Im Augenblick spricht alles dafür, daß John McCains Wahlkampf mit dem Parteitag in St. Paul, Minnesota, und mit der Nominierung von Sarah Palin einen Aufschwung genommen hat, den in diesem Ausmaß kaum jemand erwartet hatte.
Noch Ende August lag Obama in fast allen Umfragen deutlich vorn (CBS, 31. August: 48 zu 40 für Obama; Diageo, 31. August: 48 zu 39; Rasmussen, 30. August: 49 zu 46; Gallup, 29. August: 49 zu 41. Das Datum ist jeweils der letzte Tag der Umfrage).
Jetzt hat sich das umgekehrt. Bei nahezu allen Instituten hat McCain seinen Gegner überholt; im Durchschnitt liegt er jetzt mit 47,2 zu 44,9 Prozent vor Obama. Was, als es sich andeutete, noch eine Zufallsschwankung hätte sein können, hat sich mit dem Hinzukommen weiterer Daten verfestigt: McCain ist jetzt der Frontrunner, der Führende im Rennen.
Nein, so ist es eigentlich nicht ganz richtig formuliert: Nicht McCain liegt vor Obama, sondern das Team McCain / Palin hat das Team Obama / Biden überholt. Denn es gibt etliche Anzeichen dafür, daß McCain den jetzigen Aufwind vor allem seiner Partnerin Sarah Palin verdankt. Auf eines dieser Anzeichen komme ich gleich noch zurück.
War also Palins Nominierung am Ende doch die brillante Entscheidung, die der Kommentator Ed Rollins in einer ersten Reaktion diagnostiziert hatte?
Vielleicht. Aber sicher ist das nicht. Und zwar aus drei Gründen.
Bitte überlegen Sie einmal kurz, was sie über Joe Biden wissen. Und was über Sarah Palin.
Sehen Sie. Palin beschäftigt uns, sie interessiert uns. Sie ist ein Star nicht unbedingt in dem Sinn, daß sie verehrt wird. Aber jedenfalls in dem Sinn, daß sie unsere Phantasie aktiviert, daß sie Aufmerksamkeit weckt.
Nichts davon by Joe Biden. Hier in Europa so wenig, wie in den USA selbst. Ein blasser, nicht besonders interessanter Mensch. Noch dazu ein Politiker, dessen Gesicht seit nicht weniger als fünfunddreißig Jahren auf den TV-Schirmen zu sehen ist. Als Biden zum ersten Mal Senator wurde, war Sarah Palin ein Mädchen von neun Jahren!
Dieser Unterschied zwischen Palin und Biden ist sehr wahrscheinlich einer der Gründe für McCains Aufschwung. Aber es ist ein Unterschied sozusagen mit einem Verfallsdatum.
Bis im November gewählt wird, werden die Amerikaner Sarah Palin derart oft auf den Bildschirmen gesehen, werden sie so viel über sie und ihre Familie erfahren haben, daß die jetzige Neugier, daß das momentane Human Interest vorbei sein wird. Worn down, wie man im Englischen sagt - abgenutzt wie ein zu oft getragener Anzug.
Bei welchen Sendungen wird Palin dann auf den Bildschirmen erschienen sein? Zum einen bei der Übertragung von Wahlkampf- Veranstaltungen. Solche Situationen beherrscht sie. Das hat sie nicht nur in St. Paul bewiesen, sondern auch in der Serie von Auftritten gemeinsam mit John McCain, die sie seither absolviert hat. Durchaus star-like. Aus dem Stand besser als die ungleich erfahrenere Hillary Clinton.
Aber es wird ja andere Sendeformate geben, in denen Sarah Palin sich bewähren muß. Interviews vor allem und Diskussionen; am wichtigsten die Diskussionen mit ihrem Gegenüber Joe Biden.
Das wird Sarah Palins eigentliche Bewährungsprobe werden. Dort wird man versuchen, ihr Fallen zu stellen, ihre Unerfahrenheit zu entlarven.
Vor allem in der Außenpolitik - dem Spezialgebiet Joe Bidens - lauern jede Menge Fallen. Sollte es ihr unterlaufen, zwei Staaten im Kaukasus miteinander zu verwechseln, den Namen eines afrikanischen Staatsmanns falsch wiederzugeben oder den Verlauf einer Pipeline nicht zu kennen, dann werden sich die Medien begierig darauf stürzen.
So war es George W. Bush vor seiner Wahl zum Präsidenten gegangen; wie Palin war er Gouverneur gewesen und also mit der Außenpolitik wenig vertraut. Im Wahlkampf 2000 wurde ihm immer wieder um die Ohren gehauen, daß er im Juni 1999 gegenüber einem slowakischen Journalisten Slowakien und Slowenien verwechselt hatte.
Inzwischen hat Sarah Palin ein erstes Interview auch zu außenpolitischen Themen gegeben und es bravourös bestanden. Allerdings war der Interviewer - Charles Gibson von ABC News - auch fair. Damit wird sie nicht immer rechnen können.
Das also sind zwei Gründe, warum es gegenwärtig unsicher ist, ob Palins Erfolg anhält: Man wird sich an sie gewöhnen, und sie hat noch nicht bewiesen, daß sie in Diskussionen bestehen kann, in denen es auf Detailwissen ankommt.
Der dritte Grund, warum der jetzige Aufschwung vielleicht nicht reicht, um John McCain ins Weiße Haus zu bringen, hat etwas mit dem amerikanischen Wahlrecht zu tun.
Daß es nach diesem Wahlrecht bei der Wahl des Präsidenten nicht um die Anteile an den Wählerstimmen (dem Popular Vote) geht, sondern um die Sitze im Electoral College, dem Wahlmännergremium, habe ich kürzlich anhand der Frage erläutert, in welchen US-Staaten sich denn die Wahl entscheiden wird. Es sind weniger als ein Dutzend; die Swing States, die Battleground States.
Gestern nun erschien in dem auf die Analyse von Umfragedaten spezialisierten Blog FiveThirtyEight ein Artikel, in dem untersucht wurde, wie sich denn der Aufschwung des Teams McCain / Palin geographisch verteilt.
Das Ergebnis: Dieser Aufschwung fand überwiegend in solchen Staaten statt, die den Republikanern ohnehin so gut wie sicher waren; plus dem sicheren Obama- Staat Washington, wie Palins Heimat Alaska im äußersten Nordwesten gelegen. Das ist eines der Indizien dafür, daß der Aufschwung hauptsächlich Palin zu verdanken ist: Er konzentriert sich dort, wo die konservativen Wähler sitzen, die sie besonders anspricht. Auch der starke Anstieg im Staat Washington paßt in dieses Bild; für dessen Einwohner ist sie sozusagen ein Girl von nebenan.
Aber für das Electoral College bringt das wenig. In Alaska zum Beispiel hat sich der Abstand zwischen McCain und Obama um nicht weniger als 13,8 Prozentpunkte vergrößert. Aber dort hatte McCain auch schon vor der Nominierung von Palin deutlich vorn gelegen. Dasselbe gilt für Staaten wie Idaho und Georgia.
Mehr als die Wahlmänner solcher Staaten gewinnen kann McCain für die End- Abrechnung ja nicht. Die Marge spielt am Ende keine Rolle. In diesen Staaten erlebt McCain gegenwärtig einen Aufschwung, von dem er sich sozusagen nichts kaufen kann.
Und wie sieht es in den Battleground States aus? In New Hampshire ist es sogar Obama, der einen zuvor knappen Vorsprung ausbauen konnte, entgegen dem allgemeinen Trend. In Ohio hat sich McCain nur um 0,6 Prozentpunkte verbessert, in Florida um 0,3, in New Mexico um 0,7 Prozentpunkte.
Mit anderen Worten: In diesen Battleground States gab es praktisch keinen Palin- Effekt. Mit einer Ausnahme (Virginia) war der relative Zuwachs für McCain in allen diesen kritischen Staaten geringer als im US-Durchschnitt.
So kommt es, daß aktuell bei Pollster McCain mit den eingangs genannten 47,2 zu 44,9 Prozent vor Obama liegt. Rechnet man aber die Werte aus den einzelnen Bundesstaaten in Sitze im Electoral College um, dann führt Obama noch immer; mit jetzt 243 zu 224 Stimmen (71 Stimmen sind gegenwärtig nicht zuordenbar).
Es ist also nach wie vor alles offen. Es bleibt dabei: Mehr Kopf-an-Kopf geht nicht.
Noch Ende August lag Obama in fast allen Umfragen deutlich vorn (CBS, 31. August: 48 zu 40 für Obama; Diageo, 31. August: 48 zu 39; Rasmussen, 30. August: 49 zu 46; Gallup, 29. August: 49 zu 41. Das Datum ist jeweils der letzte Tag der Umfrage).
Jetzt hat sich das umgekehrt. Bei nahezu allen Instituten hat McCain seinen Gegner überholt; im Durchschnitt liegt er jetzt mit 47,2 zu 44,9 Prozent vor Obama. Was, als es sich andeutete, noch eine Zufallsschwankung hätte sein können, hat sich mit dem Hinzukommen weiterer Daten verfestigt: McCain ist jetzt der Frontrunner, der Führende im Rennen.
Nein, so ist es eigentlich nicht ganz richtig formuliert: Nicht McCain liegt vor Obama, sondern das Team McCain / Palin hat das Team Obama / Biden überholt. Denn es gibt etliche Anzeichen dafür, daß McCain den jetzigen Aufwind vor allem seiner Partnerin Sarah Palin verdankt. Auf eines dieser Anzeichen komme ich gleich noch zurück.
War also Palins Nominierung am Ende doch die brillante Entscheidung, die der Kommentator Ed Rollins in einer ersten Reaktion diagnostiziert hatte?
Vielleicht. Aber sicher ist das nicht. Und zwar aus drei Gründen.
Bitte überlegen Sie einmal kurz, was sie über Joe Biden wissen. Und was über Sarah Palin.
Sehen Sie. Palin beschäftigt uns, sie interessiert uns. Sie ist ein Star nicht unbedingt in dem Sinn, daß sie verehrt wird. Aber jedenfalls in dem Sinn, daß sie unsere Phantasie aktiviert, daß sie Aufmerksamkeit weckt.
Nichts davon by Joe Biden. Hier in Europa so wenig, wie in den USA selbst. Ein blasser, nicht besonders interessanter Mensch. Noch dazu ein Politiker, dessen Gesicht seit nicht weniger als fünfunddreißig Jahren auf den TV-Schirmen zu sehen ist. Als Biden zum ersten Mal Senator wurde, war Sarah Palin ein Mädchen von neun Jahren!
Dieser Unterschied zwischen Palin und Biden ist sehr wahrscheinlich einer der Gründe für McCains Aufschwung. Aber es ist ein Unterschied sozusagen mit einem Verfallsdatum.
Bis im November gewählt wird, werden die Amerikaner Sarah Palin derart oft auf den Bildschirmen gesehen, werden sie so viel über sie und ihre Familie erfahren haben, daß die jetzige Neugier, daß das momentane Human Interest vorbei sein wird. Worn down, wie man im Englischen sagt - abgenutzt wie ein zu oft getragener Anzug.
Bei welchen Sendungen wird Palin dann auf den Bildschirmen erschienen sein? Zum einen bei der Übertragung von Wahlkampf- Veranstaltungen. Solche Situationen beherrscht sie. Das hat sie nicht nur in St. Paul bewiesen, sondern auch in der Serie von Auftritten gemeinsam mit John McCain, die sie seither absolviert hat. Durchaus star-like. Aus dem Stand besser als die ungleich erfahrenere Hillary Clinton.
Aber es wird ja andere Sendeformate geben, in denen Sarah Palin sich bewähren muß. Interviews vor allem und Diskussionen; am wichtigsten die Diskussionen mit ihrem Gegenüber Joe Biden.
Das wird Sarah Palins eigentliche Bewährungsprobe werden. Dort wird man versuchen, ihr Fallen zu stellen, ihre Unerfahrenheit zu entlarven.
Vor allem in der Außenpolitik - dem Spezialgebiet Joe Bidens - lauern jede Menge Fallen. Sollte es ihr unterlaufen, zwei Staaten im Kaukasus miteinander zu verwechseln, den Namen eines afrikanischen Staatsmanns falsch wiederzugeben oder den Verlauf einer Pipeline nicht zu kennen, dann werden sich die Medien begierig darauf stürzen.
So war es George W. Bush vor seiner Wahl zum Präsidenten gegangen; wie Palin war er Gouverneur gewesen und also mit der Außenpolitik wenig vertraut. Im Wahlkampf 2000 wurde ihm immer wieder um die Ohren gehauen, daß er im Juni 1999 gegenüber einem slowakischen Journalisten Slowakien und Slowenien verwechselt hatte.
Inzwischen hat Sarah Palin ein erstes Interview auch zu außenpolitischen Themen gegeben und es bravourös bestanden. Allerdings war der Interviewer - Charles Gibson von ABC News - auch fair. Damit wird sie nicht immer rechnen können.
Das also sind zwei Gründe, warum es gegenwärtig unsicher ist, ob Palins Erfolg anhält: Man wird sich an sie gewöhnen, und sie hat noch nicht bewiesen, daß sie in Diskussionen bestehen kann, in denen es auf Detailwissen ankommt.
Der dritte Grund, warum der jetzige Aufschwung vielleicht nicht reicht, um John McCain ins Weiße Haus zu bringen, hat etwas mit dem amerikanischen Wahlrecht zu tun.
Daß es nach diesem Wahlrecht bei der Wahl des Präsidenten nicht um die Anteile an den Wählerstimmen (dem Popular Vote) geht, sondern um die Sitze im Electoral College, dem Wahlmännergremium, habe ich kürzlich anhand der Frage erläutert, in welchen US-Staaten sich denn die Wahl entscheiden wird. Es sind weniger als ein Dutzend; die Swing States, die Battleground States.
Gestern nun erschien in dem auf die Analyse von Umfragedaten spezialisierten Blog FiveThirtyEight ein Artikel, in dem untersucht wurde, wie sich denn der Aufschwung des Teams McCain / Palin geographisch verteilt.
Das Ergebnis: Dieser Aufschwung fand überwiegend in solchen Staaten statt, die den Republikanern ohnehin so gut wie sicher waren; plus dem sicheren Obama- Staat Washington, wie Palins Heimat Alaska im äußersten Nordwesten gelegen. Das ist eines der Indizien dafür, daß der Aufschwung hauptsächlich Palin zu verdanken ist: Er konzentriert sich dort, wo die konservativen Wähler sitzen, die sie besonders anspricht. Auch der starke Anstieg im Staat Washington paßt in dieses Bild; für dessen Einwohner ist sie sozusagen ein Girl von nebenan.
Aber für das Electoral College bringt das wenig. In Alaska zum Beispiel hat sich der Abstand zwischen McCain und Obama um nicht weniger als 13,8 Prozentpunkte vergrößert. Aber dort hatte McCain auch schon vor der Nominierung von Palin deutlich vorn gelegen. Dasselbe gilt für Staaten wie Idaho und Georgia.
Mehr als die Wahlmänner solcher Staaten gewinnen kann McCain für die End- Abrechnung ja nicht. Die Marge spielt am Ende keine Rolle. In diesen Staaten erlebt McCain gegenwärtig einen Aufschwung, von dem er sich sozusagen nichts kaufen kann.
Und wie sieht es in den Battleground States aus? In New Hampshire ist es sogar Obama, der einen zuvor knappen Vorsprung ausbauen konnte, entgegen dem allgemeinen Trend. In Ohio hat sich McCain nur um 0,6 Prozentpunkte verbessert, in Florida um 0,3, in New Mexico um 0,7 Prozentpunkte.
Mit anderen Worten: In diesen Battleground States gab es praktisch keinen Palin- Effekt. Mit einer Ausnahme (Virginia) war der relative Zuwachs für McCain in allen diesen kritischen Staaten geringer als im US-Durchschnitt.
So kommt es, daß aktuell bei Pollster McCain mit den eingangs genannten 47,2 zu 44,9 Prozent vor Obama liegt. Rechnet man aber die Werte aus den einzelnen Bundesstaaten in Sitze im Electoral College um, dann führt Obama noch immer; mit jetzt 243 zu 224 Stimmen (71 Stimmen sind gegenwärtig nicht zuordenbar).
Es ist also nach wie vor alles offen. Es bleibt dabei: Mehr Kopf-an-Kopf geht nicht.
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