17. Juli 2011

Marginalie: "Sie haben hier nichts zu suchen". Wie in einer deutschen Großstadt ein Besucher gemobbt wurde

Ein Autor X hat ein Buch über Deutschland geschrieben, das von manchen Deutschen als beleidigend empfunden wird. Jetzt ist er in einer deutschen Stadt unterwegs; begleitet von einem Fernsehteam. Er geht dort durch einen Stadtteil, in dem auch Problemgruppen wohnen; nennen wir ihn "Kiez".

Der Autor X wird von Passanten erkannt und verbal angegriffen. Dann spielt sich laut seiner späteren Schilderung dies ab:
Eine Menschentraube hatte sich mittlerweile um uns versammelt. Rechtsradikale Marktbesucher aus dem Kiezer Milieu skandierten "Deutschenfeind" und "Nestbeschmutzer raus" - von solchen Rufen begleitet, verließ ich mit der Journalistin G.B. schließlich betont gemessenen Schrittes den Markt.

Als nächstes war ein Mittagessen im Restaurant "Zum Adler" geplant. Wir parkten etwa 100 Meter vom Restaurant entfernt. Beim Aussteigen sah mich ein junges, gut gekleidetes Paar.

Mann: Das ist ja der X. Dieser Mann hat die Menschen beleidigt. X raus aus dem Kiez.

Frau: Sie sind ein Nestbeschmutzer.

Ich glaube, Sie beleidigen mich gerade.

Mann: Sie haben die Leute beleidigt und jetzt laufen Sie hier. Das ist unglaublich. X raus aus dem Kiez!

Frau: Sie haben hier nichts zu suchen.

Eine vernünftige Diskussion war nicht möglich. Wir gingen schließlich Richtung Restaurant. Das junge Paar verfolgte uns, der Mann dabei brüllend "Da kommt X, der Nestbeschmutzer". Als wir das Restaurant betraten, flippte er fast aus vor Empörung.

Der Mann brüllte ununterbrochen weiter, zog sein iPhone hervor und sprach in den Brüllpausen ins Telefon. Das Gebrüll, das er durch das offene Fenster in das Lokal hinein fortsetzte, zog allmählich einen Menschenauflauf zusammen.
Der Wirt erklärte dann dem Autor X, er könne ihn nicht bedienen. Der Autor weiter:
Ich wies darauf hin, dass mit dieser Nachgiebigkeit ein grundsätzliches Problem entstünde. Als wir das Lokal verließen, kam Beifall auf, und unter Beschimpfungen aus der Menge schlichen wir wie die geprügelten Hunde davon. G.B. meinte etwas bitter, an der Stelle des Managers hätte sie das durchgestanden und die Polizei geholt. Ich erwiderte, das sei ja gerade das Problem. Unter Druck gehöre die Loyalität dieses erfolgreichen Geschäftsmannes offenbar eher den Krawallmachern als dem Gast.



Diese Begebenheit können Sie in der heutigen "Welt am Sonntag" nachlesen. Sie finden Sie dort allerdings in ihrer tatsächlichen Form, die ich ein wenig verändert habe. Der Autor heißt Thilo Sarrazin und hat ein Buch geschrieben, das von manchen Einwanderern aus der Türkei und Arabien als beleidigend empfunden wird. Der Stadtteil ist Kreuzberg. Einige weitere Einzelheiten habe ich um der Verfremdung willen verändert sowie die Textpassage gekürzt.

Nehmen wir aber einmal an, es hätte sich so abgespielt, wie ich es verfremdet habe: Was wäre dann wohl morgen die Reaktion in der deutschen, vielleicht in der internationalen Presse? Und wie wird sie tatsächlich sein?
Zettel



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