem habe ich darauf hingewiesen, daß noch unklar ist, ob die Nominierung von Sarah Palin ihm am Ende mehr nützt oder schadet. Das war noch vor der aktuellen Finanzkrise.

  • Vor einer Woche, am 18. September, war bereits offensichtlich, daß Obama McCain wieder überholt hatte. Die wahrscheinlichen Gründe dafür waren - hier nachzulesen - erstens die Finanzkrise und zweitens die sinkende Popularität von Sarah Palin. Außerdem ging vor einer Woche der Convention Bounce zu Ende; der Aufschwung, den jede Partei nach einem erfolgreich verlaufenen Parteitag hat.
  • Das ist jetzt also eine Woche her. Seither haben sich die Umfragen keineswegs zugunsten von Obama verändert.

    Im Gallup Daily Tracking hat sich der Abstand zwischen dem 17.9. und dem 22.9. folgendermaßen entwickelt: 4, 5, 6, 4, 5, 3 Prozentpunkte zugunsten von Obama. Im Überblick von Pollster über alle größeren Umfragen entwickelte sich die Differenz zwischen der Umfrage von Gallup (17. bis 19. September) und der gegenwärtig aktuellsten von Daily Kos (21. bis 23. September) wie folgt: 4, 1, 1, 7, 4, 1, 9, 3, 2, -2, 6, 2, 4 Prozentpunkte.

    Wer da einen Trend zugunsten von Obama hineinlesen will, der muß schon die Qualitäten eines Redakteurs von "Spiegel- Online" haben.



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