7. September 2008

Marginale: Müntefering ante portas. Und schon wird aus dem Cunctator Steinmeier ein Scipio

Seit dem Scheitern Johannes Raus als Kanzlerkandidat bei den Wahlen 1987 gilt es in der SPD, und nicht nur dort, als ausgemacht, daß man einen solchen Kandidaten nicht zu früh nominieren darf.

Rau hatte man bereits zwei Jahre vor diesen Wahlen, am 15. September 1985, zum Kandidaten gekürt. Was bedeutete, daß er zwei Jahre im Feuer der Kritik stand und am Ende Helmut Kohl unterlag. (Die SPD erhielt 37 Prozent. Ein Ergebnis also, von dem sie heute nur träumen kann; damals war es ein klägliches Scheitern. Kohl erhielt über 44 Prozent).

Seitdem gilt die Regel: Den Kanzlerkandidaten erst nominieren, wenn es auf die Wahlen zugeht. Auch diesmal wollte man eigentlich in aller Ruhe abwarten, bis Beck sich - zu einem selbstgewählten Zeitpunkt - hinstellen und verkünden würde, daß the winner der Minister Steinmeier ist.

Von Beck in freiwilliger Selbstbescheidung nominiert. Von Beck als dem Herrn des Verfahrens, der entscheidet, wann und wie er wen zum Kanzlerkandidaten ernennt.

Warum jetzt die Eile, mit der offensichtlich bereits heute Steinmeier auf den Schild gehoben werden soll?

Weil Hannibal ante portas ist.



Sie hatten sich das so schön ausgedacht, die Oberen der SPD: Steinmeier wird Kanzlerkandidat. Ein Mann, der die Innere Mongolei vermutlich besser kennt als das Innere der SPD. Also keiner, der auch noch Vorsitzender werden will.

Der das nicht jetzt werden will, und damit ist Beck erst einmal sicher. Auch nicht später. Also kann Steinmeier den Kanzlerkandidaten machen, und später einmal beerbt Andrea Nahles den Kurt Beck.

Ein schöner, ein logischer, ein für alle profitabler Plan. Nur ist nun Müntefering wieder da.

Sofort schlossen sich die Reihen der Spitzengenossen. Eine "beratende Tätigkeit" wollte Beck dem Genossen Müntefering zugestehen, und klopfte dem offenbar früh Vergreisten auf die Schulter: "Es ist ehrenwert, wenn man mit 68 gebeten wird, seine Erfahrung einzubringen".

Aber es half nichts. Hannibal rückte näher, wenngleich vielleicht gar nicht einmal mit eigenen Truppen. Es war das Hilfsvolk der Wähler, das ihn in bedrohliche Nähe zur Kanzlerkandidatur brachte.

Laut ARD-DeutschlandTREND für September liegt bei der Frage nach dem SPD- Kanzlerkandidaten bereits jetzt Müntefering, der noch kaum wieder in der Öffentlichkeit aufgetreten ist, mit 36 Prozent nur knapp hinter Steinmeier (40 Prozent). Und "nach wie vor enorme Sympathien" für Müntefering ermittelte Infratest- dimap bei den Befragten.

Da hieß es also handeln.

Ein Kanzlerkandidat, gar ein Kanzler Müntefering hätte weder seinem Intimfeind Kurt Beck noch jener Andrea Nahles, deren Intrigen ihn 2005 zum Rücktritt getrieben hatten, das Amt des Vorsitzenden gelassen. Wie Schröder hätte dieser Kenner aller Geheimnisse der SPD gewußt, daß ein Kanzler, der nicht zugleich Parteichef ist, von dieser SPD nie die erforderliche Unterstützung erwarten kann. Helmut Schmidt hatte das zu spät erkannt und bereut, daß er nicht auch Vorsitzender geworden war.

Also, ein bevorstehender Wiederaufstieg Münteferings hätte sie alle drei bedroht - Beck, Steinmeier, Nahles.

Darauf konnten und wollten sie nicht reagieren wie Fabius Maximus, der Cunctator, der Zauderer es gegenüber Hannibal gemacht hatte; nämlich abwartend und zurückweichend.

Da heißt es, wir werden es heute mitgeteilt bekommen, tapfer kämpfen wie die Scipionen.



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