17. September 2008

Marginalie: Der wirtschaftliche Niedergang des Iran

In die Schlagzeilen kommt der Iran meist wegen seines Atomprogramms oder wegen anti- israelischer Äußerungen von Ahmadinedschad. Wie steht es aber eigentlich mit der iranischen Wirtschaft?

Schlecht, schreibt Patrick Clawson in der gerade erschienen Herbst- Nummer des Middle East Quarterly.

Clawson ist der stellvertretende Forschungsdirektor des Washington Institute for Near East Policy. Sein Artikel ist vollgepackt mit Fakten und Belegstellen aus iranischen und internationalen Quellen. Man erfährt daraus nicht nur etwas über die momentane wirtschaftliche Lage des Iran, sondern auch über die Entwicklung seit der Zeit des Schah.



Bis Mitte der siebziger Jahre hatte der Iran unter dem Schah eine wirtschaftliche Dynamik entwickelt, die der heutigen Situation in China vergleichbar ist.

In den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren wuchs die Industrieproduktion mit einer Rate von jährlich zwanzig Prozent. Die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe verdoppelte sich von 1956 bis 1972. 1963 hatte der Iran weder eine Automobil- noch eine Elektronikindustrie. 1972 wurden bereits 71.000 KfZ und 406.000 Radios und TV-Geräte hergestellt.

Zwischen 1960 und 1976 hatte das Land eine der höchsten Wachstumsraten der Welt. Die Wirtschaft wuchs - inflationsbereinigt - mit durchschnittlich 9,8 Prozent pro Jahr, die Realeinkommen um sieben Prozent jährlich. 1976 hatte sich das Bruttosozialprodukt - zu konstanten Preisen - gegenüber 1960 verfünffacht.

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre geriet das Land in eine Wirtschafts- und eine politische Krise, die zum Sturz des Schah im Januar 1979 und der Errichtung des Regimes der Mullahs führte. Im Jahrzehnt danach halbierte sich (nach iranischen Regierungs- Statistiken) das Einkommen pro Kopf der Bevölkerung. Die Wirtschaft schrumpfte um 2,4 Prozent pro Jahr.



Die Aufs und Abs der wirtschaftliche Entwicklung seither zeichnet Clawson im einzelnen nach. Ich übergehe das (empfehle es aber sehr zur Lektüre) und komme gleich zur gegenwärtigen Lage. Die Arbeitslosigkeit liegt bei ungefähr 12 Prozent. Die Inflationsrate beträgt nach Regierungsangaben 24 Prozent; der wahre Wert liegt nach der Meinung von Experten höher.

Am besten wird die ökonomische Inkompetenz des Mullah- Regimes vielleicht dadurch gekennzeichnet, daß einer der größten Ölproduzenten der Welt Benzin nicht nur rationiert, sondern sogar in großem Umfang importieren muß:
In addition to the monthly 26-gallon ration at $.48 per gallon, motorists can purchase extra amounts at $1.91 per gallon. (...) With Iran's refineries uninterested in producing gasoline for which they receive such meager prices, the Iranian government has been forced to rely on imports. While these have oscillated, in 2006, for example, they amounted to 192,000 barrels per day.

Autofahrer erhalten eine monatliche Ration von 26 Gallonen zu 0,48 Dollar pro Gallone und können weiteres Benzin für 1,91 Dollar pro Gallone hinzukaufen. (...) Da die iranischen Raffinerien nicht an der Produktion von Benzin interessiert sind, für das sie derart geringe Preise erhalten, war die iranische Regierung gezwungen, auf Importe zurückzugreifen. Sie gingen auf und ab; 2006 lagen sie bei 192.000 Barrel pro Tag.
Dank der hohen Ölpreise funktioniert die iranische Wirtschaft noch einigermaßen. Aber insgesamt ist die Bilanz der Mullahs verheerend:
... there has been one Iranian constant: erratic financial policies which have frittered away the country's impressive economic potential. (...) Once in power, the revolutionary authorities implemented the worst aspects of Third World socialism with predictable results: The economy went downhill (...). The result is that the income of the average Iranian is not much higher than it was thirty years ago.

... es gibt eine iranische Konstante: Eine erratische Finanzpolitik, die das eindrucksvolle ökonomische Potential des Landes hat wegschmelzen lassen. (...) Erst einmal an der Macht, hat das Revolutionsregime die schlimmsten Aspekte des Dritte- Welt- Sozialismus in die Tat umgesetzt. Die Ergebnisse waren absehbar: Mit der Wirtschaft ging es abwärts (...). Die Folge ist, daß das Einkommen des durchschnittlichen Iraners kaum höher ist als vor dreißig Jahren.
Des durchschnittlichen, wohlgemerkt. Denn wie jeder Sozialismus hat auch der iranische seine Nutznießer: Für ein Apartment in Teheran bezahlt man leicht 6.500 bis 11.000 Dollar pro Quadratmeter (Zum Vergleich: Ein Lehrer verdient im Iran ungefähr 300 Dollar im Monat). Eine ganze Industrie ist laut Clawson entstanden, die die Reichen mit der Ausstattung für ihre Paläste versorgt.



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